Widerruf gemeinschaftliches Testament; Erbschein erforderlich?

  • Hallo,

    ich bitte euch um Hilfe bei folgendem Problem:

    Es gibt ein gemeinschaftliches privatschriftliches Testament von Eheleuten, in welchem diese sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzen. Erben des zuletzt Versterbenden sollten die beiden Kinder sein. Dann kommt Pflichtteilsstrafklausel und im weiteren die folgende Formulierung: "Der überlebende Ehegatte ist frei, seinen Nachlass unseren Kindern zu anderen Anteilen zu vererben oder gegebenenfalls auch ein Kind zu enterben, wenn er nach freiem nicht überprüfbaren Ermessen hierfür eine Veranlassung sieht. Diese Verfügung ist wechselbezüglich".

    Nach dem Tod des einen Ehegatten errichtete der überlebende Ehegatte ein notarielles Testament und erklärt darin, nicht an frühere gemeinschaftliche Testamente gebunden zu sein, widerruft vorsorglich alle bisherigen Testamente und setzt nunmehr die Enkelin zu seiner alleinigen Erbin ein. Zu Gunsten der beiden Kinder werden Vermächtnisse ausgebracht.

    Ich war der Ansicht, dass es sich bei der Erbeinsetzung der Kinder um eine wechselbezügliche Verfügung handelt, die nach § 2271 BGB nicht einseitig widerrufen werden kann und habe die Vorlage eines Erbscheins verlangt. Die Antragsteller meinen, dass ein Erbschein nicht notwendig ist. Unser Nachlassgericht hat den Antragstellern wohl bestätigt, dass ein Erbschein hier nicht nötig sei, sonder sich die Erbfolge nach dem notariellen Testament richte. Auch der das Testament beurkundende Notar scheint nicht von einer Wechselbezüglichkeit ausgegangen zu sei (oder kannte er das privatschriftiche Testament gar nicht?!).

    Ich bin jetzt verunsichert, ob die Wechselbezüglichkeit (obwohl ausdrücklich erwähnt) vorliegend dadurch entfällt, dass der überlebende Ehegatte ermächtigt wurde, ein Kind (damit wohl auch beide) zu enterben? Wie seht ihr das?

  • Ich teile deine Auffassung und würde ebenfalls einen Erbschein verlangen.
    Die Abänderungsbefugnis umfasst nur die Auswahl der Erbanteile zwischen den Kindern (ggf. auch 100 % zu 0%), nicht gestattet ist m.E. die Erbeinsetzung von Dritten (und darunter fällt auch die Enkelin).
    M.E. weißt das notarielle Testament daher die Erbfolge nicht ausreichend nach, sodass ein Erbschein erforderlich ist.

    Unser Nachlassgericht hat den Antragstellern wohl bestätigt, dass ein Erbschein hier nicht nötig sei, sonder sich die Erbfolge nach dem notariellen Testament richte.

    Solche Aussagen finde ich ohne Rücksprache mit dem Kollegen im GBA immer bedenklich. Schließlich steht dem Rpfl. im Nachlassgericht die Entscheidung, ob ein Erbschein zur Grundbuchberichtigung erforderlich ist

    nicht zu.

    Perfektion ist eine Illusion.

    Einmal editiert, zuletzt von jfp (14. Mai 2019 um 15:16) aus folgendem Grund: Formatierung

  • Wie JFP.

    Ich hatte auch mal so einen ähnlichen Fall. Natürlich alles furchtbar eilig. Da hat die Nachlassrechtspflegerin auch behauptet, ein Erbschein sei niciht nötig. Und die Leute sind bei mir im Büro gestanden und haben mich förmlich bedrängt, ich solle doch jetzt endlich eintragen. Wo doch alles so furchtbar eilig und der Erbschein so teuer ist.

    Schließlich wurde doch ein Erbschein vorgelegt.

    Bei mir waren allerdings beide Testamente notariell beurkundet. Allerdings wurde leider die Abänderungsbefugnis im ersten Testament unklar formuliert. Bei notariellen Testamenten ließen sich viele Probleme vermeiden, wenn sie klarer formuliert wären.

  • Ich hatte gerade das umgekehrte Problem. Als Nachlassrechtspfleger habe ich die Beteiligten in einer Sache darauf hingewiesen, dass ich für die Grundbuchberichtigung einen Erbschein für erforderlich halte, habe natürlich darauf hingewiesen, dass das Grundbuchamt das anders sehen kann. Die Beteiligten wollten aber den bereits gestellten Erbscheinsantrag unbedingt zurücknehmen und sind anschließend zum Grundbuchamt marschiert, um den Berichtigungsantrag zu stellen.

    Und nein: Als Grundbuchrechtspfleger bekomme ich die Sache nicht auf den Tisch :cool:

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