Berücksichtigung Schuldnereinkommen als Insolvenzmasse oder als Einkommen nachSGB II

  • Ich habe folgenden Fall und brauche Eure Hilfe:

    EÖ Insolvenzverfahren: 01.03.2019

    Der Schuldner hat zwei Jahre vor EÖ des Insolvenzverfahrens seinen halben Miteigentumsanteil am Grundstück veräußert. Der Kaufpreis wird in mtl. gleichbleibenden Raten gezahlt.
    Der Schuldner erhält Leistungen zur Grundsicherung. Die mtl. Ratenzahlungen werden als Einkommen angerechnet.

    Der Insolvenzverwalter hat nunmehr den Käufer gebeten, die mtl. Ratenzahlungen nicht mehr an den Schuldner zu leisten, da sein gesamtes pfändbares Vermögen gem. §§ 35,36 Bestandteil der Insolvenzmasse ist.

    Der Schuldner hat daraufhin beim Sozialamt beantragt, die o.g. Ratenzahlungen nicht mehr als Einkommen zu berücksichtigen.

    Das Sozialamt hat dies abgelehnt. Es beruft sich insbesondere auf die BSG-Entscheidung vom16.10.2012, AZ.: B 14 AS 188/11 R, wonach Einkommen des Insolvenzschuldners, das bei der Deckung seines Bedarfs nach dem SGB II zu berücksichtigen ist, nicht der Pfändung und Zwangsvollstreckung unterliegt und daher auch nicht Teil der Insolvenzmasse geworden ist.

    Der Schuldner hat deshalb einen Antrag nach § 850f Abs. 1 a) ZPO gestellt.

    Ich bin jetzt etwas ratlos. Was meint Ihr? Sind die mtl. Kaufpreiszahlungen pfändbar und steht das Geld letztendlich den Insolvenzgläubigern zu oder hat der Staat Vorrang?

    In gewisser Weise würde das SGB ja die ZPO aushebeln. Kann das richtig sein?

  • ...
    In gewisser Weise würde das SGB ja die ZPO aushebeln. Kann das richtig sein?

    Ich verstehe die Fallfrage, aber offen gesagt nicht das Problem: Wieso soll die ZPO ausgehebelt werden, wenn bestimmte Leistungen nach dem maßgeblichen Sozialrecht unpfändbar sind? Dass etwas unpfändbar ist, haben wir doch öfters, damit kann die ZPO gut umgehen und dann hat sich eben auch der Insolvenzverwalter rauszuhalten.

    Und eines scheint mur naheliegend zu sein: Sinn von SGB-Leistungen, die zur Aufrechterhaltung des grundgesetzlich geschützten Minimalbedarfs dienen, ist nicht, die Gläubiger zu subventionieren. Darauf würde es aber hinauslaufen, wenn die Raten zur Masse gezogen werden und dafür der Schuldner höhere Sozialleistungen beziehen würde.
    Umgekehrt ist das Ergebnis, dass der Schuldner nicht einmal den vollen Sozialhilfesatz bekommt, weil ihm bei dessen Berechnung die Raten nach der Rechtsprechung des zuständigen Bundesgerichts abgezogen werden, er die Raten wegen der Intervention des Verwalters aber tatsächlich nicht erhält, evident untragbar.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Umgekehrt ist das Ergebnis, dass der Schuldner nicht einmal den vollen Sozialhilfesatz bekommt, weil ihm bei dessen Berechnung die Raten nach der Rechtsprechung des zuständigen Bundesgerichts abgezogen werden, er die Raten wegen der Intervention des Verwalters aber tatsächlich nicht erhält, evident untragbar

    Aufgrund der fehlenden Harmonisierung von Sozial- und Insolvenzrecht ist dies aber auch in anderen Bereichen der Fall. Ich denke nur an die lange im Focus stehende Erstattung von Mietnebenkosten. In der Regel wurden / werden die zunächst von der Insolvenzmasse vereinnahmt, dem Betroffenen aber im Rahmen von Hartz-IV als Einkommen angerechnet. Wenn ich es richtig im Kopf habe, kann eine Abhilfe nur über 850 i ZPO erfolgen.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

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    In gewisser Weise würde das SGB ja die ZPO aushebeln. Kann das richtig sein?

