Information des Pflichtteilsberechtigten über den Erbfall

  • Es gibt einen Sohn, der zu seinem Vater bereits langjährig keinen Kontakt mehr hat. Der Vater ist hoch über achtzig und in zweiter Ehe verheiratet. Der Sohn befürchtet, dass die jetzige Ehefrau testamentarisch zur Alleinerbin bestimmt wurde.

    Wie kann er sicherstellen, dass er vom Erbfall Kenntnis bekommt. Er befürchtet, dass die Ehefrau als Erbin zum Zeitpunkt des Erbfalls gegenüber dem Nachlassgericht sagen wird, sie kenne den Aufenthaltsort des Sohnes nicht und es bestehe auch kein Kontakt, was zutrifft.

    Gibt es eine amtliche Stelle (Standesamt der Geburt oder Nachlassgericht) bei der der Sohn seine Adresse und Kontaktdaten sicherheitshalber bereits vor Eintritt des Erbfalles eintragen lassen kann?

  • Eine Stelle ist mir nicht bekannt.

    Das Geburtsstandesamt und/oder die beiden Heiratsstandesämter dürften bereits Kenntnis davon haben, dass der Erblasser einen Sohn hat.

    Wichtiger dürfte daher sein, sicherzustellen, dass das später zuständige Nachlassgericht Kenntnis vom Sohn erlangt.

    Grds. kann der Sohn davon ausgehen, dass sollte er durch letzwilige Verfügung ausgeschlossen sein sein, als gesetzlicher Erbe Nachricht erhält.

    Wenn mir als Nachlassgericht die Existenz von einem gesetzlichen Erben, der zudem noch pflichtteilsberechtigt ist, bekannt wird, unternehme ich nahezu alles ((online) EMA, Anfrage bei Standesämtern, Beteiligen usw.), um diesen aufzuspüren. Da reicht schon als Anhaltspunkt für eine Suche der letzte bekannt Wohnort, der Geburtsort etc.

    Sofern die zweite Ehefrau den Sohn nicht komplett verschweigt oder dieser im Testament zB explizit erwähnt enterbt ist und der später zuständige Kollege seinen Job richtig macht, dürfte der Sohn von der Eröffnung auch informiert werden.

    Da aus Sicht des Sohnes auf Nummer sicher zu gehen, könnte schwierig werden. Vor allem weil er nicht sicher wissen kann, welches Nachlassgericht später mal zuständig sein wird. Er kann sich selbstverständlich an das potenzielle Nachlassgericht wenden. Fraglich ist, neben der Frage, ob dies später wirklich das Nachlassgericht sein wird, wie das Nachlassgericht mit der Info umgeht.

    Wenn sich beim Gericht tatsächlich schon (vor Tod) ein Testament in Verwahrung befindet, sollte die Mitteilung zu diesem Vorgang genommen werden, um den Sohn später bei der Eröffnung zu imfornieren.

    Wenn es beim Gericht (vor dem Tod) noch keinen Vorgang gibt, würde die Mitteilung voraussichtlich als AR-Sache eingetragen. Ob diese AR-Sache dann bei Eintritt des Sterbefalls "beigezogen" wird, ist ungewiss. An unserem Gericht sicherlich, aber anderen Gerichten muss das nicht zwangsläufig auch so sein.

    Wenn das informierte Gericht später weder Verwahrgericht noch Nachlassgericht ist, dürfte die Mitteilung "versanden".

    "Der Staat ist vom kühlen, aber zuverlässigen Wächter zur Amme geworden. Dafür erdrückt er die Gesellschaft mit seiner zärtlichen Zuwendung."

    2 Mal editiert, zuletzt von Ernst P. (1. April 2019 um 23:54)

  • Wow - Vielen Dank, Ernst P., für diese ausführliche Antwort. Das hilft mir weiter.

    An eine Benachrichtigung des Geburtsstandesamtes hatte ich auch schon gedacht. Allerdings würde dies ja nur etwas bringen, wenn das Nachlassgericht des Sterbeortes dort eine aktuelle Geburtsurkunde anfordert.

    Ich werde dem Sohn auftragen, dass er einfach regelmäßig irgendwie überprüfen muss, ob der Vater noch lebt und sich dann ggfls. nach Eintritt des Erbfalles an das zuständige Nachlassgericht wenden muss.
    Nochmals herzlichen Dank für die Antwort. :)

  • Ich werde dem Sohn auftragen, dass er einfach regelmäßig irgendwie überprüfen muss, ob der Vater noch lebt und sich dann ggfls. nach Eintritt des Erbfalles an das zuständige Nachlassgericht wenden muss.

