Finnischer Erblasser - Erhöhung gem. §§ 1931 III, 1371 I BGB für den Ehegatten?

  • Sachverhalt: Finnischer Erblasser, verstorben im März 2019, unter Hinterlassung eines Ehegatten und zweier Kinder. Eheschließung in Finnland: 1970. Die - finnischen - Ehegatten haben vor dem Tod des Erblassers länger als 5 Jahre in Deutschland gelebt. Findet eine Erhöhung gem. §§ 1931 III, 1371 BGB im ENZ bzw. Erbschein statt?

    Ferid/Firsching/Lichtenberger - Internationales Erbrecht / Finnland / Rand-Nr. 24 sagt: Für die Erbschaft gilt grundsätzlich das Recht am letzten Wohnsitz des Erblassers (PK 26:5 Abs. 1), das ist Deutsches Erbrecht.
    Der Umfang der Verweisung ergibt sich aus PK 26:7 (Rnd-Nr. 32).
    Die Verweisung gilt ... für das gesetzliche Erbrecht, ... die Erbfolge, den Erbteil, den Pflichtteil ... - Rand-Nrn. 32 bis 34 -. Auch gehören dazu Pflichtteilsberechtigungen ... - pp -. Unter einer dem Pflichtteil vergleichbaren geschützten Beteiligung am Nachlass ist u.a. die Beteiligung eines überlebenden Ehegatten am Nachlass zu verstehen - Rand-Nr. 34. Aus dem letzten Satz schlussfolgere ich, dass eine Erhöhung gem. §§ 1931, 1371 BGB zu Gunsten des überlebenden Ehegatten stattfindet.
    Rand-Nr. 38 Satz 2 besagt jedoch: Die Verweisung in PK 26:5 und 6 gilt aber nicht für die Ansprüche des überlebenden Ehegatten. Für dies Ansprüche enthält PK 24:12 - gemeint ist wohl PK 26:12 - Sondervorschriften, die einen Vorbehalt zugunsten des finnischen Rechts aussprechen.
    Ich bin mir nicht sicher, ob das Finnische Erbrechtsgesetz PK 26:7 auch auf die Erhöhungsvorschrift des §§ 1931, 1371 BGB verweist.
    Kann mir jemand helfen?
    Ist die Einholung eines Rechtsgutachtens angezeigt?

    Vielen dank für Eure Hilfe!

  • Gehe ich Recht in der Annahme, dass nach Art. 21 EuErbVO deutsches Recht Anwendung findet (zumindest der letzte Wohnsitz war ja offen in Deutschland)?

    Zunächst wäre dann das Ehestatut nach Art. 229 §47 EGBGB i.V.m. Art. 15, 14 EGBGB a.F. zu bestimmen.
    Zum Ehestatut ist hier nichts gesagt. Davon hängt maßgeblich ab, ob §1371 BGB Anwendung findet.

    Wenn deutsches Recht gilt, wäre das finnische Erbrechtsgesetz doch nicht von Bedeutung.

    Perfektion ist eine Illusion.

    Einmal editiert, zuletzt von jfp (27. Mai 2019 um 16:06) aus folgendem Grund: Schreibfehler

  • Gehe ich Recht in der Annahme, dass nach Art. 21 EuErbVO deutsches Recht Anwendung findet (zumindest der letzte Wohnsitz war ja offen in Deutschland)?

    Zunächst wäre dann das Ehestatut nach Art. 229 §47 EGBGB i.V.m. Art. 15, 14 EGBGB a.F. zu bestimmen.
    Zum Ehestatut ist hier nichts gesagt. Davon hängt maßgeblich ab, ob §1371 BGB Anwendung findet.

    Wenn deutsches Recht gilt, wäre das finnische Erbrechtsgesetz doch nicht von Bedeutung.

  • Ich bin jetzt - nach weiterer intensiver Recherche - zu folgendem Schluss gekommen:
    Erbstatut:
    Die finnische Erblasserin hatte zum Zeitpunkt ihres Todes ihren letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Gemäß Art. 21 Abs. 1 EuErbVO ist also deutsches Erbrecht anwendbar.
    Güterrechtsstatut:
    Die Europäische Güterrechtsverordnung (Verordnung EU 2016/1103) vom 24. Juni 2016 ist nicht anwendbar ist. Die Ehe ist vor dem 28.01.2019 geschlossen worden und ab diesem Zeitpunkt haben die Eheleute keine Rechtswahl über das auf ihren Güterstand anzuwendende Recht getroffen. Gemäß Art. 224 § 47 Abs. 2 Ziffer 2 EGBGB bleibt § 15 EGBGB in der bis zum 28.01.2019 geltenden Fassung anwendbar.
    Art. 15 Abs. 1 EGBGB (a.F.):
    Die güterrechtlichen Wirkungen der Ehe unterliegen dem bei der Eheschließung für die allgemeinen Wirkungen maßgeblichen Recht. Die güterrechtlichen Wirkungen der Ehe unterliegen also zunächst einmal dem finnischen Güterrecht.

