Nachträgliche Berücksichtigung von Unterhaltsverpflichtung

  • Tut mir leid, aber den Einwand verstehe ich nicht. Könntest Du bitte etwas präzisieren.


    Gemeint ist wohl, dass bei einer Lohnzahlung der Gl. jeden Monat nur einen Teilbetrag erhält. Ehe er vollständig befriedigt ist, dauert es eine ganz Weile.

    Nach deiner Darstellung wäre aber erst dann die Zwangsvollstreckung abgeschlossen und bis dahin müsste der Gl. ggf. die erhaltenen Teilbeträge zurückzahlen.

  • Ist das Geld beim Drittschuldner nicht mehr vorhanden, ist der Schutz ausgeschlossen.

    Die Vollstreckung ist erst beendet, wenn der Gläubiger befriedigt ist.
    Ergibt sich z. B. aus § 819 ZPO.
    Mit der Auskehr des Erlöses ist die Zwangsvollstreckung beendet und der Gläubiger durch die Übereignung des Geldes kraft Hoheitsakt befriedigt.
    (BeckOK ZPO/Forbriger, 32. Ed. 1.3.2019, ZPO § 819 Rn. 8)

    M. E. kann dies auch auf die InsO umgesetzt werden.

    Noch bin ich voll bei Insulaner, halte aber diese Argumentation auch durchaus für Schlüssig.

    Hier wäre dann wohl zu prüfen, welche Funktion der Verwalter in dieser Konstellation einnimmt. Die Kohle wird ja zuerst für Gerichtskosten und Verwaltervergütung verwendet, dann erst - soweit noch was übber ist - an die Gläubiger ausgezahlt.

    Nimmt der Verwalter für die Gläubiger das Geld entgegen, dann dürfte dein Argument kippen. :gruebel:

    Der Verwalter kann hier m. E. auch nicht einfach zurückzahlen, hierfür bedarf es eines gerichtlichen Beschlusses. Also muss die Schuldnerin einen entsprechenden Antrag stellen. Solche Beschlüsse wirken m. E. niemals zurück, sondern nur ab Antragstellung (oder gar ab Rechtskraft?) Es sei denn, das Argument mit dem Zugang beim Gläubiger greift, dann wäre sicherlich auch ein rückwirkender Beschluss möglich.

  • Dem kann ich leider immer noch nicht folgen, du führst § 819 an, den Kommentar den du anführst habe ich jetzt nicht vorliegen.

    Jedoch:

    Dies stützt in meinen Augen meine Ansicht, in § 816 ZPO steht:

    Die Empfangnahme des Erlöses durch den Gerichtsvollzieher

    gilt als Zahlung von Seiten des Schuldners, sofern nicht dem Schuldner nachgelassen ist, durch Sicherheitsleistung oder durch Hinterlegung die Vollstreckung abzuwenden.

    Ich übersetze das mal: Hat das Geld den Drittschuldner verlassen,

    selbst wenn es noch nicht beim Gläubiger angekommen ist

    - ist die Vollstreckung durch Zahlung abgeschlossen.

    Hier darf man nicht vergessen, dass die Pfändung der wiederkehrenden Bezüge aus Arbeitseinkommen eine Pfändung mehrerer Geldforderungen durch einen Beschluss ist.

    Gepfändet wird nämlich durch den PfÜB bei wiederkehrenden Leistungen meiner Ansicht nach: der Anspruch gegen den Arbeitnehmer auf Ansprüche auf Lohn für den Monat März 2019, der Anspruch des Arbeitnehmers auf Lohn für den Monat April 2019 usw. (unterstellt: monatliche Bezahlung im Arbeitsvertrag geregelt)

    Und dann wird die Pfändung des Arbeitsentgeltes des Monates z.B. März durchgeführt, Freibeträge berücksichtigt und das Ergebnis der Märzpfändung als Erlös an den Gläubiger überwiesen. Die Pfändung des Anspruches des Schuldners, der gemäß Arbeitsvertrag monatlich bezahlt wird ist damit abgeschlossen. Die Pfändung des Anspruches auf das Monatsgehalt März ist dann durch Überweisung an den Drittschuldner beendet.

    Wenn ich also hier § 816 ZPO sehe und dies vergleiche sollte mit Überweisung des Arbeitgebers die Zahlung als bewirkt und die Pfändung als abgeschlossen angesehen werden. An die Stelle des Überbringers des Geldes (Gerichtsvollziehers) tritt bei der Forderungspfändung des Zahlungsrahmendienstvertragspartner (Bank).

    Daher ist in meinen Augen für die jeweiligen Monate die Zwangsvollstreckung nicht mehr änderbar, da die Pfändung der Ansprüche der jeweiligen Monate durch Drittschuldnerüberweisung abgeschlossen ist.

