Einstellungstest und abgebrochenes Jurastudium

  • Hallo ihr Lieben,

    ich bin z.Z. noch Jurastudentin (4. Semester), will aber aufhören und Rechtspflege studieren.

    1. Ist ein abgebrochenes Jurastudium ein Vor- oder Nachteil bei der Bewerbung?

    2. Kann mir jemand sagen, was mich in dem Bewerbungsgespräch (nach erfolgreichem Einstellungstest) erwartet?
    Habe schon was von Rollenspielen und Interviews gelesen, kann mir aber nicht so richtig was darunter vorstellen. (Mir ist bewusst, dass das an jedem OLG anders ist, nur so `ne grobe Richtung :))

    UND JA, ich habe vorher schon die Suchfunktion genutzt, aber keine befriedigenden Antworten gefunden ..

    Danke im Vorraus!
    Mfg, Lollo

  • Hallo und willkommen,

    1. Ob Vor- oder Nachteil hängt wohl davon ab, wie du die Entscheidung das Jura-Studium abzubrechen, begründen kannst. Ein K.O.-Kriterium ist es meiner Erfahrung nach nicht, kenne viele Rechtspfleger, die irgendwann davor mal Jura studiert hatten.

    2. Hängt tatsächlich stark vom Bundesland ab. Vielleicht solltest du dazu schreiben, wo du es denn versuchen möchtest.
    Ich denke es ist im Grund ein normales Bewerbungsgespräch, nur dass man üblicherweise zusammen mit 2-3 Mitbewerbern im Gespräch sitzt und es strukturiertes Interview heißt.
    So ein paar "Tests" werden eventuell gestellt, zum Beispiel: "Zwei Kollegen streiten sich dauernd weil einer das Fenster aufhaben will und der andere nicht. Was können Sie als Vorgesetzter tun?".
    Ich persönlich empfand das strukturierte Interview deutlich angenehmer und weniger schwierig als viele andere Bewerbungsgespräche oder Assessment Center oder was ich sonst zuvor schon alles mal mitgemacht hatte.

  • Hey Anna1290,

    danke für deine Antwort!

    Zu 1.: Ich will wechseln, weil mir das Jurastudium zu einseitig/theoretisch ist.

    Zu 2.: Würde mich vermutlich in Niedersachsen, Hamburg, NRW oder Schleswig-Holstein bewerben, bin noch unentschlossen.

    LG,
    lollo

  • Bei mir war die Situation ähnlich. Aktuell studiere ich noch Jura und fange im September das duale Studium in Hessen an. In Hessen werden ganz gerne Abbrecher zu den Bewerbungsverfahren eingeladen. Allerdings muss man hierzu sagen, dass viele zum ersten Verfahren geladen wurden (vierstündiger psychologischer Test) und nur die wenigsten weiter bis in die Gruppendiskussion und zum psychologischen Gespräch gekommen sind.

    Es gab auch kein klassisches Vorstellungsgespräch. Nach der Gruppendiskussion konnte jeder noch mal etwas zu seiner Motivation sagen. Im Gespräch mit dem Psychologen wurde hingegen sehr stark nachgehakt. Man sollte sich deshalb gute Begründungen für kritische Punkte im Lebenslauf überlegen. Wie das Ganze in anderen Bundesländern abläuft, kann ich aber nicht sagen.

    Hier berichtet jemand, der ebenfalls vorher Jura studiert hat, vom Auswahlverfahren in NRW:
    https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php?87811-Studium-2019-NRW-Bad-Münstereifel&p=1156818&viewfull=1#post1156818

    Einmal editiert, zuletzt von Remma (21. Mai 2019 um 20:18)

  • Hallo

    ich hab mich zwar für die Ausbildung zum Justizfachwirt beworben, aber ich schildere trotzdem mal meine Erfahrung:

    Ich hab vorher Wirtschaftsrecht studiert und mein Studium auch abgebrochen. Habe mich in RLP bei den Oberlandesgerichten Koblenz und Zweibrücken beworben. Von Koblenz kam direkt eine Absage.
    Von Zweibrücken wurde ich zum Eignungstest eingeladen, der war zwar umfangreich, unter teilweise hohem Zeitdruck, aber durchaus machbar. Danach stand dann das Vorstellungsgespräch an. Neben mir waren an diesem Tag noch 3 andere Bewerber/-innen eingeladen. Das Vorstellungsgespräch lief völlig strukturiert und standardisiert. Es wurde auch im Vorfeld schon gesagt, dass allen Bewerbern die gleichen Fragen gestellt werden. Somit war das Studium nur ganz kurz Thema als ich meinen Lebenslauf erzählen sollte. Ansonsten kamen fragen wie „Wie planen Sie einen Wochenendtrip mit Freunden?“ oder „Was machen Sie wenn ein Bürger sich über Ihre Gerichtskostenabrechnung beschwert?“, ob man bereit ist umzuziehen etc.
    Wenn man sich da vorher schonmal gut informiert, bei der Beantwortung der Fragen immer nen Bogen zu eigenen Stärken und früheren Erfahrungen schlägt, ist das auch kein Hexenwerk.