    Die anzuwendende finnische IPR-Vorschrift ist m.E. Kapitel 26 § 5 finnisches Ehegesetz.
    Kap 26 § 5 Abs. 1: Wenn der Erblasser nicht anderes bestimmt hat und aus Absatz 2 nicht anderes folgt, wird auf die Erbschaft das Recht des Staates angewandt, in dem der Erblasser seinen Wohnsitz hatte.
    Kap. 26 § 5 Abs. 2: Hatte der Erblasser seinen Wohnsitz früher in einem anderen Staat, wird das Recht des Staates im Sinne von Abs. 1 nur angewandt, wenn:
    Z. 1 pp,
    Z.2 der Erblasser unmittelbar vor seinem Tode im Zeitraum von wenigstens fünf Jahre in diesem Staat gewohnt hat.

    Ziffer 2. trifft in meinem Fall zu. Der finnische Erblasser hat keine Bestimmung getroffen und lebte nach Aktenlage seit mehr als 5 Jahren in Deutschland. Absatz 3 Satz 2 (.. wesentlich nähere Beziehung ) brauche ich deswegen nicht mehr.
    Kapitel 26 § 5 Finnisches Ehegesetz verweist also auf das Deutsche Güterrecht zurück. Die Verweisung wird durch Art. 4 Abs. 1 S. 2 EGBGB angenommen.
    Die finnischen Ehegatten lebten im gesetzlichen Güterstand.
    Nach EuGH (2. Kammer), Urteil vom 01.03.2018 (Rs. C-558/16), ist die Erhöhung um 1/4 gem. §§ 1931, 1371 BGB im ENZ auszusprechen.

    Richtig?

  • Ich muss mich berichtigen. Kapitel 26 steht im finnischen Erbrechtsgesetz (und nicht im Ehegesetz). Die anwendbare IPR-Vorschrift im finnischen Eherecht dürfte § 129 finnisches Ehegesetz v. 13.06.1929/234 idF v. 25.08.2016/695 sein (in Bergmann/Ferid/Henrich) sein.

    Das finnische Güterrecht sagt in § 129 Ehegesetz:
    Die güterrechtlichen Wirkungen der Ehe richten sich nach dem Recht desjenigen Staates, in dem die Ehegatten ihren allgemeinen Wohnsitz nach der Eheschließung haben. Ein späterer Wechsel des Wohnsitzes führt erst dann zur Anwendung eines anderen Rechts, wenn der gemeinsame Wohnsitz dort mindestens 5 Jahre gedauert hat.
    Die finnischen Ehegatten wohnten seit 2005 ununterbrochen in Deutschland. § 129 des finnischen Ehegesetzes verweist zurück in das deutsche Güterrecht. Diese Rückverweisung wird durch Art. 4 Abs. 1 S. 2 EGBGB angenommen.

    Ergebnis (wie oben) :
    Aufgrund der Verweisung in § 129 (finn.) Ehegesetz findet deutsches Güterrecht Anwendung.
    Gem. §§ 1931, 1371 kommt es zu einer Erhöhung der Erbquote des überlebenden Ehegatten um 1/4.
    Nach dem Urteil des EuGH (2. Kammer) vom 01.03.2018 (Rs. C-558/16) ist diese Erhöhung in das Europäische Nachlasszeugnis aufzunehmen.

    Jetzt o.k.?

  • Mag für Dich nicht relevant sein, aber laut Olsen/Olsen-Ring in ZEV 2019, 335 wurde das Erbgesetz Finnlands ab 01.04.2019 geändert, wohl vor allem im Hinblick auf das Erbrecht der Eltern.

  • Die Problemfrage ist, ob die Erbteilserhöhung nach § 1371 BGB erbrechtlich oder güterrechtlich zu qualifizieren ist. Der BGH ist bisher der Meinung, dass die Frage rein güterrechtlich zu qualifizieren sei. Der EuGH hingegen hat mit Urteil vom 01.03.2018 entschieden, dass die Erhöhung nach § 1371 BGB dem Erbstatut unterliegt, also hier dem nach Art. 21 EuErbVO maßgeblichen Recht.

    Wenn Du der Meinung des BGH folgst, würde dich Art. 15 Abs. 1 EGBGB a.F. für das Güterrecht auf das Recht für die allgemeinen Ehewirkungen, also zunächst in Art. 14 EGBGB a.F. verweisen. Nach Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB wäre dann finnisches Recht maßgeblich, denn die Ehegatten hatten zum Zeitpunkt der Eheschließung beide die finnische Staatsangehörigkeit (wenn ich das richtig verstanden habe). Dann musst Du das finnische IPR wegen Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB zu Rate ziehen. Dann läuft es so weiter, wie Du es oben entwickelt hast, mit Rückverweisung in die deutschen Sachnormen und § 1371 wäre anwendbar.

    Nach der Meinung des EuGH kämst Du schlussendlich zum gleichen Ergebnis. Dann richtet sich die Anwendbarkeit von § 1371 direkt nach dem Erbstatut aus Art. 21 EuErbVO, hier deutsches Recht.

    Bei Interesse kann ich gern die Entscheidung des EuGH, sowie die hierzu im "Rpfl. 6/2018" veröffentlichte Anmerkung von Lamberz raussuchen.

    2 Mal editiert, zuletzt von Marc (18. August 2019 um 16:34)

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!