Erfahrungen mit StA bei falscher eidesstattlicher Versicherung im Erbscheinsverfahren

  • Wie sind die Erfahrungen der Forengemeinde, wenn im Erbscheinsverfahren eine falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben worden sein könnte?

    Legt ihr die Verfahren der Staatsanwaltschaft vor?
    Wenn nein, warum nicht?
    Wenn ja, was passiert aufgrund der Vorlage?
    Wird die Sache strafrechtlich verfolgt?
    Wenn ja, mit welchem Ergebnis?


    Ich fange mal und schildere meine Erfahrungen:

    In den letzten ca. 6 Jahren hatte ich aus meiner Sicht ca. 10 falsche eidesstattliche Versicherungen im Zusammenhang mit Erbscheinsanträgen.

    Alle zehn Anträge, die aus meiner Sicht falsche eidesstattliche Versicherungen enthielten, kamen über Notare (Meine Vermutung: die Notare weisen auf den Hintergrund der eV und die Strafbarkeit bei vorsätzlicher oder fahrlässig falscher Abgabe nicht genügend hin).

    In 9 Fällen war die eV falsch, weil anderen Personen, die Einfluss auf das Erbrecht haben, und noch vorhanden sind oder waren, nicht angegeben wurden. Einmal wurde die Existenz der letztwilligen Verfügung verschwiegen.

    Acht Fälle hat die hier zuständige Staatsanwaltschaft überhaupt nicht weiterverfolgt. In einem Fall wurde der Antragsteller "verwarnt" und im letzten Fall wurde die Sache eingestellt, da der Antragsteller zeitgleich wegen Fahren ohne Fahrerlaubnis verurteilt wurde und die falsche eV nicht ins Gewicht fiel (Hä? Zusammenhang?) In keinem der Fälle würden die beteiligten Notaren dazu befragt, wie sie die eV abnehmen o. ä.

    Zur Erinnerung: Strafrahmen: Geldstrafe bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe.

    Aus meiner Sicht sind diese Erfahrungen sehr unbefriedigend. Wie ist es woanders?

    "Der Staat ist vom kühlen, aber zuverlässigen Wächter zur Amme geworden. Dafür erdrückt er die Gesellschaft mit seiner zärtlichen Zuwendung."

  • Meine Erfahrungen dazu:

    Falsche eV (vllt. 5 oder 6 in 8 Jahren, von denen ich weiß) wurden gelegentlich abgegeben, wenn kein Kontakt zum n. e. Kind des Ehegatten oder dem n. e. Geschwister bestand. Es war dann fast immer so, dass die Antragsteller nach der Beurkundung nochmal kamen und etwas mehr herausrückten (so nach dem Motto: mir ist eingefallen, dass mir mal erzählt wurde, es soll wohl noch eine/n XYZ geben...). An alle SV erinnere ich mich aber nicht mehr.
    Kurios war ein ASt eines gemeinsamen ES, der eine Miterbin angegeben hatte, die gar nicht mit dem EL verwandt war. Er kannte nur den Namen und hatte die vermeintliche Adresse dazu gegoogelt. Die erforderlichen Urkunden lagen vor, die Dame mit dem selben Namen wie die wahre Miterbin war aber eben nur namensgleich. Die wahre Verwandte/Miterbin war ein Ausreißer, hatte sich von der Familie abgewandt und war unbekannten Aufenthalts. Durch die Anhörung vor ES Erteilung kam die Sache dann heraus.

    Bei der zuständigen StA wurden die Verfahren nach meiner Erinnerung immer gegen Zahlung von 300-600 Eur eingestellt (manchmal riefen die StAe vor der Einstellung bei mir an und haben mich als Anzeigenerstatter angehört, was wohl nicht richtig ist - es war aber so). Vom Verfahrensausgang hätte ich ansonsten nichts erfahren.