    Ich verstehe die Fallfrage, aber offen gesagt nicht das Problem: Wieso soll die ZPO ausgehebelt werden, wenn bestimmte Leistungen nach dem maßgeblichen Sozialrecht unpfändbar sind? Dass etwas unpfändbar ist, haben wir doch öfters, damit kann die ZPO gut umgehen und dann hat sich eben auch der Insolvenzverwalter rauszuhalten.

    Und eines scheint mur naheliegend zu sein: Sinn von SGB-Leistungen, die zur Aufrechterhaltung des grundgesetzlich geschützten Minimalbedarfs dienen, ist nicht, die Gläubiger zu subventionieren. Darauf würde es aber hinauslaufen, wenn die Raten zur Masse gezogen werden und dafür der Schuldner höhere Sozialleistungen beziehen würde.
    Umgekehrt ist das Ergebnis, dass der Schuldner nicht einmal den vollen Sozialhilfesatz bekommt, weil ihm bei dessen Berechnung die Raten nach der Rechtsprechung des zuständigen Bundesgerichts abgezogen werden, er die Raten wegen der Intervention des Verwalters aber tatsächlich nicht erhält, evident untragbar.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH


    Okay, vielleicht muss ich hier noch etwas ausholen:
    Der Schuldner hat ca. zwei Jahre vor EÖ des Verfahrens das Haus verkauft. Damals stand er nicht im Bezug von Sozialleistungen. Hätte er den Kaufpreis in einer Summe erhalten, hätten die Gläubiger (theoretisch) teilweise befriedigt werden können.

    Anderes Beispiel:
    Angenommen das Haus wäre im eröffneten Verfahren durch den IV verkauft worden: Der Kaufpreis wäre Insolvenzmasse geworden. Das Sozialamt hätte auch nicht aufrechnen dürfen, weil das Einkommen/der Kaufpreis gerade nicht dem Schuldner zur Verfügung steht.

  • Okay, vielleicht muss ich hier noch etwas ausholen:
    Der Schuldner hat ca. zwei Jahre vor EÖ des Verfahrens das Haus verkauft. Damals stand er nicht im Bezug von Sozialleistungen. Hätte er den Kaufpreis in einer Summe erhalten, hätten die Gläubiger (theoretisch) teilweise befriedigt werden können.

    Oder auch nicht. Wenn der Schuldner das Geld bis zur EÖ ausgegeben hätte, hätte es nichts für die Gläubiger gegeben, etwaige Anfechtungsmöglichkeiten einmal ausgeklammert.

    Anderes Beispiel:
    Angenommen das Haus wäre im eröffneten Verfahren durch den IV verkauft worden: Der Kaufpreis wäre Insolvenzmasse geworden. Das Sozialamt hätte auch nicht aufrechnen dürfen, weil das Einkommen/der Kaufpreis gerade nicht dem Schuldner zur Verfügung steht.

    Ja, das wäre dann so. Aber da das nicht erfolgt ist, ist es auch unbeachtlich. Entscheidend kann doch nur sein, zu welchen Modalitäten der Schuldner das Haus tatsächlich verkauft hat.

  • Ich brauche nochmal Eure Hilfe. Mein obiger Fall hat sich jetzt geändert:

    EÖ Insolvenzverfahren: 01.03.2019

    Der Schuldner hat zwei Jahre vor EÖ des Insolvenzverfahrens seinen halben Miteigentumsanteil am Grundstück veräußert. Der Kaufpreis wird in mtl. gleichbleibenden Raten gezahlt. Da der Erwerber das Grundstück weiter veräußern will, soll der restliche Kaufpreis nunmehr in einem Einmalbetrag gezahlt werden.
    Der Schuldner erhält Leistungen zur Grundsicherung.

    Der Schuldner beantragt nunmehr Pfändungsschutz nach § 850i ZPO.

