Nochmals: Transmortale Vollmacht an Alleinerben

  • 1. Eine Beschwerde, die sich gegen die Zurückweisung des Antrages auf Berichtigung der Eintragungsgrundlagen in Abteilung I Spalte 4 (§ 9 I lit. d) GBV) richtet, ist unbeschränkt statthaft.

    2. Die Voraussetzungen für die Richtigstellung der Grundlage der Eintragung des Beteiligten als Eigentümer sind zu bejahen, falls dieser den eingetragenen Eigentümer beerbt hat, im Grundbuch aber verlautbart ist, dass er den Grundbesitz aufgrund nach dem Erbfall erklärter Auflassung erworben hat.


    OLG Hamm, Beschluss vom 23. Januar 2019, 15 W 127/18

    Tenor:

    Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

    Das Grundbuchamt wird angewiesen,
    1. die in Abteilung I lfd. Nr. 3 eingetragene Grundlage der Eintragung der Beteiligten zu 2) als Eigentümerin dahin richtigzustellen, dass diese nicht auf Grund der Auflassung vom 10. Juni 2014, sondern aufgrund des Erbscheins des Amtsgerichts Bochum vom 19. Dezember 2018 zu Aktenzeichen 20a VI ###/15 erfolgt ist,
    2. in Abteilung II die beantragte Eintragung eines Testamentsvollstreckervermerks vorzunehmen.

    GRÜNDE:

    I. Als Eigentümerin des vorbezeichneten Grundstücks war zunächst die am 21. Januar 2013 verstorbene Frau T eingetragen. Diese hatte der Beteiligten zu 2) mit notariell beurkundeter Erklärung vom 7. Februar 2006 (UR-Nr. ##/#### des Notars B) unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB eine Generalvollmacht, sie in allen Angelegenheiten zu vertreten, mit Wirkung über den Tod hinaus erteilt.

    Nach dem Tode der voreingetragenen Eigentümerin ließ die Beteiligte zu 2) aufgrund dieser Vollmacht mit notarieller Erklärung vom 10. Juni 2014 (UR-Nr. ###/#### des Notars H) das im vorgenannten Grundbuch bezeichnete Grundstück auf sich selbst auf. Die Eigentumsumschreibung erfolgte am 29. August 2014. Als Grundlage der Eintragung ist im Grundbuch in Abteilung I Spalte 4 die Auflassung vom 10. Juni 2014 bezeichnet.

    Am 7. Juli 2016 erteilte das Amtsgericht – Nachlassgericht – Bochum dem Beteiligten zu 1) in dem Nachlassverfahren 20a VI ###/15 ein Testamentsvollstreckerzeugnis, das ihn als Testamentsvollstrecker über den Nachlass der Frau T ausweist. Mit am 29. Juni 2015 beim Nachlassgericht eingegangenen Erklärung vom gleichen 29. Tage nahm der Beteiligte zu 1) das Amt als Testamentsvollstrecker an.

    Am 1. März 2018 erteilte das Amtsgericht Bochum einen Erbschein, der die Beteiligte zu 2) als Alleinerbin der Frau T auswies. Die Anordnung der Testamentsvollstreckung wurde nicht aufgeführt.

    Mit Antragsschreiben vom 16. und 22. Februar sowie 6. März 2018 beantragte der Beteiligte zu 1) aufgrund notariell beglaubigter Eintragungsbewilligung vom 16. Februar 2018 (UR-Nr. ##/ des Notars B2) und unter Vorlage einer Ausfertigung des Testamentsvollstreckerzeugnisses die Eintragung des Testamentsvollstreckervermerks sowie die Richtigstellung der Eintragungsgrundlage zur Eintragung der Beteiligten zu 2) als Eigentümerin dahingehend, dass diese nicht aufgrund der Auflassung erfolgt sei, sondern aufgrund Erbfalls.