  • Zahnloser Tiger.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

    Nachlass-Kanzlei / Büro für gerichtliche Pflegschaften / Nachlasspflegschaften, Nachlassverwaltungen, Testamentsvollstreckungen, Nachlassbetreuungen /
    Nachlasspfleger Thomas Lauk - http://www.thomaslauk.de

  • Zahnloser Tiger.

    das würde mein Tun nicht beeinflussen
    und so ganz ohne Folgen scheint es nicht zu sein – siehe #2

    Das sage ich auch nicht. Aber es scheint doch (auch nach meiner Erfahrung) bei den StA´s andere Dinge zu geben, mit denen man sich beschäftigen muss.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

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  • Ich lege jede falsche eV der Staatsanwaltschaft vor, bei der ich das Gefühl hatte, die ist nicht versehentlich falsch oder gar in Unkenntnis falsch abgegeben worden.
    Z.B. hat ein A.St. als Begründung für eine unterschlagene Verwandte angegeben, diese sei für ihn gestorben und daher nicht erwähnenswert.
    In allen Fällen (4-5) war die Strafe so hoch wie der Erbteil bzw. bei einem eher hohen NL Wert zumindest spürbar. Selbst bei einem notariellen ES Antrag, in dem eine weitere Tochter nicht angegeben war, vom Sohn aber im Eröffnungsverfahren genannt wurde und seiner (glaubhaften) Aussage nach auch der Notarin mitgeteilt wurde, wurde dem A. St. eine Strafe auferlegt von der StA.

  • im letzten Fall wurde die Sache eingestellt, da der Antragsteller zeitgleich wegen Fahren ohne Fahrerlaubnis verurteilt wurde und die falsche eV nicht ins Gewicht fiel (Hä? Zusammenhang?)

    Die Antwort ist in § 154 Abs. 1 Nr. 1 StPO zu finden. Ein inhaltlicher Zusammenhang zwischen den Delikten ist dafür nicht erforderlich. "Fiel nicht ins Gewicht" bezieht sich nur auf den Vergleich zwischen anderweitiger Verurteilung einmal für sich betrachtet und einmal unter Einbeziehung des wahrscheinlichen Ergebnisses bei einer Verurteilung auch wegen des nach § 154 StPO eingestellten Tatvorwurfs. Es wird wahrscheinlich so gewesen sein, dass eine Verurteilung wegen falscher Versicherung an Eides Statt und die Verurteilung wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis gesamtstrafenfähig gewesen wären. Eine Erhöhung der Einzelstrafe wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis wäre aber so gering ausgefallen, dass die Verfolgung der zweiten Tag als verzichtbar angesehen werden konnte.

    Ich lege jede falsche eV der Staatsanwaltschaft vor, bei der ich das Gefühl hatte, die ist nicht versehentlich falsch oder gar in Unkenntnis falsch abgegeben worden.

    Eine falsche Versicherung an Eides Statt ist nach § 161 Abs. 1 StGB auch bei fahrlässiger Begehung eine Straftat, wobei nach § 161 Abs. 2, 158 Abs. 2, 3 StGB bei rechtzeitiger Berichtigung Straflosigkeit eintritt. Das wäre nach § 158 Abs. 2 StGB im Erbscheinsverfahren dann der Fall, wenn die Berichtigung vor der Erteilung des Erbscheins erfolgt.

  • Ich lege jede falsche eV der Staatsanwaltschaft vor, bei der ich das Gefühl hatte, die ist nicht versehentlich falsch oder gar in Unkenntnis falsch abgegeben worden.

    Eine falsche Versicherung an Eides Statt ist nach § 161 Abs. 1 StGB auch bei fahrlässiger Begehung eine Straftat, ...

    Im Erbscheinsverfahren ist aber zu beachten, daß nicht die Richtigkeit der Angaben im Antrag versichert wird, sondern die fehlende Kenntnis von Umständen, die diesen Angaben entgegenstehen. M.a.W. können hier die Angaben falsch und die Versicherung richtig sein und umgekehrt.

  • Ich schließe mich TL an. Diese Strafandrohung ist ein zahnloser Tiger.

    Wie mein Vorredner sagte, wird nur auf die Kenntnis der Richtigkeit der Angaben die e.V. abgegeben. Da gibt es neben Umständen die mangels Kenntnis des Antragstellers zu falschen Angaben führen auch zahlreiche Möglichkeiten wie ein böswilliger Antragsteller es zumindest versuchen kann, das Ergebnis des Erbscheinsverfahrens in seinem Sinne zu beeinflussen.

    Diesem dann die Kenntnis der Unrichtigkeit der Angaben oder zumindest fahrlässige falsch gemachte Angaben nachzuweisen, dürfte in den meisten Fällen schwer fallen.

    Wenn ich unsere eV -Formel vorlese, erkläre ich den Sinn und den Inhalt nochmal, schaue den Ast böse in die Augen und sage nochmal "Das bedeutet, dass alles was wir jetzt hier protokolliert haben, nach Ihrer Kenntnis der Wahrheit entspricht!"
    Ich hatte es schon mehrmals, dass Leute in dem Moment anfangen zu schwitzen und/oder dann nochmal mit einem Fakt herauszurücken, der ihnen eben noch entfallen war.

