Nachträgliche Berücksichtigung von Unterhaltsverpflichtung

  • Folgender Sachverhalt:

    Die Schuldnerin erklärt nach 3 Jahren (Insolvenzverfahren noch nicht aufgehoben), dass ihr Ehemann vom Drittschuldner nicht als unterhaltsberechtigte Person berücksichtigt wurde. Die Schuldnerin verlangt von der Masse die Auszahlung „ zu viel gezahlter“Pfändungsbeträge.


    Die Schuldnerin machte jedoch vorher weder im Insolvenzantrag noch in der Zeit danach bis zum gestrigen Tag beim Drittschuldner bzw. Insolvenzverwalter geltend, dass ihre Unterhaltsverpflichtung berücksichtigt werden muss. Die Existenz des Ehemannes ergab sich aus dem Insolvenzatrag. Jedoch wurde im Insolvenzantrag explizit angegeben, dass keine unterhaltsberechtigten Personen vorhanden sind. Hierauf hingewiesen antwortet die Schuldnerin, dass dies bei Antragstellung auch zutraf, jedoch wenige Monate nach Antragstellung ihr Ehemann einkunftslos wurde. Die rechtzeitige Anzeige beim Drittschuldner bzw. IV habe sie „verschlafen“.

    Liegt eine ungerechtfertigte Bereicherung der Masse vor, da nunmehr die Berücksichtigung der Unterhaltsverpflichtung nachträglich geltend gemacht wird?

  • Erst mal zurücklehnen. Soll die Schuldnerin sich doch erst einmal an den Arbeitgeber halten. Man muss wohl lange von Luft und Liebe gelebt haben, damit das fast drei Jahre nicht auffällt. Was mich dann schon in Richtung Verwirkung denken lässt.

    Wenn die Masse ausschließlich aus den (falschen) pfändbaren Beträgen besteht, wird man, wenn alle Stricke reißen, wohl über eine MUZ nachdenken müssen, da die Beträge die Berechnungsmasse erhöhen.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Die Vorschriften für Zwangsvollstreckung sind meines Wissens auch maßgeblich für die Insolvenz, diese wirkt meines Wissens wie eine "Sammelzwangsvollstreckung".

    In der regulären Pfändung können neu entstandene Unterhaltspflichten erst berücksichtigt werden, wenn sie geltend gemacht werden- rückwirkend ist dies nicht möglich. Ist das Geld beim Gläubiger, ist es weg. Rückzahlungen an Schuldner nicht vorgesehen.

    Dies darf meiner Meinung nach in der Insolvenz nicht anders sein- da hätte sie sich früher kümmern müssen.

    Die Schuldnerin kann nur für zukünftige Zahlungen mit Berücksichtigung der Unterhaltspflicht rechnen- sofern Sie den entsprechenden Antrag stellt.

    Dem Drittschuldner kann sie auch keinen Vorwurf machen- auch dieser wusste von der Unterhaltspflicht ja nichts.

  • Die Schuldnerin ist selbst verantwortlich ihrem Arbeitgeber mitzuteilen wie viele Unterhaltspflichten sie hat, wenn sie dies nicht tut,kann sie es rückwirkend nicht mehr tun. Der Arbeitgeber hat schuldenfreien an die Masse geleistet. Es ist keine Rechtsgrundlage ersichtlich wonach eine Erstattungspflicht der Masse bestünde. Im Rahmen der EZWV könnte der Schuldner auch nie Geld vom Gläubiger zurück verlangen. Ist einmal an den Gläubiger bzw an die Masse geleistet ist die Vollstreckung beendet und es gibt auch keine Entscheidungsbefugnis des Vollstreckung- bzw Insolvenzgericht mehr

  • Erst mal zurücklehnen. Soll die Schuldnerin sich doch erst einmal an den Arbeitgeber halten. Man muss wohl lange von Luft und Liebe gelebt haben, damit das fast drei Jahre nicht auffällt. Was mich dann schon in Richtung Verwirkung denken lässt.

    Wenn die Masse ausschließlich aus den (falschen) pfändbaren Beträgen besteht, wird man, wenn alle Stricke reißen, wohl über eine MUZ nachdenken müssen, da die Beträge die Berechnungsmasse erhöhen.

    Die Masse setzt sich nicht nur aus den Pfändungsbeträgen zusammen, folglich scheidet eine MUZ aus.

    Die Schuldnerin argumentiert, dass aufgrund der tatsächlich vorhanden gewesenen Unterhaltspflicht die "falsch abgeführten Pfändungsbeträge" nie Bestandteil der
    Insolvenzmasse geworden sind bzw. nicht dem Insolvenzbeschlag unterliegen. Folglich sei die Masse ungerechtfertigt um den entsprechenden Betrag bereichert.
    Habe keine Fundstelle m Gesetz bzw. Kommentar finden können, wie hier zu verfahren ist. Für die bisherigen Antworten bedanke ich mich.