    Ansonsten, wenn das Studium wirklich zum Thema wird, musst du gute Antworten parat haben. Der fehlende Bezug zur Praxis ist da denke ich ein guter Ansatz, mit dem ich mir meine Argumentation im Vorfeld auch zurechtgelegt habe.

    Was definitiv immer vorteilhaft ist: sei vorbereitet. Informiere dich über alle möglichen Seiten etc. über den Beruf, rede mit Leuten die schon im Beruf arbeiten und erwähne das auch im Gespräch. Damit zeigst du, dass du wirklich Interesse am Beruf hast und kannst ein realistisches Bild der Tätigkeiten zeichnen. Nimm Dir auch deine Bewerbungsunterlagen nochmal mit zum Gespräch, dann kannst du, wenn du zB deinen Lebenslauf erzählen sollst, einfach das Dokument zücken und ab und zu mal draufspicken.
    Was auch hilft ist, das Vorstellungsgespräch zu üben, mit Freunden oder den Eltern, damit du gerade auf kritische Fragen (zB das abgebrochene Studium) souverän und „locker“ antworten kannst.
    So hat’s zumindest bei mir geklappt, hab direkt im Anschluss an das Gespräch die Zusage bekommen :)

    Viel Glück und Lg
    Marcel


  • Zu 1.: Ich will wechseln, weil mir das Jurastudium zu einseitig/theoretisch ist.

    Wenn dir das juristische Arbeiten liegt und du das auch schon beherrschst, hast du schon einmal einen Vorteil. Die Inhalte sind halt schwerpunktmäßige andere als beim normalen Jurastudium (Grundbuch, Zwangsvollstreckung, Insolvenz, Registerrecht...).

    Bei uns waren die beiden Theorieabschnitte jeweils 10 Monate lang. Da hatte man dann je nach Dozent dann nur einen geringen bis gar keinen Praxisbezug. Aber dafür gibt es ja dann die Praxisabschnitte.

    Wie das Einstellunsgverfahren im hohen Norden funktioniert, weiß ich nicht.

    "Auf hoher See und vor Gericht UND IN DER KLAUSUR ist man in Gottes Hand."
    Zitat Josef Dörndorfer

  • Danke euch allen für die netten Antworten!

    Ich werde es einfach probieren und hoffe, dass ich für das nächste Jahr genommen werden:)

    Habt ihr irgendwelche Erfahrungen damit gemacht, was in dem Bewerbungsschreiben "gut ankommt"?

    LG:)

  • Hey Lollo,

    ich beginne in diesem Jahr das Studium über Thüringen und habe selbst 1,5 Semester Jura studiert :)
    Meiner Erfahrung nach solltest du dir gute Argumente überlegen warum du dein universitäres Studium beenden und mit Rechtspflege beginnen willst- mir wurde, z.B. beim Vorstellungsgespräch in Sachsen unterstellt, ich sei nicht zielstrebig und habe ein zu geringes Durchhaltevermögen. Ferner wurde ich gefragt, warum ich bereitwillig ein "höher qualifiziertes" Studium aufgeben möchte. Ich würde also daher sagen, dass das Jurastudium allein auf den Bewerbungsprozess bezogen immer unterschiedlich ankommt, du aber natürlich anbringen kannst, dass du bereits ein relativ großes juristisches Vorwissen besitzt.

    Also einfach probieren, mehr als Nein sagen können sie nicht!


    Liebe Grüße :)

  • Habt ihr irgendwelche Erfahrungen damit gemacht, was in dem Bewerbungsschreiben "gut ankommt"?

    Das ist natürlich abhängig vom jeweiligen Lebenslauf und was du noch mit einbauen kannst.

    Bezogen auf das Jurastudium hatte ich es so formuliert, dass ich in meinem aktuellen Studium Einblick in die juristische Arbeitsweise erhalten habe sowie erste Kenntnisse in den verschiedenen Rechtsgebieten sammeln konnte und ich mein Interesse an rechtlichen Zusammenhängen in der Praxis anwenden möchte. Wichtig ist (denk ich) auch, dass du aufzeigst, dass du entscheidungsfreudig bist und eigenverantwortlich arbeiten kannst.

