Verweisung Pfändungsschutzantrag (850 k Abs.4) an Vollstreckungsgericht

  • Hallo zusammen,

    ein Schuldner hat beim Finanzgericht einen Antrag nach § 850k As. 4 ZPO auf Freigabe seines bereits gepfändeten Einkommens gestellt, einschließlich einstweiliger Einstellung. Der Antrag ist übrigens am 29.03. dort eingegangen.
    Durch Beschluss vom 09.05. hat das Finanzgericht sich für örtlich unzuständig erklärt und die Sache an das Vollstreckungsgericht verwiesen. Mein Kollege hat das Finanzgericht über die Zuständigkeit aufgeklärt und darum gebeten die Entscheidung zu überdenken.
    Daraufhin kommt ein Verweis auf § 17a Abs. 2 GVG . Danach ist man auch an einen unrichtigen Verweis gebunden. Die Pfändungs- und Einziehungsverfügungen wurden natürlich nicht mitgeschickt.
    Hat jemand eine Idee? Darf das Finanzgericht an ein ordentliches Gericht verweisen? Die Unanfechtbarkeit des Beschlusses wurde natürlich gleich mal mitentschieden.

    Einmal editiert, zuletzt von leonich (23. Mai 2019 um 14:29)

  • Naja, die Verweisung dürfte nicht bindend sein, wenn sie objektiv willkürlich war. Das dürfte hier der Fall sein, weil die Verweisung gegen die klare AO-Regelung erfolgte.
    Wie hat denn das FA seine Verweisung begründet?

  • Also ich gehe davon aus, dass das Finanzgericht und nicht das Finanzamt verwiesen hat.

    Geht aus den Unterlagen hervor, ob der Steuerpflichtige zunächst beim Finanzamt (nicht Finanzgericht) einen Antrag nach § 850k Abs. 4 ZPO gestellt hat und das Finanzamt diesen abgelehnt hat und er nunmehr gegen diese Entscheidung klagen will?

    Oder hat der Steuerpflichtige diesen Antrag in Verkennung der Rechtslage direkt beim Finanzgericht gestellt?

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6

  • Der Schuldner hat direkt beim Finanzgericht den Antrag gestellt, die haben natürlich auch entschieden, war ein Tippfehler.
    Ob vorher, oder zusätzlich auch ein Antrag beim Finanzamt gestellt wurde, ist mir nicht bekannt.

    Das Finanzgericht begründet seine Verweisung damit, dass die Erhöhung des pfändungsfreien Betrags beantragt worden sei. Dafür sei nach § 319 Abgabenordnung i.V.m. § 850k Abs. 4 ZPO das Vollstreckungsgericht zuständig, wo er zum Zeitpunkt des Erlasses der Pf-Einziehunsverfügung gewohnt hatte. Das war 2015, da soll er hier gewohnt haben. Er wohnt jetzt nicht mehr hier. Ob die Angaben stimmen, weiß ich natürlich auch nicht, da mir die Akten des Finanzamtes unbekannt sind.

    Einmal editiert, zuletzt von leonich (23. Juli 2019 um 07:15)

  • Da nach § 17a GVG die örtliche Zuständigkeit nicht von betroffen ist, kannst du da nicht einfach an das Vollstreckungsgericht am Wohnort des Schuldners weiter verweisen...

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6

  • Der BGH hat im Beschluss vom 17.06.2017 -X ARZ 76/17- u.a. Folgendes ausgeführt: "Der Bundesgerichtshof hat bislang offenlassen können, ob Ausnahmefälle denkbar sind, in denen die bindende Wirkung einer rechtskräftigen Verweisung zu verneinen ist. Diese Frage bedarf auch im Streitfall keiner Entscheidung. Nach der Rechtsprechung des Senats kommt eine Ausnahme von der Bindungswirkung allenfalls bei extremen Verstößen gegen die den Rechtsweg und seine Bestimmung regelnden materiell- und verfahrensrechtlichen Vorschriften in Betracht (BGH, NJW 2014, 2125 Rn. 13 mwN)."