    Mit Beschluss vom 5. April 2018 wies das Grundbuchamt die Anträge zurück. Das Grundbuchamt hat dabei die Auffassung vertreten, dass die Beteiligte zu 2) im Zeitpunkt der Eintragung des Eigentumswechsels über eine wirksame transmortale Vollmacht verfügt habe, die aufgrund später erfolgter Erteilung des Erbscheins nicht mit rückwirkender Wirkung unwirksam geworden sei. Zum Zeitpunkt der Eintragung hätten daher die Eintragungsvoraussetzungen vorgelegen. Die Beteiligte zu 2) sei wirksam durch Auflassung und Eintragung Eigentümerin geworden. Deshalb bestünde eine Veranlassung zur Berichtigung der Eintragung der Eintragungsgrundlage nicht. Ferner könne eine Eintragung des Testamentsvollstreckervermerks nicht erfolgen, weil das Eigentum an dem Grundbesitz durch Auflassung auf die Beteiligte zu 2) übergegangen sei und deshalb nicht mehr zum Nachlass gehöre. Eine isolierte Eintragung des Testamentsvollstreckervermerks sei ohne die gleichzeitige Eintragung des Erben unzulässig. Schließlich weise der Erbschein vom 1. März 2018 die Anordnung einer Testamentsvollstreckung nicht aus.

    Hiergegen wendet sich der Beteiligte zu 1) mit seiner Beschwerde vom 10. April 2018, der das Amtsgericht nicht abgeholfen hat und die dem Senat zur Entscheidung vorgelegt worden ist.

    Mit Beschluss vom 19. Dezember 2018 hat das Nachlassgericht den Erbschein vom 1. März 2018 wegen Unrichtigkeit eingezogen, weil darin die Testamentsvollstreckung nicht aufgeführt war. Zugleich hat das Nachlassgericht einen neuen Erbschein erteilt, der die Beteiligte zu 2) als Alleinerbin der T und die Anordnung einer Testamentsvollstreckung ausweist.

    II. 1. Die Beschwerde ist gemäß § 71 Abs. 2 GBO zulässig. Dies gilt auch, soweit sie sich gegen die Zurückweisung des Antrages auf Berichtigung der Eintragungsgrundlagen in Abteilung I lfd. Nr. 3 wendet. Auch insoweit ist die Beschwerde unbeschränkt und nicht nur nach Maßgabe des § 71 Abs. 2 GBO i.V.m. § 53 GBO beschränkt zulässig, auch wenn es sich insoweit bei genauer Betrachtung um eine Beschwerde gegen eine angeblich von Anfang an unrichtige Eintragung handelt (vgl. dazu Demharter, GBO, 31. Auflage, 2018, § 71, Rn. 30). Denn die in Spalte 4 einzutragenden Eintragungsgrundlagen nach § 9 Abs. 1 d) GBV unterliegen nicht dem öffentlichen Glauben des Grundbuchs (Demharter aaO, Anhang § 44, Rn. 2; Anhang § 13, Rn. 12, 14). Gegen sie ist die unbeschränkte Beschwerde nach § 71 Abs. 1 GBO mit dem Ziel der Löschung bzw. Richtigstellung daher unbeschränkt zulässig (zB. OLG Hamm NJW-RR 1995, 1357 f).

    2. Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

    a) Die Voraussetzungen für die beantragte Richtigstellung der Grundlage der Eintragung der Beteiligten zu 2) als Eigentümerin liegen vor. Das Grundbuch ist insoweit unrichtig, als es als Grundlage der Eintragung der Beteiligten zu 2) als Eigentümerin die Auflassung vom 10. Juni 2014 bezeichnet. Denn es ist durch Erbschein nachgewiesen, dass die Beteiligte zu 2) Alleinerbin der voreingetragen gewesenen Eigentümerin T ist und daher das Eigentum bereits vor Auflassungserklärung durch Erbfall, also im Zeitpunkt des Todes der Erblasserin am 21. Januar 2013, außerhalb des Grundbuchs erworben hat. Unabhängig von der Frage, ob der notariell beurkundeten Generalvollmacht im Zeitpunkt der Eintragung des Eigentumswechsel in grundbuchrechtlicher Hinsicht Legitimationswirkung zugekommen und die Eintragung deshalb verfahrensfehlerfrei erfolgt ist, hat die nach dem Erbfall erklärte Auflassung jedenfalls materiell-rechtlich keine Rechtsänderung herbeigeführt. Vielmehr war der Eigentumswechsel im Zeitpunkt der Eintragung bereits erfolgt. Danach ist das Grundbuch zwar im Hinblick auf das Eigentum der Beteiligten zu 2) richtig, die Angabe des Eintragungsgrundes bedarf jedoch der Richtigstellung.

    b) Auch die Voraussetzungen für die beantragte Eintragung des Testamentsvollstreckervermerks liegen vor. Der Beteiligte zu 1) hat seine Ernennung und Verfügungsbefugnis mit Vorlage einer Ausfertigung des Testamentsvollstreckerzeugnisses (§ 2368 BGB) vom 7. Juli 2016 sowie seiner Annahmeerklärung in grundbuchrechtlicher Form nachgewiesen. Da das Testamentsvollstreckerzeugnis keine inhaltliche Beschränkung der Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers ausweist, kann das Grundbuchamt davon ausgehen, dass das in Rede stehende Grundstück der Testamentsvollstreckung unterliegt (sog. negative Vermutungswirkung, vgl. Schaub in Bauer/Schaub, GBO, 4. Auflage, 2018, § 52, Rn. 21).

