Räumung nach §885,885a ZPO - keine Mietsache

  • Ich bräuchte mal Hilfe für den Kollegen OGV:

    Sachverhalt:

    Schuldner ist verurteilt, dass seinerzeit gekaufte, aber nicht bezahlte Grundstück an den Gläubiger rückaufzulassen ( was geschehen ist) und zugleich das Grundstück geräumt an den Gläubiger herauszugeben.

    Nach gesetztem Fristablauf betreibt der Gläubiger nunmehr die Räumungsvollstreckung.

    Der anwaltlich vertretene Schuldner teilt mit, dass er das Grundstück geräumt hat und dort nicht mehr aufenthältlich ist.

    Zugleich teilt der derbselbe Prozessbevollmächtigte mit, dass er nunmehr die Lebensgefährtin des Schuldners vertritt. Diese befindet sich weiter in dem zu räumenden Objekt.

    M.E. greift die vom BGH im Jahre 2008 getroffene Entscheidung - diese hier:BGH, Beschluss vom 14. 8. 2008 - I ZB 39/08 (LG Lübeck) ( Titel gehen neuen Besitzer=Untermieter/Mieter) nicht, weil es sich vorliegend um kein Räumung wegen einer ehemaligen Mietsache handelt.

    Frage:

    Kann der OGV ohne weitere Verlassung die Frau räumen?

  • Nach dem Sachverhalt hat der verurteilte Schuldner das Grundstück geräumt. Die Lebensgefährtin hält sich scheinbar ohne eigenes Recht auf dem Grundstück auf. Ich sehe daher nicht, dass aus dem vorliegenden Titel gegen sie vollstreckt werden kann.
    Soll ein besetztes Haus mittels eines Voll*streckungs*titels zwangsgeräumt werden, so muss der Titel die Identifizierung der Hausbesetzer ermöglichen. Ist dies nicht der Fall, so ist die Zwangsräumung unzulässig. Der Grund*stücks*eigentümer ist dann auf das Polizei- und Ordnungsrecht zu verweisen. So hat der BGH entschieden
    (

    Beschluss vom 13.07.2017 - I ZB 103/16).


  • Nach dem Sachverhalt hat der verurteilte Schuldner das Grundstück geräumt. Die Lebensgefährtin hält sich scheinbar ohne eigenes Recht auf dem Grundstück auf. Ich sehe daher nicht, dass aus dem vorliegenden Titel gegen sie vollstreckt werden kann.
    Soll ein besetztes Haus mittels eines Voll*streckungs*titels zwangsgeräumt werden, so muss der Titel die Identifizierung der Hausbesetzer ermöglichen. Ist dies nicht der Fall, so ist die Zwangsräumung unzulässig. Der Grund*stücks*eigentümer ist dann auf das Polizei- und Ordnungsrecht zu verweisen. So hat der BGH entschieden
    (

    Beschluss vom 13.07.2017 - I ZB 103/16).


    Du hält's eine Räumung der Frau nicht für zulässig ohne Räumungstitel.

    Im Ergebnis :gruebel:könnte es dazu führen, dass die Räumung nie stattfinden wird, weil sich immer wieder neue Personen finden, die dann in dem Objekt "wohnen"?

    Andere Meinungen?

  • Sehe ich auch so. Keine Räumung durch den GV.

    Natürlich kann sich der Eigentümer - wie Silvester auch schreibt - an die Polizei wenden. Das genaueProcedere kenne ich nicht.

    Betrachte den Sachverhalt mal losgelöst von der vorangegangenen Räumung:
    Wenn plötzlich ein Mensch in mein Haus einzieht, würde ich auch die Polizei rufen und nicht den GV.

    Wir taumeln durch die Straßen, so als wären wir jung und schön.

  • Ich schließe mich der Meinung von silvester an.

    Keine Räumung ohne Titel.