    Ein solcher extremer Verstoß liegt m.E. in der willkürlichen und gesetzlich nicht gedeckten Abgabe durch das Finanzgericht. Es hätte den Vorgang an das zuständige Finanzamt abgeben müssen. Denn die §§ 850 bis 852 ZPO sind auch von den Finanzbehörden bei ihren Pfändungen nach der AO anzuwenden (§ 319 AO). § 309 Abs. 3 Satz 2 AO regelt, dass nur in den Fällen des 850l ZPO überhaupt die Amtsgerichte als Vollstreckungsgerichte bei Pfändungen nach der AO angerufen werden dürfen. Ich würde daher gemäß o.g. BGH-Entscheidung den Vorgang dort entsprechend vorlegen.
    "

  • Meiner Meinung nach kann sich eh alles nur auf die ÖRTLICHE, aber doch nicht auf die FUNKTIONELLE Zuständigkeit beziehen. Das FG kann doch nicht anordnen, dass nun die ordentliche Gerichtsbarkeit zuständig ist.

    "Just 'cos you got the power, that don't mean you got the right!" ((c) by Mr. Kilmister, passt zum Job)

    "Killed by Death" (ebenfalls (c) by Lemmy, passt eigentlich immer)

  • SACHLICH!! :cool:

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  • §§ 309, 319 AO sind im Grunde nur Verweisungsnormen auf das Zivilrecht. "Missachtet" wird hier lediglich der zutreffende Rechtsweg. Aber ich befürchte, dass genau das der Gesetzgeber mit § 17a GVG im Kauf genommen hat. M. E. ist jetzt der Zivilrechtsweg maßgeblich. Irgendein Zivilgericht muss nun über den Pfändungsbetrag nach Zivilrecht entscheiden. Wenn dann aber bitte das nach Zivilrecht örtlich zuständige Gericht.

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  • Man könnte man ja mal einen Zivilrichter fragen, ob man per Verweisungsbeschluss verbindlich die Gerichtsbarkeit ändern kann. Das würde meinem Rechtsempfinden widersprechen.
    Das FG hat keinen Bock auf eine Klage, also wird das ans Zivilgericht abgegeben? Oder der Zivilrichter sagt nein danke und gibt das ans Arbeitsgericht?

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  • Eben aus diesem Grund sehe ich die Verweisung an das Vollstreckungsgericht unter grober Verkennung der tatsächlichen sachlichen Zuständigkeit als willkürlich und rechtswidrig an - und würde das ganze einfach mal dem zuständigen Finanzamt schicken. Vielleicht noch ein kleiner Anruf beim Finanzgericht, wenn man Lust auf Stänkereien hat (ich hätte es nicht)...

    Wer "A" sagt, muss nicht auch "B" sagen. Er kann auch feststellen, dass "A" falsch war oder es auch noch "C" gibt.

    Wir Zauberer wissen über sowas Bescheid!

  • Alles, was ich bisher gelesen habe, läuft darauf hinaus:

    Zimmermann in Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Auflage 2017, Rn. 9
    „Auch eine gesetzwidrige Rechtswegverweisung ist nach Eintritt der Rechtskraft des Verweisungsbeschlusses bindend;…“

    Wenn erst einmal rechtskräftig geworden, dann für immer bindend.

    Beginne den Tag mit einem Lächeln. Dann hast Du es hinter Dir. (Nico Semsrott)

    "Das Beste an der DDR war der Traum, den wir von ihr hatten." Herrmann Kant in einem Fernsehinterview

  • Das ist doch einfach Irrsinn und kann dogmatisch vom Gesetzgeber nicht in dieser Form gewollt sein, sorry.

    Wenn die Rechtsprechung es anders sieht, fordern wir die höchste Rechtsprechung eben heraus. Es kann nicht der Wille des Gesetzgebers sein, dass eine offensichtlich rechtswidrig vorgenommene Verweisung an eine ganz andere Gerichtsbarkeit Bindungswirkung entfaltet.

    Ich weiß, das ist kein sachliches, inhaltliches oder fundiertes Fundament, aber ich fasse mir gerade einfach nur an den Kopf ob der Skurillität der Situation.

    Wer "A" sagt, muss nicht auch "B" sagen. Er kann auch feststellen, dass "A" falsch war oder es auch noch "C" gibt.

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  • Wenn der Verfahrensweg nach § 17a GVG beachtet worden ist, sehe ich keinen Grund, warum die Verweisung nicht bindend sein sollte. Das sieht das Gesetz ausdrücklich so vor und ordnet sogar ein Prüfungsverbot für die im Instanzenzug höheren Gerichte des Zielgerichtes ausdrücklich an. Es soll eben ein längeres Hin und Her zwischen den Gerichten der einzelnen Rechtswege vermieden werden.