  • Die Schuldnerin argumentiert, dass aufgrund der tatsächlich vorhanden gewesenen Unterhaltspflicht die "falsch abgeführten Pfändungsbeträge" nie Bestandteil der Insolvenzmasse geworden sind bzw. nicht dem Insolvenzbeschlag unterliegen.

    :wechlach::wechlach::wechlach:... dann wäre ja § 55 III InsO sinnlos.


    Zur Begründung: BGH vom 05.03.2015, IX ZR 164/14

    Zu den Folgen und der praktischen Handhabung: Hentrich, ZInsO 2015, 1093

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  • Ist einmal an den Gläubiger bzw an die Masse geleistet ist die Vollstreckung beendet und es gibt auch keine Entscheidungsbefugnis des Vollstreckung- bzw Insolvenzgericht mehr

    Hier meine ich, dass die Vollstreckung noch nicht beendet ist. Das Geld wurde zwar an den IV geleistet, jedoch noch nicht verteilt, somit ist die Vollstreckung noch nicht beendet.

  • Hier meine ich, dass die Vollstreckung noch nicht beendet ist. Das Geld wurde zwar an den IV geleistet, jedoch noch nicht verteilt, somit ist die Vollstreckung noch nicht beendet.

    Eine Vollstreckung soll andauern, nur weil der Vollstreckungsgläubiger die Früchte der Vollstreckungshandlung noch nicht verbraucht hat? :gruebel:

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Ist einmal an den Gläubiger bzw an die Masse geleistet ist die Vollstreckung beendet und es gibt auch keine Entscheidungsbefugnis des Vollstreckung- bzw Insolvenzgericht mehr

    Hier meine ich, dass die Vollstreckung noch nicht beendet ist. Das Geld wurde zwar an den IV geleistet, jedoch noch nicht verteilt, somit ist die Vollstreckung noch nicht beendet.

    Das haut so nicht hin. Die Vollstreckungsmaßnahme ist beendet, wenn Geld bei IV - genauso wie wenn Geld bei Gl. Sonst würde ja die InsO die Sch besser stellen als jede Einzelvollstreckung.
    850 k entscheide ich auch nur so lange wie Geld noch bei Bank, nie indem ich anordnen würde dass der IV wieder aus der Masse auszahlen müsste

  • Die Vollstreckung endet m. E. mit der Befriedigung des Gläubigers und das ist nicht der Insolvenzverwalter, sondern die Insolvenzgläubiger.

    Das würde heissen, dass die Schuldnerin Glück gehabt hat, weil ich aufgrund diverser offener Sachverhalte noch nicht das Verfahren dichtmachen konnte .
    Pfändungsbeträge zurückzahlen der letzten Jahre , obwohl die Schuldnerin im Antrag Null Unterhaltsverpflichtungen angab und im späteren Verlauf - aus welchen Gründen auch immer - nicht auf ihren einkunkftslos gewordenen Mann hinwies mit der Bitte um entsprechende Berücksichtigung.

    Nun kann man ja aus IV-Seite Folgendes anführen: Aufgrund des Eheverhältnisses besteht grds. immer eine Unterhaltspflicht unter Eheleuten, unabhängig davon, ob der der Ehepartner eigene Einkünfte hat oder nicht. Es sei denn, man bewirkt einen gegenteiligen Gerichtsbeschlussals Gläubiger bzw. IV oder - wie hier eben im vorliegenden Verfahren geschehen - die Schuldnerin gibt explizit schriftlich im Antrag an, dass keine unterhaltsberechtigten Personen vorhanden sind, folglich damit auf die Berücksichtigung etwaiger Unterhaltsverpflichtungen verzichtet.

    Man könnte nun also durchaus sagen: Obwohl auch schon zur Antragstellung eine Unterhaltspflicht bestand, wurde konkludent von der Schuldnerin eine entsprechende Berücksichtigung nicht verlangt. Mag sein, dass die Gelder vielleicht aufgrund der gesamt Sachlage nicht pfändbar waren, doch kann der IV doch sagen, dass die Schuldnerin durch Ihre Angabe im Insolvenzantrag sowie ihrer späteren Inaktivität freiwillige Zahlungen geleistet hat an die Masse.

  • Abgetreten wurden die pfändbaren Beträge, diese entsprechen denen der Einzelzwangsvollstreckung. Bei einer Einzelzwangsvollstreckung hätten die Beträge nunmehr dem Gläubiger zugestanden, es gibt in Zwangsvollstreckung keinerlei Rückzahlungsvorschriften für Gläubiger/Gläubigervertreter. Ist das Geld beim Drittschuldner nicht mehr vorhanden, ist der Schutz ausgeschlossen.
    Dies ist auch hier der Fall - das Geld ist beim Drittschuldner nicht mehr vorhanden. Es ist beim Insolvenzverwalter, der die Gläubiger mehr oder weniger vertritt.
    In meinen Augen wäre dies so, als wenn ich den Rechtsanwalt auffordere Geld zurückzuzahlen, da es noch auf seinem Anderkonto und noch nicht beim Gläubiger ist.