  • Wenn ein Anfangsverdacht besteht, ist es Sache der Staatsanwaltschaft, sich um den Rest zu kümmern. Ich bin von den Staatsanwaltschaften im Erbrecht auch bitter enttäuscht. Teilweise habe ich den Eindruck, dass krampfhaft nach Möglichkeiten gesucht wird, die Fälle einzustellen. So sollte es aber nicht sein.

  • Wenn ein Anfangsverdacht besteht, ist es Sache der Staatsanwaltschaft, sich um den Rest zu kümmern. Ich bin von den Staatsanwaltschaften im Erbrecht auch bitter enttäuscht. Teilweise habe ich den Eindruck, dass krampfhaft nach Möglichkeiten gesucht wird, die Fälle einzustellen. So sollte es aber nicht sein.


    Bezogen auf das in deinem Profil vermerkte Bundesland wird sich das wohl in Zukunft ändern. :cool:

  • Wenn ein Anfangsverdacht besteht, ist es Sache der Staatsanwaltschaft, sich um den Rest zu kümmern. Ich bin von den Staatsanwaltschaften im Erbrecht auch bitter enttäuscht. Teilweise habe ich den Eindruck, dass krampfhaft nach Möglichkeiten gesucht wird, die Fälle einzustellen. So sollte es aber nicht sein.


    Bezogen auf das in deinem Profil vermerkte Bundesland wird sich das wohl in Zukunft ändern. :cool:

    Weil Amtsanwaltschaft? :gruebel: Dann könnte in der Tat etwas mehr Erbrechtsexpertise (und Personalausstattung) Einzug halten :D

    Auch wenn ein Beamter schnell und unbürokratisch handelt, kann eine amtliche Tätigkeit vorliegen.
    (LG Bielefeld, Urteil vom 28. Januar 2003 – 2 O 634/02 –, juris)

    Ein Narr ist viel bemüht; des Weisen ganzes Tun,
    Das zehnmal edeler, ist Lieben, Schauen, Ruhn.
    Angelus Silesius (1624 - 1677)

  • Oha, da scheint was an mir vorbei gegangen zu sein :eek:

    Edit:

    Wobei ich daraus genau das Gegenteil lese...

    https://www.mdr.de/sachsen/landta…bstahl-100.html

    Auch wenn ein Beamter schnell und unbürokratisch handelt, kann eine amtliche Tätigkeit vorliegen.
    (LG Bielefeld, Urteil vom 28. Januar 2003 – 2 O 634/02 –, juris)

    Ein Narr ist viel bemüht; des Weisen ganzes Tun,
    Das zehnmal edeler, ist Lieben, Schauen, Ruhn.
    Angelus Silesius (1624 - 1677)

  • Oha, da scheint was an mir vorbei gegangen zu sein :eek:

    Edit:

    Wobei ich daraus genau das Gegenteil lese...

    https://www.mdr.de/sachsen/landta…bstahl-100.html

    "Anlass der Debatte war eine seit kurzem geltende Verfügung des Generalstaatsanwaltes, wonach Bagatelldelikte künftig konsequenter verfolgt und geahndet werden sollen." - Zitat aus dem verlinkten Artikel

    "Auf hoher See und vor Gericht UND IN DER KLAUSUR ist man in Gottes Hand."
    Zitat Josef Dörndorfer

  • Zunächst noch Danke für die Beiträge.

    @ TL: Obwohl unsere Staatsanwaltschaft tatsächlich andere Prioritäten hat, als falsche eVs in Erbscheinsverfahren (zB Strafbefehle für Kokulores gegen teuer Geld ins Ausland zustellen zu lassen, Owis bis ins letzte i-Tüpfelchen zu verfolgen usw.), werde ich denen weiterhin fleißig entsprechende Verfahren vorlegen. Steter Tropfen höhlt den Staatsanwalt oder so ähnlich...).

    @ Breamter: so was hatte ich mir schon gedacht. Ich werde nie verstehen warum Straftäter, die mehrere Taten begehen einen "Rabatt" bekommen. Da kann man etwas polemisch ja gleich sagen "Sie sind mit 100 durch die geschlossene Ortschaft? Ach, dann sehen sie mal zu, ob sie nicht die Tage noch irgendwo 'ne falsche eV zu Ihren Gunsten abgeben können, die bekommen Sie nämlich noch gratis dazu."

