Elterliche Sorge oder Vormundschaft?

  • Durch richterlichen Beschluss ist das Ruhen der elterlichen Sorge für ein jetzt 17-jähriges Mädchen aus Syrien angeordnet und ein Vormund bestellt worden, weil das Kind seinerzeit ohne Eltern nach Deutschland eingereist ist.

    Jetzt ist die Mutter nach Deutschland gekommen. Da sie die deutsche Sprache überhaupt nicht beherrscht und sich hier auch (noch) nicht auskennt, hat der Vormund darum gebeten, ihn im Amt zu belassen. Er sei bereit, die Vormundschaft im engen Kontakt mit dem Mündel und der Mutter fortzuführen.

    Ich habe Mutter und Tochter unter Hinzuziehung einer Dolmetscherin persönlich angehört. Sie haben sich beide dafür ausgesprochen, dem Vorschlag des Vormunds zu folgen.

    Ich neige - vorbehaltlich der noch nicht vorliegenden Stellungnahme des Jugendamtes - dazu, der Anregung zu entsprechen und es bei dem richterlichen Beschluss zu belassen. Alternativ könnte ich mir auch vorstellen, dass die Mutter dem amtierenden Vormund eine Vollmacht erteilt (Palandt/Götz, BGB, 76. Aufl., § 1674 Rn. 1).

    Wie würdet Ihr verfahren?

    "Willst du den Charakter eines Menschen erkennen, so gib ihm Macht." (Abraham Lincoln)

  • Die Mutter ist nicht mehr an der Ausübung der elterlichen Sorge gehindert. Der Grund für das Ruhen besteht nicht mehr, erst recht nicht für eine Vormundschaft. Punkt.

    "Es ist nicht wahr, dass die kürzeste Linie immer die gerade ist."
    (Gotthold Ephraim Lessing)

    Einmal editiert, zuletzt von Noatalba (21. März 2019 um 07:50) aus folgendem Grund: Groß- und Kleinschreibung will gelernt sein.

  • Wieso beschäftigst du dich denn eigentlich damit? Hier ist das Richtersache. :gruebel:
    Und unsere Richter beenden die Vormundschaft in solchen Fällen ohne Anhörung von irgendwem sofort per Beschluss.

  • Wieso beschäftigst du dich denn eigentlich damit? Hier ist das Richtersache. :gruebel:
    Und unsere Richter beenden die Vormundschaft in solchen Fällen ohne Anhörung von irgendwem sofort per Beschluss.

    Bei uns entscheiden die Richter häufig - so auch in dem von mir geschilderten Fall - freundlicherweise gleich selbst über das Ruhen der elterlichen Sorge, wenn zugleich eine Vormundschaft anzuordnen ist (nur für letzteres gilt der Richtervorbehalt in § 14 Abs. 1 Nr. 10 RPflG).

    Wenn es - wie hier - allein um § 1674 Abs. 2 BGB geht, wird das üblicherweise vom Rechtspfleger erledigt.

    Die Frage der funktionellen Zuständigkeit bei solchen Fallgestaltungen war schon einmal Thema in einem früheren Thread.

    Und zur Notwendigkeit der (persönlichen) Anhörung gibt es einige sehr klare und strenge Entscheidungen des hiesigen OLGs....

    "Willst du den Charakter eines Menschen erkennen, so gib ihm Macht." (Abraham Lincoln)

  • Unser Familiengericht überprüft tatsächlich - nach einer schlimmen Täuschung - in jedem Fall sorgfältig, ob auch tatsächlich ein Eltern-Kind-Verhältnis besteht. Da es nur selten Geburturkunden gibt, lässt sich der Nachweis in der Regel nur im Rahmen einer Anhörung und mit Hilfe eines Übersetzers führen.

    Mag die Sorge bei Flüchtlingen übertrieben erscheinen - bei uns ist das schreckliche passiert, dass ein sog. Klaukind nicht an die Eltern sondern gegen seinen Willen an die Käufer des Kindes herausgegeben wurde.

  • Aber alles kein Grund, die Vormundschaft bestehen zu lassen (vorausgesetzt, die eingereiste Person ist wirklich die Kindesmutter).

    "Es ist nicht wahr, dass die kürzeste Linie immer die gerade ist."
    (Gotthold Ephraim Lessing)

  • Wieso beschäftigst du dich denn eigentlich damit? Hier ist das Richtersache. :gruebel:
    Und unsere Richter beenden die Vormundschaft in solchen Fällen ohne Anhörung von irgendwem sofort per Beschluss.

    Bei uns entscheiden die Richter häufig - so auch in dem von mir geschilderten Fall - freundlicherweise gleich selbst über das Ruhen der elterlichen Sorge, wenn zugleich eine Vormundschaft anzuordnen ist (nur für letzteres gilt der Richtervorbehalt in § 14 Abs. 1 Nr. 10 RPflG).