    Das ist meines Erachtens die einzig zielführende Möglichkeit. Vorweg sich als möglicher Beteiligter beim Gericht registrieren zu lassen, ist nicht möglich.

    Ich wollte noch erwähnen, dass es für das NLG üblich sein sollte, beim späteren Erbfall die Nachlassakten der vorverstorbenen ersten Frau anzufordern und erst dann einen Erbschein nach testamentarischer Erbfolge zu erteilen, wenn man geprüft hat, ob nicht mit der ersten Frau schon testiert wurde.

    Sofern der ersteheliche Sohn nicht aus den Akten der ersten Frau schon hervorgeht, könnte er z. B. auch diese Akten jetzt mal einfach einsehen und dann wäre er dort vermerkt.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

    Nachlass-Kanzlei / Büro für gerichtliche Pflegschaften / Nachlasspflegschaften, Nachlassverwaltungen, Testamentsvollstreckungen, Nachlassbetreuungen /
    Nachlasspfleger Thomas Lauk - http://www.thomaslauk.de

  • An eine Benachrichtigung des Geburtsstandesamtes hatte ich auch schon gedacht. Allerdings würde dies ja nur etwas bringen, wenn das Nachlassgericht des Sterbeortes dort eine aktuelle Geburtsurkunde anfordert.

    Ich werde dem Sohn auftragen, dass er einfach regelmäßig irgendwie überprüfen muss, ob der Vater noch lebt und sich dann ggfls. nach Eintritt des Erbfalles an das zuständige Nachlassgericht wenden muss.

    Gern geschehen.

    Eine Geburtsurkunde dürfte in Eröffnungsverfahren von Nachlassgerichten regelmäßig nicht angefordert werden.

    Nachtrag:

    Wenn der Sohn den aktuellen Wohnort des Vaters kennt, kann er auch als Privatperson in regelmäßigen Abständen (kostenpflichtige) EMAs veranlassen. Irgendwann wird er dann auf eine seiner Abfragen die Mitteilung erhalten, dass sein Vater verstorben ist und kann sich dann an das (potentielle) Nachlassgericht wenden (Wenn er bis dahin vom Nachlassgericht nicht bereits im Rahmen der Eröffnung informiert wurde).

    An das Nachlassgericht kann er sich vor und nach Eintritt des Erbfalls wenden, allerdings dürfte es aus den genannten Gründen nach dem Erbfall mehr Sinn haben.

    Wenn zum Zeitpunkt seiner Anfrage beim Nachlassgericht kein Vorgang vorliegt (zB weil es doch kein Testament gibt, welches ihn ausschließt oder weil es (noch) nicht abgeliefert wurde und dem Nachlassgericht daher (noch) nicht bekannt ist) muss er jedoch damit damit rechnen pro sog. Negativauskunft mit 15€ zur Kasse gebeten zu werden.

    TL: wenn der Erblasser auch mit Frau Nummer eins testiert hat, dann ist grds. über das ZTR sichergestellt, dass auch diese Vorgänge vom Nachlassgericht beigezogen, evtl. Testamente eröffnet, in diesem Zusammenhang auch der Sohn "entdeckt" und benachrichtigt wird. Wird hier immer so gehandhabt. Alles andere ist mE fahrlässig.

    "Der Staat ist vom kühlen, aber zuverlässigen Wächter zur Amme geworden. Dafür erdrückt er die Gesellschaft mit seiner zärtlichen Zuwendung."

    2 Mal editiert, zuletzt von Ernst P. (16. April 2019 um 08:16)

  • Ich wollte noch erwähnen, dass es für das NLG üblich sein sollte, beim späteren Erbfall die Nachlassakten der vorverstorbenen ersten Frau anzufordern und erst dann einen Erbschein nach testamentarischer Erbfolge zu erteilen, wenn man geprüft hat, ob nicht mit der ersten Frau schon testiert wurde.

    Genau das erfolgt in der Regel nicht. Man geht davon aus, dass evtl. Verfügungen von Todes wegen, über das ZTR registriert sind. Und wenn aus dem ZTR nicht erkennbar ist, dass sich Verfügungen von Todes wegen in den Vorakten zu finden sind, werden diese nicht beigezogen -zumindest, wenn sie sich bei einem anderen Gericht befinden-.

