Minderjährige Erben Überschuldung

  • Hallo liebe Forengemeinde,

    ich stehe hier vor einem aus meiner Sicht schwierigen Problem, vielleicht weiß ja jemand Rat.

    Ich bin Amtsvormund für ein 10jähriges Kind. Vater nach Tötung der Mutter in lebenslanger Haft. Während der Ausschlagungsfrist bestand noch keine Vormundschaft, der Vater hat für das Kind nicht ausgeschlagen. Mein Amtsvorgänger (anderes Jugendamt) hat dann ausgeschlagen und hilfsweise angefochten. Seiner (unbelegten) Aussage zufolge sei die Ausschlagung oder die Anfechtung wirksam, da die Erben zweiter Ordnung infolgedessen ausgeschlagen hätten. Damit sah er den Fall als erledigt an. Das sehe ich anders.

    Es wurde ein Nachlasspfleger zur Sicherung und Verwaltung des Nachlasses eingesetzt. Der Nachlass (Haus mit Grundstück) ist überschuldet und wurde verkauft, Kaufpreis ging komplett an die Gläubiger. Es wurde lt. knapper Auskunft des Nachlasspflegers mangels Masse kein Nachlassinsolvenzverfahren betrieben. Laut Nachlassgericht könne man nicht sagen, ob die Ausschlagung wirksam ist, da kein Erbschein beantragt wurde, ebenso könne man die Wirksamkeit der Anfechtung erst prüfen, wenn konkret Forderungen gestellt werden. Mehr Infos sind trotz mehrfacher Nachfragen weder vom Nachlasspfleger noch vom Nachlassgericht zu bekommen.

    Da angefochten ist, kann ich ja auch kein Nachlassinsolvenzverfahren einleiten, so lese ich jedenfalls dieses Urteil: https://www.jurion.de/urteile/bgh/2011-05-19/ix-zb-74_10/ . Oder reicht für eine Dürftigkeitseinrede die Feststellung des Nachlasspflegers, dass überschuldet ist? Falls nicht, kann zukünftig jederzeit ein Gläubiger an mein Mündel herantreten, oder? Da mein Mündel Leistungen nach dem OEG sowie Bay. Landespflegegeld erhält, wird bis zur Volljährigkeit einiges zusammenkommen. Die Möglichkeit der Beschränkung der Minderjährigenhaftung nach § 1629a BGB ist daher m.E. keine Option.

    Hätte der Nachlasspfleger nicht gerade deshalb, weil überschuldet, ein Nachlassinsolvenzverfahren betreiben müssen? Oder sind durch so eine Abwicklung durch den Nachlasspfleger ohnehin alle Forderungen erledigt? Leider weiß ich nicht wirklich viel über Nachlasspflegschaften, deshalb seht mir bitte meine Ahnungslosigkeit nach.

    Vielen Dank schon mal für Eure Rückmeldungen.

  • Ist die Ausschlagungs- bzw. Anfechtungserklärung Deines Amtsvorgängers familiengerichtlich genehmigt worden?
    Falls ja: Wurde von der Genehmigung gegenüber dem Nachlassgericht fristgerecht Gebrauch gemacht?

    "Willst du den Charakter eines Menschen erkennen, so gib ihm Macht." (Abraham Lincoln)

  • Hallo Husky98,

    das dortige Familiengericht hat meinem Vorgänger mitgeteilt, dass der Amtsvormund nach § 14 HKJGB von einem Genehmigungsbedürfnis durch das FamG befreit sei. Danach hat mein Vorgänger noch dem FamG schriftlich mitgeteilt, dass er ausgeschlagen und angefochten hat. Mehr findet sich nicht in der Akte.

    Herzliche Grüße

  • Während des Fristablaufes war der Vater laut deinem Post sorgeberechtigt, er hat die Frist verstreichen lassen. Somit dürfte das Kind Erbe geworden sein.
    Ob die wie auch immer geartete Erklärung des später eingesetzten Vormundes daran etwas änderte ist ungewiss aber unwahrscheinlich.

    Die Aussage des vorherigen Vormundes ist nicht zutreffend, denn:
    Das Gericht prüft keine Wirksamkeit einer Ausschlagungserklärung, es weist zwar auf eventuelle Genehmigungstatbestände hin, mehr im Normalfall aber nicht. Ein Anschreiben der weiteren Erben ist keine Aussage über die Wirksamkeit der Erklärung. Auch die Ausschlagung der Erben der 2. Ordnung nicht.
    Wie dir ja auch bereits bekannt ist.

    Ich würde also an deiner Stelle weiterhin von der Erbenstellung des Kindes ausgehen und Maßnahmen zur Beschränkung der Erbenhaftung treffen- sofern das Gericht dir nicht schriftlich mitteilt, dass das Kind kein Erbe aufgrund der Ausschlagung ist. Was das Gericht tun wird, sofern es einen Antrag auf Nachlassinsolvenz oder ähnliches vorgelegt bekommt - denn dann wird es diesen entweder bearbeiten oder dir mitteilen, dass keine Antragsberechtigung mangels Erbenstellung vorhanden ist. Damit kannst du dann arbeiten und weißt woran du bist und kannst dein Problem erledigen.


