Begriff Tatverletzter

  • Wer sagt eigentlich, wer Tatverletzter ist??

    Im Urteil steht:"Gemütliches Eck". Das ist weder natürliche noch juristische Person. Der Richter schreibt nun in einem Vermerk/ Hinweisbeschluss, wer Inhaber zur Zeit des Urteils war. Eine Ergänzung des Urteils scheidet für ihn aus, weil nicht möglich.

    Ermittelt der Rpfl. selbst aus der Akte, wer gemeint ist? Kann ein Staatsanwalt die Klarstellung herbeiführen und einen Vermerk in der Akte machen?

    Wo steht was dazu im Gesetz?


    Vielen Dank schon mal für eure Hilfe,

    Jalu

  • Eine gesetzliche Definition des Tatverletzten habe ich leider nicht parat. Am ehesten ließe sich dazu vielleicht etwas aus den §§ 73d Abs. 1, 75 Abs. 2 StGB und § 459h StPO ableiten.

    Im Karlsruher Kommentar findet sich folgende Definition:
    Verletzter im Sinne des neu gefassten Rechts ist nur derjenige, dem ein Anspruch (auf Rückgewähr des Erlangten oder auf Ersatz des Wertes des Erlangten) aus einer Tat erwachsen ist, die im entscheidungserheblichen Zeitpunkt Gegenstand des strafrechtlichen Urteils mit der abschließenden (Wertersatz-) Einziehungsentscheidung ist. Wer anspruchsberechtigter Verletzter ist, ergibt sich demnach aus den Urteilsgründen. Die Gerichte werden deshalb in Verfahren mit Vermögensabschöpfung künftig besondere Sorgfalt auf die notwendige Konkretisierung der einzelnen Erwerbstaten und auf die Feststellung der dadurch Geschädigten zu verwenden haben.
    KK-StPO/Appl, 8. Aufl. 2019, StPO § 459h Rn. 2

    Bei Beckonline heißt es:
    Verletzter iSd § 459h StPO soll nur derjenige sein, der sich aus den der Einziehungsentscheidung zugrunde liegenden Feststellungen konkret als Geschädigter ergibt. Dies gilt auch für sogenannte uneigentliche Organisationsdelikte.
    BeckOK StPO/Coen StPO § 459h Rn. 7-10

    Die Feststellung, wer durch die Tat verletzt wurde und einen Anspruch auf Entschädigung hat, sollte sich also zweifelsfrei aus dem Urteil ergeben und liegt eindeutig in der Verantwortung des Gerichts. In der Praxis ist dem leider oft nicht so, wie der geschilderte Fall zeigt. :( "Gemütliches Eck" - ohje ohje...

    In deinem Fall würde ich zunächst prüfen, ob sich aus der Ermittlungsakte ergibt, wer damals Geschädigter war (evtl. der Anzeigeerstatter?) und ob es sich dabei zugleich auch um den vom Richter angegebenen Inhaber handelte. Wenn dem so ist, würde ich diese Person als Tatverletzten behandeln.

    Schwierig wird es dann, wenn keine Personenidentität vorliegt oder ggf. eine Rechtsnachfolge eingetreten ist (z.B. Inhaberwechsel). In Zweifelsfällen würde ich die Akte spätestens dann dem sachbearbeitenden Staatsanwalt vorlegen mit der Bitte um Klarstellung. M.E. kann es nicht Aufgabe der Rechtspfleger sein, nachzuforschen, wer nun Geschädigter ist.

    Es würde mich interessieren, wie der Fall ausgeht. :)

    Einmal editiert, zuletzt von Bodil (28. Mai 2019 um 17:21) aus folgendem Grund: Fundstellen ergänzt

  • Macht es euch nicht so schwer.:)
    Hier bieten die §§ 459j und 459k StPO selbst die Lösung jeweils in Abs. 2 Satz 2:

    "Andernfalls bedarf es der Zulassung durch das Gericht."

    Ich persönlich handhabe es demnach so, dass ich dem Verletzten der sich aus dem Urteil ergibt mitteile und falls ich Zweifel daran habe, ob es tatsächlich dieser ist, demjenigen der sich aus den Ermittlungsakten als potentieller Verletzter herausstellt.
    Sobald angemeldet wird, lege ich das ganze dann zur Zulassung dem Gericht vor, dieses hat letztendlich zu entscheiden, an wen als Verletzter der Tat auszukehren ist. ;)

  • [...] dass ich dem Verletzten der sich aus dem Urteil ergibt mitteile und falls ich Zweifel daran habe, ob es tatsächlich dieser ist, demjenigen der sich aus den Ermittlungsakten als potentieller Verletzter herausstellt.
    [...]