    Das Sozialamt besteht auf die Verrechnung der Einmalzahlung und verweigert Leistungszahlungen.

    Ist es tatsächlich richtig, dass sämtliche Verkaufserlöse von § 850i ZPO erfasst werden, solange sie eigenständig erwirtschaftet worden sind gem. BGH vom26.06.2014, IX ZB 88/13.

    Was meint Ihr? Erfasst § 850i ZPO auch die einmalige Kaufpreiszahlung?

  • Wenn Du die o.g. Entscheidung des BGH heranziehst, dann ja:

    Rn. 8
    Andererseits wird angenommen, nach der Neufassung des § 850i Abs. 1 ZPO komme es nicht mehr darauf an, ob die Einkünfte auf persönlich geleisteten Arbeiten oder Diensten beruhten (Fall 1) oder auf dem Einsatz von Personal oder Kapital (Fall 2). Auch Einkünfte aus sogenannter kapitalistischer Tätigkeit rechneten hierzu, etwa aus Kapitalvermögen, aus Vermietung und Verpachtung, auch Werklohnansprüche und Verkaufserlöse (LG Bonn, ZInsO 2012, 2056, 2057; Musielak/Becker, ZPO, 11. Aufl., § 850i Rn. 3; Saenger/Kemper, Hk-ZPO, 5. Aufl., § 850i Rn. 6 f; BeckOK-ZPO/Riedel, 2014, § 850i Rn. 5 f, 11), solange die Einkünfte selbst erzielt, also eigenständig erwirtschaftet sind (Meller-Hannich in Kindl/Meller-Hannich/Wolf, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 2. Aufl., § 850i Rn. 7; Prütting/Gehrlein/Ahrens, ZPO, 6. Aufl., § 850i 7 7 8 8 - 5 - Rn. 19 f; Ahrens, ZInsO 2010, 2357, 2359 f; Meller-Hannich, WM 2011, 529, 530, 531).

    Rn. 9.
    Die zuletzt genannte Ansicht ist richtig.

    Rn. 12
    Nichts anderes gilt aber nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers auch für alle sonstigen Einkünfte, die kein Arbeitseinkommen sind, aber dem Schuldner und seiner Familie zum Lebensunterhalt dienen. In der Gesetzesbegründung wird ausdrücklich ausgeführt, dass sämtliche Einkünfte nicht abhängig beschäftigter Personen erfasst werden sollen. Alle Einkunftsarten sollen gleich behandelt werden (BT-Drucks. 16/7615 S. 14, 18). Der Schuldner soll motiviert werden, Einkünfte selber zu erzielen und dadurch die eigene Leistungsfähigkeit zu erhöhen. Dies gilt für sämtliche Einkunftsarten (vgl. MellerHannich, WM 2011, 529, 533).

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Die Auswirkungen dieser Entscheidung waren mir ehrlich gesagt nicht bewusst.

    Die Umsetzung bereitet mir wirklich Kopfschmerzen.

    Der Kaufpreis beträgt 13.500,00 €.
    Der Schuldner ist 69 Jahre alt und bezieht Altersrente i.H.v. 595,00 € und Grundsicherung im Alter i.H.v. 237,00 €.

    Da der Schuldner aufgrund seines Alters mit keinen weiteren Einkünften rechnen kann, fällt mir die Bestimmung des angemessenen Zeitraums und damit die Berechnung des pfändungsfreien Vermögens nicht leicht.

    Hat jemand eine Idee?

  • Sterbetafel, beispielsweise bei destatis.


    https://www.destatis.de/DE/Presse/Pres…_404_12621.htmlLebenserwartung bei einem Mann, 65 Jahre alt: 17,8 Jahre

    entspricht 213,6 Monate

    mal 237 Grundsicherung = 50.623,20 EUR; m.a.W. der Restkaufpreis wäre unpfändbar.

    Sorry, sind ja 69 Jahre. Da müsste man wohl in eine andere Tabelle schauen. Und ich hatte mich schon gefreut, dass es passt.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

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