    Der Eintragung des Testamentsvollstreckervermerks steht auch nicht entgegen, dass die Beteiligte zu 2) bereits seit dem 29. August 2014 als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen ist. Zwar ist der Testamentsvollstreckervermerk gemäß § 52 GBO grundsätzlich gleichzeitig mit dem Erben einzutragen. Eine zunächst unterbliebene Eintragung des Vermerks kann jedoch nachgeholt werden, wenn – darauf kommt es entscheidend an – der Erbe als Eigentümer eingetragen ist (vgl. Schaub aaO, § 52, Rn. 30 f). Dies ist vorliegend der Fall. Die Beteiligte zu 2) ist als Eigentümerin bereits eingetragen. Nach Richtigstellung des Eintragungsgrundes wird auch ersichtlich sein, dass sie das Eigentum durch Erbfall erlangt hat. Gleichzeitig mit dieser Berichtigung kann danach auch die Eintragung des Testamentsvollstreckervermerks erfolgen.

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    Stellungnahme:

    Es ist für mich schlichtweg nicht nachvollziehbar, wie die Rechtspflegerin des Grundbuchamts zu der Annahme gelangen konnte, die Erbin könne etwas an sich selbst auflassen, was ihr kraft Erbfolge bereits gehört. Hier fehlt es offenbar am Grundverständnis der rechtlichen Dinge.

    Die Frage des Erbnachweises spielte hier übrigens keine Rolle, weil ein Erbschein erteilt worden war (wenn auch ein unrichtiger, weil er den TV-Vermerk nicht enthielt).

  • Die obige Entscheidung des OLG Hamm wird auch in einem der kommenden Rpfleger-Hefte veröffentlicht werden zusammen mit einer Anmerkung,
    welche die Kritik von Bestelmeyer (Rpfleger 2018, 649) an der Rechtsprechung zur Konfusion und zur Vollmacht des Erblassers von Jurksch (Rpfleger 2019, 70) nochmal aufgreift.

    Was mir allerdings hier -erneut- auffällt, ist die völlig unnötige und überzogene Kollegen-Schelte.
    Die Rechtspflegerin beim Amtsgericht hat (evtl. verwirrt durch die obergerichtliche Rechtsprechung zum Thema "Erbnachweis und Vollmacht") einen Fehler gemacht.
    Ihr deswegen grundlegend mangelnde Kenntnisse vorzuwerfen, finde ich unangebracht.

    Niemand ist unersetzbar. Die Friedhöfe liegen voll von Leuten, die sich für unersetzbar hielten (H.-J. Watzke). :cool:

    2 Mal editiert, zuletzt von Spaltenmuckel (8. Mai 2019 um 11:25)

  • Die obige Entscheidung des OLG Hamm wird auch in einem der kommenden Rpfleger-Hefte veröffentlicht werden zusammen mit einer Anmerkung,
    welche die Kritik von Bestelmeyer (Rpfleger 2018, 649) an der Rechtsprechung zur Konfusion und zur Vollmacht des Erblassers und von Jurksch (Rpfleger 2019, 70) nochmal aufgreift.

    Was mir allerdings hier -erneut- auffällt, ist die völlig unnötige und überzogene Kollegen-Schelte.
    Die Rechtspflegerin beim Amtsgericht hat (evtl. verwirrt durch die obergerichtliche Rechtsprechung zum Thema "Erbnachweis und Vollmacht") einen Fehler gemacht.
    Ihr deswegen grundlegend mangelnde Kenntnisse vorzuwerfen, finde ich unangebracht.

    :daumenrau
    Was mir auffällt: Ich kann den Gründen des Beschlusses nicht entnehmen, dass dem Grundbuchamt beim Vollzug der Auflassung überhaupt bekannt war, dass die Eigentümerin verstorben war (oder übersehe ich etwas?) Der Erbschein wurde immerhin auch erst vier Jahre nach Vollzug der Auflassung erteilt.

  • (oder übersehe ich etwas?)