    Und bei Erbscheinsanträgen aufgrund Verfügungen von Todes wegen spielt ein vorverstorbener Ehegatte in der Regel keine Rolle. Und auch Pflichtteilsberechtigte müssen durch den Antragsteller nicht benannt werden.

    Und das Nachlassgericht weiß unter Umständen nicht, wo die Vorakten geführt werden.

  • Das ist m. E. fahrlässig.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

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  • Und bei Erbscheinsanträgen aufgrund Verfügungen von Todes wegen spielt ein vorverstorbener Ehegatte in der Regel keine Rolle. Und auch Pflichtteilsberechtigte müssen durch den Antragsteller nicht benannt werden.


    :eek: Das schlägt dem Faß die Krone ins Gesicht.

    Seit wann geht man davon aus , dass "alles" im ZTR registriert ist.
    Wieviele gemeinschaftliche Testamente wurden bereits in den Akten des Vorverstorbenen gefunden , obwohl diese nicht registriert waren ?


  • Und bei Erbscheinsanträgen aufgrund Verfügungen von Todes wegen spielt ein vorverstorbener Ehegatte in der Regel keine Rolle. Und auch Pflichtteilsberechtigte müssen durch den Antragsteller nicht benannt werden.


    :eek: Das schlägt dem Faß die Krone ins Gesicht.

    Seit wann geht man davon aus , dass "alles" im ZTR registriert ist.
    Wieviele gemeinschaftliche Testamente wurden bereits in den Akten des Vorverstorbenen gefunden , obwohl diese nicht registriert waren ?

    Wenn die Vorakten nicht bei uns verwahrt sind, ist es doch die Sache des zuständigen Nachlassgerichts, evtl. in seinen Akten verwahrte Verfügungen von Todes wegen zu eröffnen. Ich kann doch nicht in jedem AR-Verfahren die Vorakten anfordern.

    Oftmals kenne ich aufgrund Aufenthaltszuständigkeit das zuständige Gericht ja gar nicht.

    Muss ich evtl. Fehler anderer Gerichte „aus Vorsicht“ ausbaden, indem ich Akten ins Blaue hinein bei nicht bekannten Gerichten anfordere? Wir vertreten hier die Auffassung: nein. Alle Gerichte wissen, das verwahrte Verfügungen von Todes wegen früher beim Geburtsstandesamt und jetzt im ZTR anzuzeigen waren bzw. sind. Wenn dies nicht erfolgt ist, ...


  • Muss ich evtl. Fehler anderer Gerichte „aus Vorsicht“ ausbaden, indem ich Akten ins Blaue hinein bei nicht bekannten Gerichten anfordere? Wir vertreten hier die Auffassung: nein. Alle Gerichte wissen, das verwahrte Verfügungen von Todes wegen früher beim Geburtsstandesamt und jetzt im ZTR anzuzeigen waren bzw. sind. Wenn dies nicht erfolgt ist, ...

    Wieso ins Blaue hinein ?
    Natürlich werden Vorakten des vorverstorbenen Ehegatten nur bei Einleitung eines VI-er Verfahrens beigezogen.
    Dass das auch im AR-Verfahren passieren soll, habe ich nicht behauptet !
    Schließlich bezog sich mein Posting in #10 ausdrücklich auf Deine Antwort "Und bei Erbscheinsanträgen aufgrund Verfügungen von Todes wegen ....."
    Dreh mir bitte nicht die Worte im Mund herum !

  • Es ist völlig klar, dass die Ehegattenvorakten beizuziehen sind. Und dies im Übrigen auch, wenn kein Erbschein beantragt ist, weil ich kein Eröffnungsprotokoll für ein Testament des überlebenden Ehegatten in die Welt setze, ohne überprüft zu haben, ob noch weitere und ggf. bindende letztwillige Verfügungen vorliegen.

    Die Pflichtteilsberechtigten sind nur deshalb pflichtteilsberechtigt, weil sie enterbt wurden. Und ohne Anhörung der Enterbten kann natürlich kein Erbschein erteilt werden. Was soll also die Aussage, der Antragsteller brauche die Pflichtteilsberechtigten nicht zu benennen. Dann bekommt er eben so lange keine Erbschein, bis das Gericht die erforderlichen Ermittlungen selbst durchgeführt hat.

    Ich frage mich manchmal, ob man in dem besagten Bundesland in erbrechtlicher und nachlassverfahrensrechtlicher Hinsicht noch ganz bei Trost ist.

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