    Es geht hier m.E. nicht einmal der bei § 281 ZPO manchmal beschrittene Weg, dass das Empfangsgericht die Übernahme ablehnt und dann nach § 36 ZPO ein Gerichtsstandsbestimmungsverfahren eingeleitet wird. Das braucht es auch nicht, denn § 17a GVG sieht seine eigene gesonderte Anfechtungsmöglichkeit vor und wenn die nicht beschritten wird, dann ist es eben so. Wir haben bei uns auch schon Rechtswegverweisungen anderer Gerichte bekommen, bei denen wir uns gefragt haben, wie das gehen soll. Und umgekehrt haben sich andere Gerichte das vielleicht auch schon nach Verweisungen gefragt, an denen ich beteiligt war. Aber bindend ist eben bindend. Ich sehe daher nicht einmal Raum für eine Rückgabe, Gegenvorstellung, Nachfrage etc.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Wenn der Verfahrensweg nach § 17a GVG beachtet worden ist, sehe ich keinen Grund, warum die Verweisung nicht bindend sein sollte. Das sieht das Gesetz ausdrücklich so vor und ordnet sogar ein Prüfungsverbot für die im Instanzenzug höheren Gerichte des Zielgerichtes ausdrücklich an. Es soll eben ein längeres Hin und Her zwischen den Gerichten der einzelnen Rechtswege vermieden werden.

    Es geht hier m.E. nicht einmal der bei § 281 ZPO manchmal beschrittene Weg, dass das Empfangsgericht die Übernahme ablehnt und dann nach § 36 ZPO ein Gerichtsstandsbestimmungsverfahren eingeleitet wird. Das braucht es auch nicht, denn § 17a GVG sieht seine eigene gesonderte Anfechtungsmöglichkeit vor und wenn die nicht beschritten wird, dann ist es eben so. Wir haben bei uns auch schon Rechtswegverweisungen anderer Gerichte bekommen, bei denen wir uns gefragt haben, wie das gehen soll. Und umgekehrt haben sich andere Gerichte das vielleicht auch schon nach Verweisungen gefragt, an denen ich beteiligt war. Aber bindend ist eben bindend. Ich sehe daher nicht einmal Raum für eine Rückgabe, Gegenvorstellung, Nachfrage etc.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

    Der BGH hat aber etwas von einer evtl. Ausnahme (siehe unter Nr.6) geschrieben, würde das daher klären lassen...

  • Nachtrag: Siehe nun auch BGH, Beschluss vom 16.04.2019 - X ARZ 143/19.

    Auch im dortigen Fall ist der theoretische Ausnahmefall eines "extremen Verstoßes" gegen den Rechtsweg offen gelassen worden. Der BGH hat dies allerdings nicht bejaht für den dortigen Fall, dass ein Rechtsstreit zwischen Schuldner und Verwalter - der Verwalter bezahlte Unterhalt an den Schuldner statt dessen selbständige Tätigkeit freizugeben - an das Arbeitsgericht verwiesen worden ist. Schlimmer liegt der hiesige Fall m.E. auch nicht.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Nachtrag: Siehe nun auch BGH, Beschluss vom 16.04.2019 - X ARZ 143/19.

    Auch im dortigen Fall ist der theoretische Ausnahmefall eines "extremen Verstoßes" gegen den Rechtsweg offen gelassen worden. Der BGH hat dies allerdings nicht bejaht für den dortigen Fall, dass ein Rechtsstreit zwischen Schuldner und Verwalter - der Verwalter bezahlte Unterhalt an den Schuldner statt dessen selbständige Tätigkeit freizugeben - an das Arbeitsgericht verwiesen worden ist. Schlimmer liegt der hiesige Fall m.E. auch nicht.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

    Weil der BGH es für "extreme Verstöße" offengelassen ha, würde ich es höchstrichterlich klären lassen, ob hier ein solcher "extremer Verstoß" gegeben ist.

  • Das heißt in der Umsetzung, Du pinselst einen Beschluss, wonach Du unzuständig bist und die Sache an das Finanzgericht zurückgegeben wird. Dieser Beschluss dürfte gemäß § 17a Abs. 4 GVG mit der sofortigen Beschwerde angreifbar sein, das wäre in Deinem Fall dann das zuständige LG. Mal sehen, was das macht. Nur wenn es Dich hält und die Beschwerde zum BGH zulässt, kommt man dorthin.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

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