    Unbedingt sollte aber klar werden, warum du dich eher im Rechtspflegestudium siehst. Ich hatte das so begründet, dass mir das duale Studium die Gelegenheit gibt, theoretische Studieninhalte mit der praktischen Arbeit im Gericht zu verbinden.

    Das ist natürlich meine Meinung und Erfahrung, die ich gesammelt habe. Also keine Garantie ;) Hoffe, das hilft dir weiter.

  • Habt ihr irgendwelche Erfahrungen damit gemacht, was in dem Bewerbungsschreiben "gut ankommt"?

    ... Unbedingt sollte aber klar werden, warum du dich eher im Rechtspflegestudium siehst. Ich hatte das so begründet, dass mir das duale Studium die Gelegenheit gibt, theoretische Studieninhalte mit der praktischen Arbeit im Gericht zu verbinden. ...

    :daumenrau

    Ich wünsche Dir viel Erfolg und - falls Deine Entscheidung auf das nördlichste Bundesland fallen sollte - herzlich willkommen im schönen Schleswig-Holstein! :)

    "Willst du den Charakter eines Menschen erkennen, so gib ihm Macht." (Abraham Lincoln)

  • Vielen vielen Dank für eure netten Antworten, ihr habt mir wirklich geholfen! :)
    Leider kann ich mich erst für das nächste Jahr bewerben, muss also noch bisschen Zeit totschlagen:(


  • Leider kann ich mich erst für das nächste Jahr bewerben, muss also noch bisschen Zeit totschlagen:(

    Ich würde dir empfehlen, dich auf mehrere duale Studienplätze im gD zu bewerben, z.B. bei Stadt- oder Kreisverwaltungen. So habe ich das gemacht und mir hat es sehr geholfen. Oft ähneln sich die Bewerbungsverfahren und so kannst du schon mal Erfahrungen sammeln. Zumindest war dies in Hessen der Fall. Gerade in den kniffligen Fragen zu deinem Abbruch bekommst du dann schon mal eine Ahnung, wie danach gefragt wird und du dich optimal darauf vorbereiten kannst :)

  • Hallo Remma,

    welche Studiengänge meinst du konkret? :)

    Du scheinst schon etwas Ahnung zu haben: Weißt du, ob ich auch die "ganz normale" Rechtspflege studiere, wenn ich mich nicht an einem OLG, sondern an Landessozial/-arbeitsgerichten bewerbe?

    LG!:)

  • ... Weißt du, ob ich auch die "ganz normale" Rechtspflege studiere, wenn ich mich nicht an einem OLG, sondern an Landessozial/-arbeitsgerichten bewerbe? ...

    Soweit ich weiß, ist die "Grundausbildung" für alle gleich. So gab es in meinem Jahrgang (der allerdings schon lange zurückliegt) eine Anwärterin, die über die Sozialgerichtsbarkeit eingestellt worden war. Nach der erfolgreich abgeschlossenen Ausbildung landet man dann allerdings - jedenfalls zunächst - in dem Bereich, der die Einstellung ausgesprochen hat.

    "Willst du den Charakter eines Menschen erkennen, so gib ihm Macht." (Abraham Lincoln)

  • Hallo Remma,

    welche Studiengänge meinst du konkret? :)

    Du scheinst schon etwas Ahnung zu haben: Weißt du, ob ich auch die "ganz normale" Rechtspflege studiere, wenn ich mich nicht an einem OLG, sondern an Landessozial/-arbeitsgerichten bewerbe?

    LG!:)

    Z.B. werden die Studiengänge Public Administration (B.A.) oder Bachelor of Laws von einigen Stadt- oder Kreisverwaltungen angeboten (Einstellung als InspektoranwärterIn, also auch gehobener Dienst). Schau ruhig mal auf den Internetseiten der größeren Stadt- und Kreisverwaltungen in deiner Umgebung nach. In meiner Gegend wurde für den gD teilweise die selbe Recruiting Firma beauftragt, weshalb sich die Auswahlverfahren stark ähnelten.

    Ich hatte mich ebenfalls für das Landesarbeits- und Sozialgericht beworben. Die Bewerbung für die Stelle beim LAG lief in Hessen ebenfalls übers OLG und war für die ganz normale Rechtspflege. Lediglich in den späteren Vertiefungsfächern ist man nicht ganz so frei mit der Auswahl (Arbeitsrecht). Beim LSG hingegen gab es nur das duale Studium in Richtung Verwaltung.