    Danke für den Hinweis.

    Mir ist die gesetzliche Regelung einfach zu spät im Verfahren.

    Hiesige Urteile enthalten zu 99 % im Tenor keine Angabe zum Tatverletzten. Ok, aber bei z.T. über 10 Seiten Fließtext soll ich mir den Passenden dann selbst raussuchen, den ich jetzt anschreibe? Oder aus der ganzen Akte? Nee! So einfach ist es ja dann auch wieder nicht.
    Zumeist ist auch die Zusammensetzung der Summe nicht nachvollziehbar aufgelistet, sondern im Fließtext des Urteils neben diversen Schadenssummen, die mit der Einziehung nichts zu tun haben, genannt.

    Hiesige Richter machen es uns nicht gerade leicht...

    Da brauche ich etwas, damit ich gleich bei Vollstreckungseinleitung Klarheit schaffe. Zumal ich die Akte ja vielleicht auch nicht bis zum Ende bearbeite. Das möchte ich nicht dem Nächsten überlassen müssen.


  • ...
    Ich persönlich handhabe es demnach so, dass ich dem Verletzten der sich aus dem Urteil ergibt mitteile und falls ich Zweifel daran habe, ob es tatsächlich dieser ist, demjenigen der sich aus den Ermittlungsakten als potentieller Verletzter herausstellt.
    Sobald angemeldet wird, lege ich das ganze dann zur Zulassung dem Gericht vor, dieses hat letztendlich zu entscheiden, an wen als Verletzter der Tat auszukehren ist. ;)

    Diese Überlegung ist grundsätzlich nicht schlecht. Die Vorlage ans Gericht zur Zulassung ist aber nach meinem Verständnis nur als "Auffangregelung" für die Fälle gedacht, wenn das Urteil nicht eindeutig ist. Ist der Verletzte eindeutig benannt, lege ich die Anmeldung dem Gericht folglich auch nicht zur Zulassung vor.

    Und, wie es Jalu schon gesagt hat, das löst das Problem der Geschädigtenbenachrichtigung leider nicht. Um zu wissen, wen ich überhaupt benachrichtigen muss/darf, brauche ich die Information, wer Geschädigter ist schon in einem wesentlich früheren Stadium des Verfahrens. Den vermeintlich Verletzten erst zur Anmeldung aufzufordern und die Anmeldung dann dem Gericht vorzulegen, mit dem Hinweis, es sei nicht sicher, ob derjenige überhaupt Geschädigter ist, halte ich für nicht zielführend. Das bedeutet unterm Strich Mehrarbeit und könnte ggf. auch seitens des Gerichts auf Unverständnis stoßen.

  • Jalu: Im Tenor darf der Verletzte nicht bezeichnet sein.

    Es handelt sich immer um den staatlichen Anspruch, der tenoriert wird.

    Tenorierungen wie " zugunsten des Verletzten XY" sind falsch.

    Zu § 458 StPO: Es gibt bereits Rechtsprechung dazu, dass die fehlerhafte/mangelnde Bezeichnung des Verletzten nicht darunter fällt.

    Der Richter ist an sein eigenes rechtskräftiges Urteil gebunden. § 458 StPO greift nur dann, wenn Zweifel an der Vollstreckbarkeit vorhanden sind. Bei der Vollstreckung der Einziehungsentscheidung als solcher ist die Beitreibung der Forderung zu verstehen. Das Entschädigungsmodell fällt nicht darunter.

    Wenn sich aus der Einziehungsenstscheidung nicht ergibt, wer der Verletzte ist (und der Staatsanwalt auf Nachfrage nicht weiterhelfen kann/weiterhilft): Mitteilung über den Bundesanzeiger.

  • Ok, im Tenor keine Angabe zum Tatverletzten. Na gut. Verstehe ich.

    Aber in der Begründung könnte man doch mal eine Aufstellung machen - mit Summen und Tatverletzten... Fände ich gut.

    Aber, wenn also in der Begründung nicht genau steht, an wen das Geld geht, dann soll der Staatsanwalt weiterhelfen?

    @ Cadi: Was hälst du von dem Hinweisbeschluss des Richters?

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