    Ich stimme daher der von rainer19652003 vertretenen Meinung nicht zu.

    Da würden mich die §§ sehr interessieren, die in genau diesem Fall des schlafenden Schuldners angewendet werden sollen.

    Ich denke eventuell gibt es etwas, falls unberechtigt oder durch Fehler des IV zu viel einbehalten wurde, aber für diesen Einzelfall kann ich mir das bei dem geschilderten Sachverhalt nicht vorstellen.


    Sollte es wider Erwarten genau passende Rechtsprechung geben oder diese hierdurch entstehen, wäre es nett, wenn sie hier verbreitet wird.

  • Würdest du wirklich aus der Masse wieder auszahlen?

    Wie machst Du das denn im Fall von Schutzanträgen (§ 850f, 850k, 850i ZPO)? Wenn Du erst anhörst, kann es ja sein, dass die Beträge bereits an den Verwalter ausgezahlt werden. Stellst du also die Beschlagnahme einstweilen ein?

    Gerade wenn es um eine Abfindung bei 850i ZPO geht, kann es ja durch verschiedene Stellungnahmen länger dauern. Und wenn dann der Abfindungszahler bereits an die Masse auszahlt?

    Wir haben uns in der Frühphase der InsO mit den Verwaltern geeinigt, dass sie erstmal die Beträge vereinnahmen sollen. Denn z.B. wenn der Arbeitgeber eine Abfindung auslobt, liegt es ja oft daran, dass dieser selbst in Schwierigkeiten ist. wenn nun möglicherweise längerfristig die Abfindung bei Arbeitgeber verbleibt, besteht die Gefahr, dass sie garnicht mehr ausgezahlt wird.

    Ich habe auch mal in einem 850k-Verfahren es so gemacht wie es Rainer sieht. Die Stellungnahmen gingen hin und her und der Verwalter hat sich Zeit gelassen und die Bank hatte dann bereits einen Betrag an die Masse gezahlt. Ich habe es dann so wie Rainer gesehen und im Beschluss die Auszahlung angeordnet. Und das Landgericht hat mich auch gehalten.

    Übrigens könnte man da ja auch ganz gut mit dem "Treuhandkonto" des Verwalters arbeiten, ist doch jetzt noch im Besitz des Verwalters und nicht Insolvenzmasse ;).

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    " Die Titanic wurde von Profis erbaut... Die Arche Noah aber von 'nem Amateur. Verstehen Sie, was ich meine?" (Bernd Stromberg)

  • Ja wir stellen immer einstweilen ein.
    Wenn die Vollstreckung beendet und das Geld beim Verwalter ist, weise ich die Anträge zurück, bin deswegen noch nie aufgehoben worden

    Ok, wenn man das so sieht, ist es ja auch nur konsequent.

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  • Abgetreten wurden die pfändbaren Beträge, diese entsprechen denen der Einzelzwangsvollstreckung. Bei einer Einzelzwangsvollstreckung hätten die Beträge nunmehr dem Gläubiger zugestanden, es gibt in Zwangsvollstreckung keinerlei Rückzahlungsvorschriften für Gläubiger/Gläubigervertreter. Ist das Geld beim Drittschuldner nicht mehr vorhanden, ist der Schutz ausgeschlossen.
    Dies ist auch hier der Fall - das Geld ist beim Drittschuldner nicht mehr vorhanden. Es ist beim Insolvenzverwalter, der die Gläubiger mehr oder weniger vertritt.
    In meinen Augen wäre dies so, als wenn ich den Rechtsanwalt auffordere Geld zurückzuzahlen, da es noch auf seinem Anderkonto und noch nicht beim Gläubiger ist.


    Ich stimme daher der von rainer19652003 vertretenen Meinung nicht zu.

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    :daumenrau

  • Würdest du wirklich aus der Masse wieder auszahlen?

    Wie machst Du das denn im Fall von Schutzanträgen (§ 850f, 850k, 850i ZPO)? Wenn Du erst anhörst, kann es ja sein, dass die Beträge bereits an den Verwalter ausgezahlt werden. Stellst du also die Beschlagnahme einstweilen ein?

    ....


    Sollte man schon machen, wie sonst auch bei entsprechenden Anträgen in der Einzelzwangsvollstreckung.

  • Ist das Geld beim Drittschuldner nicht mehr vorhanden, ist der Schutz ausgeschlossen.

    Die Vollstreckung ist erst beendet, wenn der Gläubiger befriedigt ist.
    Ergibt sich z. B. aus § 819 ZPO.
    Mit der Auskehr des Erlöses ist die Zwangsvollstreckung beendet und der Gläubiger durch die Übereignung des Geldes kraft Hoheitsakt befriedigt.
    (BeckOK ZPO/Forbriger, 32. Ed. 1.3.2019, ZPO § 819 Rn. 8)

    M. E. kann dies auch auf die InsO umgesetzt werden.

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