    Schau am besten auf den Seiten der jeweiligen Gerichte nach. Je Bundesland wird sich das wahrscheinlich immer ein bisschen unterscheiden, für was du dich wo bewerben musst und wo genau die Bewerbung hin muss.

  • Hallo Lollo,

    ich war selber mal in der Lage, in der du jetzt bist. Und ich habe mir nach 4 Semestern die selbe Frage gestellt und die gleichen Bedenken gehabt, allerdings waren sämtliche Zweifel unbegründet. (OLG München)

    Ich habe die (vielleicht unangenehmen) Fragen danach einfach vorweggenommen, als ich aufgefordert wurde, Stellung zu nehmen, wieso und warum Rechtspfleger etc. Da habe ich angeführt, dass ich nach 4 Semestern Jura weiß, wie man ein Gesetz liest, bzw. mit einer gewissen Methodik dran geht. Außerdem konnte ich den Gutachtenstil schon und wusste, wie man eine Klausur einigermaßen besteht. Da hatte ich allen anderen, die mit mir im strukturierten Interview waren schon etwas voraus. Bei mir war der Abbruch schon eine gewisse Zeit her, die Frage nach dem Warum (die dann trotzdem kam) habe ich damit erklärt, dass ich frisch nach dem Abi noch etwas zu unbekümmert an die Sache ran ging. Mittlerweile bin ich etwas reifer und weiß auch, auf was ich mich einlasse.

    Die Einstellung war dann kein Problem mehr.

    Hoffe, ich konnte dir helfen!

  • Ich hänge mich mal hier an das Thema ran, vielleicht hat ja noch jemand gute Begründungen.
    Vielleicht auch für jemanden, der schon weiter studiert hat als ein paar Semester.

  • Ich habe etwas länger Jura studiert. Auf mein Konto geht die erfolgreich angelegte Zwischenprüfung, das erfolgreich absolvierte Schwerpunktstudium und bereits der große Schein im Strafrecht.
    Bei mir hat der Studiumsabbruch hauptsächlich private und persönliche Gründe, über die ich auch nicht bereit war mich der Kommission zu öffnen. Ich habe daher - was definitiv mit eins der Kriterien war - mit dem Mangel an Praxisbezug und der Problematik, dass ich mich als Mensch schwer mit den „Volljuristen“ identifizieren konnte weil ich aufgrund gemachter Erfahrungen in meinem bisherigen Leben zu „bodenständig“ und realitätsnah dafür bin, argumentiert.

    Ob das jetzt das entscheidende Kriterium war oder mein Ergebnis im Einstellungstest oder mein souveränes Auftreten und meine Eloquenz im Interview kann ich nicht sagen. Fakt ist, ich wurde überall sofort genommen. (Bayern&Hessen Rpflg, Bayern Justizfachwirt). Ich vermute, dass es mein Auftreten war, dass sie überzeugt hat.

    Einmal editiert, zuletzt von Troy (21. September 2019 um 09:32)

  • Ich habe etwas länger Jura studiert. Auf mein Konto geht die erfolgreich angelegte Zwischenprüfung, das erfolgreich absolvierte Schwerpunktstudium und bereits der große Schein im Strafrecht.
    Bei mir hat der Studiumsabbruch hauptsächlich private und persönliche Gründe, über die ich auch nicht bereit war mich der Kommission zu öffnen. Ich habe daher - was definitiv mit eins der Kriterien war - mit dem Mangel an Praxisbezug und der Problematik, dass ich mich als Mensch schwer mit den „Volljuristen“ identifizieren konnte weil ich aufgrund gemachter Erfahrungen in meinem bisherigen Leben zu „bodenständig“ und realitätsnah dafür bin, argumentiert.

    Ob das jetzt das entscheidende Kriterium war oder mein Ergebnis im Einstellungstest oder mein souveränes Auftreten und meine Eloquenz im Interview kann ich nicht sagen. Fakt ist, ich wurde überall sofort genommen. (Bayern&Hessen Rpflg, Bayern Justizfachwirt). Ich vermute, dass es mein Auftreten war, dass sie überzeugt hat.

    Ich "suche" nach Antworten die einen "Abbruch" nach noch weiter fortgeschrittenem Studium begründen würden...
    Oder eigentlich keinen Abbruch. Denn ich habe nicht abgebrochen, sondern alles fertig gemacht, aber es ist nicht das was ich unbedingt machen will in dem Bereich. Schwer zu formulieren

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