    ->

    Zitat

    Mit Antragsschreiben vom 16. und 22. Februar sowie 6. März 2018 beantragte ...

    Ab da waren die Umstände bekannt. Die Klarstellung der Eintragungsgrundslage war zwar sinnvoll, m.E. aber nicht zwingend. Dass für den Eigentumsübergang dagegen schon deshalb die Erbfolge maßgebend gewesen sein mußte, weil der Erbgang noch vor Erklärung der Auflassung erfolgte, ist dagegen nicht so schwer. Und ob das schon "überzogene Schelte" ist?

  • Zum Zeitpunkt des Vollzugs der Auflassung (29.08.2014) war für die Rechtspflegerin des GBA nicht ersichtlich, dass die Bucheigentümerin bereits am 21. Januar 2013 verstorben war. Und bei der beurkundeten Vollmacht vom 7. Februar 2006 handelt es sich um eine Generalvollmacht, die mit Wirkung über den Tod hinaus erteilt wurde. Also kann sich Cromwells Aussage: „Es ist für mich schlichtweg nicht nachvollziehbar, wie die Rechtspflegerin des Grundbuchamts zu der Annahme gelangen konnte, die Erbin könne etwas an sich selbst auflassen, was ihr kraft Erbfolge bereits gehört“ nur auf den Umstand beziehen, dass die GBA-Rechtspflegerin später die Richtigstellung hätte vornehmen müssen.

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Braucht man auch nicht.

    Wenn jemand glaubt, man könne etwas an sich auflassen, was einem schon gehört, ist ihm nicht zu helfen.

    Genauso wenig kann man eine bewegliche Sache, die einem schon gehört, an sich selbst übereignen.

  • Aber wieder kein Wort zu einer evtl. Konfusion in der Entscheidung. Es bleibt weiterhin ein Flickenteppich an Einzelentscheidungen und keines der Obergerichte sieht die Notwendigkeit der Zulassung einer Beschwerde gegen den Senatsbeschluss. Ein Traum :mad:.

    :cup: Man sollte - wenigstens versuchen - stets bemüht zu sein. :schreiben

  • Braucht man auch nicht.

    Wenn jemand glaubt, man könne etwas an sich auflassen, was einem schon gehört, ist ihm nicht zu helfen.

    Genauso wenig kann man eine bewegliche Sache, die einem schon gehört, an sich selbst übereignen.

    Man kann sich auch nicht selbst vertreten und dennoch konstruieren die OLG die Möglichkeit.


  • Man kann sich auch nicht selbst vertreten und dennoch konstruieren die OLG die Möglichkeit.

    Genau. Der Klassiker, der mich immer wieder zum Lachen bringt: RA klagt seine Gebühren ein - Rubrum: RA X vertreten durch RA X ;-)))))))

    §§ 36b II 2, 5 III 1 RPflG: Die vorgelegten Sachen bearbeitet der Rechtspfleger, solange er es für erforderlich hält.

  • Ist ja alles richtig.

    Es gibt aber eben auch den Unterschied zwischen der materiellen Wahrheit und der prozessualen Wahrheit. Das ist jedem Grundbuchrechtspfleger bekannt: Was in Wahrheit so ist, ist es vor dem Grundbuchamt dennoch nur, wenn es in der Form des § 29 GBO nachgewiesen wird. Ohne Sterbeurkunde (oder - nachgewiesenem! - Geburtstag von mehr als 110 Jahren) ist der Tote nicht tot, ohne Heiratsurkunde ist der Ehegatte noch ledig, ohne Ausfertigung des Scheidungsurteils ist der Ledige noch verheiratet, ohne formgerechten Nachweis hat sich die geänderte Firma der in Abt. I eingetragenen Gesellschaft für das Grundbuchamt nicht geändert. Und ja, ohne Erbnachweis sind die Erben prozessual nicht Erben, mögen sie es auch materiellrechtlich in Wahrheit sein (immerhin tritt die Erbfolge mit dem Tod des Erblassers von Rechts wegen ein). Und ohne Erbnachweis ist auch der Alleinerbe prozessual nicht Alleinerbe.

    Besonders auffällig ist dabei natürlich für alle mit einem Rest an gesundem Menschenverstand, dass für die Frage, woher man wissen will, dass der transmortal Bevollmächtigte Alleinerbe und die Vollmacht daher durch Konfusion erloschen ist, § 29 GBO auf einmal keine Rolle mehr spielt. Das ist Kafka pur.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

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