    Frog: Ich lege einfach selbst vor. Das ist bislang von niemanden (weder hier im Haus, noch von der Staatsanwaltschaft beanstandet worden).

    Mein Verdacht:
    Die Notare, Staatsanwälte und Strafrichter haben nicht auf dem Schirm, dass an einen Erbschein ein guter Glaube besteht und weit reichende Folgen/Möglichkeiten geknüpft sind. Ferner überlegt offenbar niemand, dass irgendwann die eV nicht mehr das Papier wert ist auf dem sie steht, wenn der Straftatbestand faktisch nicht verfolgt wird.

    Mir ist durchaus bewusst, dass es im deutschen Recht auch Aufgabe der Staatsanwaltschaft ist, entlastende Tatsachen zu ermitteln, aber wenn meine Aktenvorlagen mehr oder weniger mit "lass uns mit diesem Mist in Ruhe" beantwortet werden, läuft doch was falsch.

    "Der Staat ist vom kühlen, aber zuverlässigen Wächter zur Amme geworden. Dafür erdrückt er die Gesellschaft mit seiner zärtlichen Zuwendung."

  • @ErnstP:

    Glaub´mir: Es läuft etwas falsch. Und das merkt man mehr und mehr....

    Solange hinten und vorne Geld und Personal fehlt, Richter reihenweise (potentielle :) Verbrecher aus der Haft entlassen müssen, weil man Ihnen in angemessener Zeit keinen Prozess machen kann, sich die Akten in allen Gerichten stapeln und man sich sogar überlegt, Schwarzfahren oder Drogenkonsum straffrei zu stellen, dann läuft etwas falsch. Zumindest nach meiner Auffassung...

    Belege?

    https://www.welt.de/politik/deutsc…e-noch-nie.html
    https://www.zeit.de/2018/31/staats…rsonalknappheit
    https://deutsch.rt.com/inland/82012-d…los-uberlastet/
    https://www.heise.de/tp/features/Es…en-3366876.html
    https://www.waz.de/panorama/gener…d216102777.html
    https://www.haufe.de/recht/kanzleim…222_340112.html
    https://www.mdr.de/investigativ/e…mangel-100.html
    https://rp-online.de/politik/deutsc…lt_aid-34491855

    Ich kann gerne noch hunderte weitere Berichte benennen....

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

    Nachlass-Kanzlei / Büro für gerichtliche Pflegschaften / Nachlasspflegschaften, Nachlassverwaltungen, Testamentsvollstreckungen, Nachlassbetreuungen /
    Nachlasspfleger Thomas Lauk - http://www.thomaslauk.de

  • Mein Verdacht:
    Die Notare, Staatsanwälte und Strafrichter haben nicht auf dem Schirm, dass an einen Erbschein ein guter Glaube besteht und weit reichende Folgen/Möglichkeiten geknüpft sind. Ferner überlegt offenbar niemand, dass irgendwann die eV nicht mehr das Papier wert ist auf dem sie steht, wenn der Straftatbestand faktisch nicht verfolgt wird.

    Notare sollten es wissen, denke ich.

    Bei Staatsanwälten und Strafrichtern wird das Defizit auch daran liegen, dass Nachlassrecht in der Ausbildung bei Volljuristen nur eine untergeordnete Rolle spielt.

    Vielleicht bringt es etwas, wenn sowas als Fortbildung "Nachlassrecht für Staatsanwälte und Strafrichter" angeboten wird.


  • Notare sollten es wissen, denke ich.

    Bei Staatsanwälten und Strafrichtern wird das Defizit auch daran liegen, dass Nachlassrecht in der Ausbildung bei Volljuristen nur eine untergeordnete Rolle spielt.

    Vielleicht bringt es etwas, wenn sowas als Fortbildung "Nachlassrecht für Staatsanwälte und Strafrichter" angeboten wird.

    Glaube ich nicht. Man muß kein Nachlaßexperte sein, um die Angelegenheit strafrechtlich zu verfolgen. Wenn eine eV vor einer dafür zuständigen Stelle vorsätzlich oder fahrlässig falsch abgegeben wurde, ist das strafbar. Welchen Sinn die Abgabe dieser eV hat, ist allenfalls für die Frage relevant, welches Strafmaß angemessen wäre.

    Die Sache ist schlichtweg ein weiteres Symptom einer versagenden Strafjustiz.

    §§ 36b II 2, 5 III 1 RPflG: Die vorgelegten Sachen bearbeitet der Rechtspfleger, solange er es für erforderlich hält.

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