    Hilft es?

  • Hallo Insulaner,

    vielen Dank erstmal für Deine Antwort. Damit ich Dich richtig verstehe: Auf meinen Antrag auf Nachlassinsolvenz hin würde das Insolvenzgericht zunächst prüfen, ob ich (aufgrund Erbenstellung) antragsberechtigt bin, und somit würde ich eine verbindliche Aussage über die Erbenstellung bekommen?

    Der Leitsatz des von mir verlinkten Urteils sagt aber doch: "Zum Antrag auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens ist nicht als Erbe berechtigt, wer die Versäumung der Ausschlagungsfrist angefochten hat, auch wenn die Wirksamkeit der Anfechtung noch nicht feststeht." Somit wäre ich wieder bei der Ausgangslage, nämlich: Ich bestreite es durch die Anfechtung, Erbe zu sein, somit bin ich nicht antragsberechtigt, auch wenn niemand mir verbindlich sagen kann oder will, ob die Anfechtung wirksam ist.

    Aus Ziffer 12 dieses Urteils folgere ich, dass der Nachlasspfleger ein Nachlassinsolvenzverfahren eröffnen müsste, damit das Kind vor späteren Forderungen geschützt ist. Die Nachlasspflegschaft ist laut dessen Aussage jedoch so gut wie abgeschlossen, habe ich da überhaupt ein Mitspracherecht?

    Unter Punkt 10 des Urteils hingegen steht: "Der Erbe kann ... nur unterbinden, wenn tatsächlich die Nachlassverwaltung angeordnet ODER das Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet worden ist." Wie ist das nun zu verstehen? Reicht eventuell doch eine Abwicklung des Nachlasses durch den Nachlasspfleger und dessen Feststellung: Kein Nachlassinsolvenzverfahren mangels Masse"?

    Ich hab grade wirklich keinen Plan, wie ich das lösen soll.

    Herzliche Grüße

  • Wie wäre es mit einem Antrag auf Akteneinsicht in die Nachlasspflegschaftsakte? Aus dem Schlussbericht muss sich doch ergeben, ob noch Forderungen offen sind. In vielen Fällen einigt sich der Nachlasspfleger mit den Gläubigern auf eine Quote, und diese verzichten auf die Restforderung. Wenn das der Fall wäre, bräuchte man sich über weitere Schritte keine Gedanken mehr zu machen.

  • Hallo AKoehler,

    das ist eine super Idee, danke! Das war auch mein Gedanke im letzten Absatz meines ersten Posts, dass die Forderungen ja unter Umständen schon erledigt sein könnten durch Einigung. Dass ich ja auch Akteneinsicht beantragen könnte, auf die Idee bin ich nicht gekommen. Habe ich denn das Recht auf Akteneinsicht? Oder hat das wieder nur der Erbe (der ich ja wegen der Ausschlagung / Anfechtung) nicht bin? Versuchen werde ich es auf jeden Fall mal. Die Akteneinsicht müsste ich dann beim Nachlassgericht oder beim Nachlasspfleger beantragen?

    Danke an dieser Stelle schon mal an alle Tippgeber!

    Herzliche Grüße

  • Akteneinsicht beim Nachlassgericht. Da ja die Wirksamkeit der Anfechtung und damit der Ausschlagung zumindest ungewiss ist, komm das Kind als Erbe in Betracht. Ich würde mich auf den Standpunkt stellen, dass es noch als Beteiligter anzusehen ist. Hilfsweise hat es (bzw. der Vormund) ein berechtigtes Interesse nach § 13 II FamFG.

  • Hallo AKoehler,

    nochmal vielen lieben Dank für die Starthilfe. So werde ich es nun angehen und hoffen, dass sich das Problem dann wirklich erledigt hat. Danke auch an alle anderen Helferlein.

    Schöne Restwoche noch!

  • Ich bitte gleichzeitig um Beachtung, dass unter verjährungsrechtlichen Blickpunkten eine direkte Anfrage bei den Gläubigern mit nachgehender Zahlungsvereinbarung untunlich sein kann.

    Je nachdem auf wen der Ausgangstitel lautet und wie schnell die etwaigen Gläubiger sind, kann man durchaus auch die Einreden von Verjährung und Verwirkung (bei Erreichen der Volljährigkeit) in Betracht ziehen.

    "Ändere die Welt, sie braucht es." Brecht

    K. Schiller: "Genossen, lasst die Tassen im Schrank"


    "Zu sagen, man müsste was sagen, ist gut. Abwägen ist gut, es wagen ist besser." Lothar Zenetti

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