    Du solltest es von Berufs wegen auch besser wissen als ich. :daumenrau

    Mein Gedanke ist folgender: Aus einem Kommentar:

    Ob die jeweilige Person (Mit-)Besitz an dem Grundstück hat, ist nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls zu entscheiden.Anders als bei auf Lebenszeit angelegten Ehen kann nach Auffassung des BGH bei nichtehelichen Lebensgefährten aus der bloßen Aufnahme in die Wohnung (Grundstück) nicht auf einen Mitbesitz geschlossen werden; vielmehr müsse anhand der Umstände des jeweiligen Einzelfalls geprüft werden, ob der nichtehelicher Lebensgefährte Mitbesitzer oder nur Besitzdiener ist. Bei der Würdigung des Einzelfalls kann es eine Rolle spielen, ob die Aufnahme des Dritten in die Wohnung dem Vermieter ( trifft den Sachverhalt nicht) angezeigt wurde oder ob sich der Dritte nach den landesrechtlichen Meldegesetzen umgemeldet hat. Aus der Nichtanzeige an den Vermieter allein lässt sich aber noch nicht hinreichend sicher ableiten, dass kein Mitbesitz besteht; vielmehr ist hier auf die weiteren Umstände abzustellen. Ein Mitbesitz ist bei nichtehelichen Lebensgefährten dann zu verneinen, wenn der Lebensgefährte nur vorübergehend in die Wohnung aufgenommen wurde; er wird idR auch dann abzulehnen sein, wenn der Lebensgefährte noch eine andere (Erst-)Wohnung unterhält.

    Sollte die Frau nach objektiv zu ermittelnden Umständen lediglich Besitzdienerin sein, ist m.E. kein Titel erforderlich und die Räumung zulässig.


  • Natürlich kann sich der Eigentümer - wie Silvester auch schreibt - an die Polizei wenden. Das genaue Procedere kenne ich nicht.

    Das Rufen der Polizei dient nur der Feststellung der Personalien, um danach einen Räumungstitel gegen den Besitzer erstreiten zu können.

    In meinem konkreten Fall ist die Person namentlich bekannt.

    Sie hat auch vorher mit dem Schuldner in diesem Haus gewohnt.

  • Trägt die Frau denn vor, einen Mietvertrag mit irgendwem zu haben? Sie muss ja irgendeinen Grund angeben, weshalb sie dort (weiterhin) zu wohnen gedenkt. Wenn sie einen Mietvertrag hat (oder dies zumindest behauptet), muss man einen Titel gegen sie erwirken.

    Auf jeden Fall kann der GV nicht ohne Titel räumen.

    Wir taumeln durch die Straßen, so als wären wir jung und schön.

  • Trägt die Frau denn vor, einen Mietvertrag mit irgendwem zu haben? Sie muss ja irgendeinen Grund angeben, weshalb sie dort (weiterhin) zu wohnen gedenkt. Wenn sie einen Mietvertrag hat (oder dies zumindest behauptet), muss man einen Titel gegen sie erwirken.

    Sie lässt anwaltlich vortragen, dass Sie dort wohnt und nicht freiwillig geht und ein Titel gegen Sie nicht vorliegt.

  • Aber sie muss ja eine Vertragsgrundlage/ein Rechtsverhältnis vortragen, aufgrund dessen sie dort wohnt.
    Ich wohne hier weil isso dürfte im Rechtsverkehr nicht gelten.

    Wir taumeln durch die Straßen, so als wären wir jung und schön.

  • Ich gehe davon aus, dass sie ohne Rechtsgrundlage dort wohnt.
    Wenn bekannt war, dass sie dort schon mit dem Schuldner wohnt, so hätte der Räumungstitel auch gegen sie erwirkt werden müssen.

  • Ich gehe davon aus, dass sie ohne Rechtsgrundlage dort wohnt.
    Wenn bekannt war, dass sie dort schon mit dem Schuldner wohnt, so hätte der Räumungstitel auch gegen sie erwirkt werden müssen.

    Der Titel war gerichtet auf Rückübertragung und Räumung gegenüber dem ehemaligen Käufer.

    Sie, die Lebensgefährtin, hatte in der Sache nichts mit dem Rechtstreit zu tun.

    Sie war halt nur mit dem Schuldner eingezogen nach dem Kauf des Grundstücks.

    Deshalb ist auch kein Räumungstitel gegen Sie ergangen.

  • Wenn bekannt war, dass sie dort schon mit dem Schuldner wohnt, so hätte der Räumungstitel auch gegen sie erwirkt werden müssen.

    Wenn ich den Titel richtig verstehe, hätte der Räumungstitel auch gegen sie erwirkt werden müssen, wenn dies nicht bekannt war.

    Praktisch führt dies dazu, dass man so lange nicht räumen kann, wie der Schuldner Angehörige/Freunde aufbieten kann, die für ein paar Monate bei ihm einziehen.