    Wenn es - wie hier - allein um § 1674 Abs. 2 BGB geht, wird das üblicherweise vom Rechtspfleger erledigt.

    Die Frage der funktionellen Zuständigkeit bei solchen Fallgestaltungen war schon einmal Thema in einem früheren Thread.

    ....


    Ja, ist umstritten: Beschluss des OLG Frankfurt am Main vom 04.09.2013, Az.: 5 WF 205/13

  • Ich würde auch das Wiederaufleben der elterlichen Sorge der Mutter feststellen und die Vormundschaft aufheben. Wäre die Familie zusammen eingereist, hätten sich die Eltern auch vom ersten Tag in Deutschland an kümmern müssen...

  • Ich hatte hier einen ähnlichen Fall.

    Die allein sorgeberechtigte Kindesmutter ist nach Deutschland eingereist, hat jedoch extreme psychische Probleme. Bereits in Syrien, wie auch jetzt hier in Deutschland, hat sie daher die Hilfe eines entsprechenden Arztes in Anspruch genommen und erhält Medikamente (die sie nicht nimmt). Jugendamt und Familienhilfe sind der Ansicht, dass sie ihrer Sorgeverantwortung nicht nachkommen kann. Nach einer persönlichen Anhörung teile ich diese Ansicht (ohne mir gutachterliche Fähigkeiten zusprechen zu wollen).

    Der Abteilungsrichter hat mir die Akte zugeschrieben, da ich funktionell für das Feststellen des Wiederauflebens zuständig wäre. Diese Ansicht teile ich zwar, bin jedoch der Ansicht, dass es wesentlich praktikabler gewesen wäre, wenn der Richter das an sich gezogen hätte. Da ich keine Entscheidung über den Entzug der elterlichen Sorge treffen darf, bleibt mir ja gar nichts anderes übrig, als das Wiederaufleben festzustellen, da nunmehr weder ein rechtlicher, noch ein tatsächlicher Verhinderungsgrund vorliegt.

    Wir sind jetzt so verblieben, dass ich mein Verfahren ruhend gestellt habe und das Anhörungsprotokoll als Anregung zur Einleitung eines Verfahrens nach § 1666 BGB dem Richter zugeschrieben habe.

  • Jetzt ist die Mutter nach Deutschland gekommen. Da sie die deutsche Sprache überhaupt nicht beherrscht und sich hier auch (noch) nicht auskennt, hat der Vormund darum gebeten, ihn im Amt zu belassen. Er sei bereit, die Vormundschaft im engen Kontakt mit dem Mündel und der Mutter fortzuführen.

    Ich habe Mutter und Tochter unter Hinzuziehung einer Dolmetscherin persönlich angehört. Sie haben sich beide dafür ausgesprochen, dem Vorschlag des Vormunds zu folgen.

    Das sehe ich wie Noatalba.

    Wenn wir für alle Kinder Vormundschaften einrichten oder bestehen lassen, weil die Eltern kein oder nicht ausreichend Deutsch sprechen, hätten wir aber viel zu tun. Und das ganz unabhängig von der Frage, ob die Kindeseltern Flüchtlinge sind oder nicht. Es dürfte auch genug "deutsche" Eltern geben, bei denen die Kenntnisse der deutschen Sprache nicht über denen von Flüchtlingen liegen. Bzgl. dieser Kinder wird doch, von extremen Ausnahmen abgesehen, auch keine Vormundschaft für die Kinder eingerichtet.

    Die Frage, ob eine Vormundschaft eingerichtet oder aufgehoben wird, unterliegt grds. auch nicht der Dispositionsfreiheit der Eltern oder des Vormunds.

    Ich würde bzgl. des Falls für eine Aufhebung der Vormundschaft plädieren. Nach Aufhebung kann die Kindesmutter dem bisherigen Vormund (oder einer anderen Person) Vollmacht erteilen, wenn sie mag. Aber das Familiengericht ist raus...

    "Der Staat ist vom kühlen, aber zuverlässigen Wächter zur Amme geworden. Dafür erdrückt er die Gesellschaft mit seiner zärtlichen Zuwendung."

  • ... Ich würde bzgl. des Falls für eine Aufhebung der Vormundschaft plädieren. Nach Aufhebung kann die Kindesmutter dem bisherigen Vormund (oder einer anderen Person) Vollmacht erteilen, wenn sie mag. Aber das Familiengericht ist raus...

    So werde ich jetzt auch entscheiden.

    Vielen Dank für die vielen, hilfreichen Rückmeldungen. :)

    "Willst du den Charakter eines Menschen erkennen, so gib ihm Macht." (Abraham Lincoln)

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