Neues Wahlrecht nach BVG-Beschluss

  • Da hast Du meinen Kommentar aber missverstanden. Schon gar nicht war er als Diffamierung von Betreuten und/oder Behinderten gedacht. Letztendlich wollte ich nur zum Ausdruck bringen, das die betr. gerichtliche Entscheidung keine praktischen Auswirkungen auf die Betreuer-Tätigkeit hat. Man könnte höchstens darauf achten, dass d. Betreute seine Wahlunterlagen erhält.

    mfg

  • ....und dass ich mir auch mal andere - mindestens genauso wichtige - dicke Schlagzeilen, die es zuvorderst auf die Titelseiten und in die Tagesschau bringen, im Sinne d. Betreuten wünschen würde; z.B. in den Bereichen Pflege und Sozialhilfe.

    mfg

  • Was mich wundert:

    An unserem Gericht werden seit Jahren/Jahrzehnten keine Betreuungen mehr mit dem Aufgabenkreis "Alle Angelegenheiten" eingerichtet, sondern nur mit Benennung konkreter Aufgabenkreise (z. B. "Vermögensangelenheiten, Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung, ...").

    Selbst wenn somit sehr viele Aufgabenkreise konkret benannt werden und "quasi" der Betreuer so auch in allen Bereichen tätig werden kann, führt diese Verfahrensweise dazu, dass der Betreute sein Wahlrecht behält.

    Alte Betreuungen die für "Alle Angelegenheiten" eingerichtet waren, wurden im Rahmen der normalen, regelmäßigen Überprüfung auf konkrete Aufgabenkreise umgestellt.

    Werden denn an anderen Gerichten aktuell noch Betreuungen für "Alle Angelegenheiten" eingerichtet?
    Warum werden entsprechend eingerichtete Betreuungen nicht umgestellt?


    Fast noch schlimmer, als das die Betreuten sich ihr Wahlrecht zurückerstreiten mussten finde ich, dass sie sich jetzt selbst beim Wahlamt melden müssen, um wieder wählen zu dürfen. M. E. hätte die Lösung so sein müssen, dass die Wahlämter von Amts wegen verpflichtet werden ihre Listen selbst auf ungerechtfertigt gestrichene Wähler zu prüfen.

    "Der Staat ist vom kühlen, aber zuverlässigen Wächter zur Amme geworden. Dafür erdrückt er die Gesellschaft mit seiner zärtlichen Zuwendung."

  • Fast noch schlimmer, als dass die Betreuten sich ihr Wahlrecht zurückerstreiten mussten finde ich, dass sie sich jetzt selbst beim Wahlamt melden müssen, um wieder wählen zu dürfen. M. E. hätte die Lösung so sein müssen, dass die Wahlämter von Amts wegen verpflichtet werden, ihre Listen selbst auf ungerechtfertigt gestrichene Wähler zu prüfen.

    Ich gehe davon aus, dass das bei künftigen Wahlen so sein wird. Das BVerfG hatte für die Ende Mai stattfindend Europawahl zu entscheiden. Und da bleibt so wenig Zeit, dass die organisatorischen Probleme mutmaßlich die Kommunen überfordert hätten. (Wer mal im Wahlvorstand etwa einer Personalratswahl mitgewirkt hat, weiß, wie mühselig sich das selbst bei ein paar Dutzend Wählern gestaltet). Das ist nicht schön; wichtiger ist aber, dass nach all den Jahren endlich eine Möglichkeit geschaffen wurde, dass die Betroffenen nicht mehr vom Wahlrecht ausgeschlossen sind.

    Was die Betreuungen für alle Angelegenheiten angeht, so meine ich gelesen zu haben, dass es diesbezüglich lokale Unterschiede gibt/gegeben hat. Die meisten derartigen Betreuungen seien, wenn mich die Erinnerung nicht trügt, in Bayern angeordnet worden. Aber nicht nur dort tun sich Menschen schwer, vom Gewohnten abzulassen.

  • Ich kenne eine allumfassende Betreuungsanordnung für alle Angelegenheiten meist nur aus alten Akten oder wirklichen Extremfällen (Wachkomapatienten z.B.), die Regel sind eher die Anordnung nur soweit wie tatsächlich notwendig, bei manchen Verpflichtungen entsteht sogar der Eindruck die ehrenamtlichen Betreuer hätten sich eine umfassendere Anordnung gewünscht. Die Wahlrechtsthematik wurde lediglich von einem Betroffenen und einem Betreuer vor der letzen BT Wahl thematisiert.

  • Der Wahlrechtsausschluss ist m.E. kein Problem des Betreuungsrechts, sondern des Wahlrechts.

    Ein Wachkomapatient oder ein Patient nach Schlaganfall mit allen nur denkbaren Defiziten braucht einen Betreuer für alle Angelegenheiten. Und wo ist der Unterschied, wenn ich dem Betreuer 20 oder noch mehr Aufgabenkreise zuordne. Ich hatte zu Beginn meiner Laufbahn beim Betreuungsgericht einen Vorgänger, da war der Aufgabenkreis eng beschrieben gerade mal auf ein DinA4-Blatt zu fassen. Aber er hat nicht für alle Angelegenheiten angeordnet. Dafür aber besagte 20 oder noch mehr Aufgabenkreise. Etwa so wie heute bei den Vorsorgevollmachten nach BMJV.

    Und der BGH sagt an anderer Stelle, für alle Angelegenheiten reichen 3 Aufgabenkreise: Vermögenssorge, Gesundheitsfürsorge und Aufenthaltsbestimmung.

    Wer soll das verstehen.

    Deshalb ist m.E. das Problem im Wahlrecht anzusiedeln.

  • Ein Ausschluss vom Wahlrecht liegt nur vor, wenn eine Betreuung ausdrücklich für alle Angelegenheiten angeordnet wurde. Eine Mitteilung nach § 69l Abs. 1 FGG hat nicht zu erfolgen, wenn eine solche ausdrückliche Anordnung für alleAngelegenheiten nicht vorliegt.

    vgl.hierzu Verwaltungsgericht des Saarlandes, Beschluss vom 26. Juni 2009 – 11 L527/09

    https://openjur.de/u/58667.html

    BtPrax 2009,254
    FamRZ2010, 64


  • Ja, solche Betreuungen werden noch angeordnet. Ich sehe keinen inhaltlichen Unterschied für den Betroffenen und Betreuer, ob die Betreuung für "alle Angelegenheiten" oder (überspitzt) eine ganze Seite einzelner Aufgabenkreise angeordnet wird. (Solche Anordnungen kommen natürlich nur in Extremfällen vor.)

    Weshalb sollte man diese umstellen? :gruebel:

  • Weshalb sollte man diese umstellen?

    Bei uns erfolgte die Umstellung u. a., damit die Betreuten ihr Wahlrecht wiedererlangen.

    Ob sie es dann praktisch ausüben (können), steht auf einem anderen Blatt. Wenigstens steht die angeordenete Betreuung dem Wahlrecht dann nicht (mehr) entgegen. Dies war wohl aus Ausfluss davon, dass der Betreute grds. durch die Betreuung nicht beeinträchtigt werden soll.

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