    Ich hatte diese Fragestellung schon einmal auf der RASt. Und ich wünschte echt, die Leute, die beim BGH diese Entscheidung verantwortet haben, hätten der verzweifelten Eigentümerin erklären dürfen dass DAS unser Rechtsstaat ist...

  • Wenn bekannt war, dass sie dort schon mit dem Schuldner wohnt, so hätte der Räumungstitel auch gegen sie erwirkt werden müssen.

    Wenn ich den Titel richtig verstehe, hätte der Räumungstitel auch gegen sie erwirkt werden müssen, wenn dies nicht bekannt war.

    Praktisch führt dies dazu, dass man so lange nicht räumen kann, wie der Schuldner Angehörige/Freunde aufbieten kann, die für ein paar Monate bei ihm einziehen.

    Ich hatte diese Fragestellung schon einmal auf der RASt. Und ich wünschte echt, die Leute, die beim BGH diese Entscheidung verantwortet haben, hätten der verzweifelten Eigentümerin erklären dürfen dass DAS unser Rechtsstaat ist...

    Auch wenn es etwas neben dem Thema liegt: Das Spiel mit den ständig wechselnden Bewohnern kenne ich auch. Bei Mietsachen haben wir es schon über § 940a Abs. 2 ZPO gelöst bekommen. Da hat der Gesetzgeber wirklich mal mitgedacht.

    Da der vorliegende Fall keine Mietsache ist, dürfte man hier so leider nicht weiter kommen.

  • Oh, interessant, den kannte ich noch gar nicht. Danke@Corypheus. Denn auch wenn es traeumer71 – wie Du schon sagst – nicht weiterhelfenwird, weiß ich jedenfalls, was ich vorschlage, wenn das nächste Mal eineheulende Eigentümerin bei mir auf der RASt sitzt…

  • Denn auch wenn es traeumer71 – wie Du schon sagst – nicht weiterhelfenwird, weiß ich jedenfalls, was ich vorschlage, wenn das nächste Mal eine heulende Eigentümerin bei mir auf der RASt sitzt

    Zum Sachstand: Der OGV hat den Termin aufrecht erhalten. Bisher ist nämlich immer noch nicht klar, ob der Schuldner tatsächlich freiwillig geräumt hat. Der OGV wird sich am Räumungstag 10.05. mit der Freundin vor Ort beschäftigen.

    Ich werde zu gegebener Zeit weiter berichten.

    Danke an alle für die Beteiligung in diesem Thread.

    Weitere Meinungen, Anregungen oder Tipps sind im Hinblick auf den Termin am 10.02.2019 natürlich trotzdem willkommen.

  • Ah, ich dachte, der Gl. hätte bestätigt, dass der Sch. bereits freiwillig gegangen ist.
    Dann kann er natürlich am Tag der Räumung auch die Frau aus den Räumen verweisen. Wenn sie geltend macht, einen Mietvertrag zu besitzen, kann sie ihn ja vorzeigen.

    Wir taumeln durch die Straßen, so als wären wir jung und schön.

  • Zitat

    Praktisch führt dies dazu, dass man so lange nicht räumen kann, wie der Schuldner Angehörige/Freunde aufbieten kann, die für ein paar Monate bei ihm einziehen.

    Wenn die Lebensgefährtin tatsächlich unmittelbare Besitzerin des Objektes ist - was der OGV beim Räumungstermin ja eventuell feststellen wird -, dann muss man halt einen weiteren Herausgabetitel gegen sie erwirken.

    In der Klage kann der Herausgabegläubiger dann auch gleich beantragen, die Lebensgefährtin zu verurteilen, es zu unterlassen, den Besitz am Objekt Dritten einzuräumen.

  • Ah, ich dachte, der Gl. hätte bestätigt, dass der Sch. bereits freiwillig gegangen ist.
    Dann kann er natürlich am Tag der Räumung auch die Frau aus den Räumen verweisen. Wenn sie geltend macht, einen Mietvertrag zu besitzen, kann sie ihn ja vorzeigen.

    Bestätigt hat es die anwaltlich vertretene Lebensgefährtin des Schuldners. De facto soll er dort auch immer noch aufenthältlich sein.

  • In der Klage kann der Herausgabegläubiger dann auch gleich beantragen, die Lebensgefährtin zu verurteilen, es zu unterlassen, den Besitz am Objekt Dritten einzuräumen.

    Guter Tipp für die Zukunft. :daumenrau

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