    Ich hoffe diese Ansicht ist nachvollziehbar, oder nicht?


  • Gucke Dir mal AG Norderstedt, Beschl. v. 2. 8. 2017 – 66 IN 119/10, Zinso 17,2189 an. Ich glaube, so meinte das Rainer.

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    " Die Titanic wurde von Profis erbaut... Die Arche Noah aber von 'nem Amateur. Verstehen Sie, was ich meine?" (Bernd Stromberg)

  • Danke Mosser, genau das habe ich gemeint, wobei die baldige Verteilung der Masse doch immer droht: :wechlach:

    Auch wenn entgegen der hier vertreten Ansicht dem AG Norderstedt insoweit gefolgt wird, als ein Antrag gem. § 850 i ZPO noch möglich ist, solange die entsprechenden Gelder noch beim Insolvenzverwalter liegen, ist ein frühzeitiger Antrag spätestens dann opportun, wenn die baldige Verteilung der Masse bevorsteht oder droht.
    (VIA 2017, 94, beck-online)


    Ob, wie der Insolvenzverwalter meint, mit der Zahlung eines Drittschuldners an den Insolvenzverwalter das „Vollstreckungsverfahren“ im Sinne dieser Literatur abgeschlossen sei und damit ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Freigabe nach § 850i ZPO
    fehle, scheint bisher in der Rechtsprechung nicht entschieden zu sein. Auch wenn man weiterhin eine schuldbefreiende Wirkung auf Seiten des Drittschuldners annimmt, befinden sich die Beträge ja im Gegensatz zum Einzelvollstreckungsverfahren noch beim Insolvenzverwalter als Zwischenstation in „greifbarer Sphäre“ und sind eben nicht schon an Gläubiger verteilt. Die Befriedigung der Gläubiger ist also noch nicht eingetreten. Aus dieser Sichtweise scheint also eine rückwirkende Freigabe durchaus möglich.
    Wären hingegen Beträge im Rahmen einer (z. B. Abschlags-)Verteilung schon an die Gläubiger ausgekehrt worden, würde man sicherlich von einem „abgeschlossenen Vollstreckungsverfahren“ im Sinne der Literatur ausgehen müssen. So liegt der Fall hier aber nicht.
    Zwar hat auch der BGH diesen (einzel-)vollstreckungsrechtlichen Grundsatz für ein Insolvenzverfahren bestätigt (BGH v. 14. 1. 2010 – IX ZA 42/09 ). Allerdings hat der BGH sich dort nicht näher mit diesem Grundsatz auseinandersetzen müssen, da dort der entsprechende Betrag an den Schuldner direkt ausgezahlt und von diesem verbraucht wurde. Wann Gläubiger im Rahmen eines Insolvenzverfahrens als befriedigt gelten und welche Rolle der Insolvenzverwalter hierbei einnimmt, hat der BGH gerade nicht klargestellt. Dies war in der dortigen Entscheidung auch nicht von Bedeutung.
    (ZVI 2017, 435, 437)

  • Dann halte uns auf dem Laufenden, falls es ein RM und eine konkrete Entscheidung dazu gibt.

    Ich halte es mit dem BGH und denke: Wer im ZV-Verfahren Pech hat, hat auch in der Inso Pech. Dem Schuldner -der aufgrund Restschuldbefreiung ohnehin schon seine Verbindlichkeit nicht komplett zahlen muss- noch einmal zusätzlich besser zu stellen, das kann in meinen Augen nicht Sinn der Sache sein. Dass der Gläubiger doppelt (1. erhält nicht die versprochene Leistung, mit Glück `nen paar % 2. aufgrund Inso-Bevorteilung hier gibt es weniger zu verteilen) in die Röhre schaut, auch nicht.

    Dem Gläubiger die Möglichkeit der Einzelvollstreckung durch die Insolvenz zu nehmen und dann die pfändbaren Beträge anders als bei der ihm genommenen Einzelvollstreckung zu seinem Nachteil zu bestimmen widerspricht meinem Rechtsgefühl.

    Eine andere Ansicht mag man durchaus vertreten, jedoch würde ich in diesem Fall nur der ständigen Rechtsprechung meines Beschwerdegerichts oder dem BGH folgen.

    Für mich käme eine für den Schuldner positive Beschlussfassung also nicht in Frage.

  • Warum sollte der Schuldner den Fehler des Drittschuldners ausbaden? Der Drittschuldner hat die Beträge verkehrt abgeführt.

    Muss er doch auch nicht. Der Schuldner kann sich ja an den Drittschuldner (Arbeitgeber) halten. U.U. hat er dann aber mit einzelvertraglichen bzw. tarifvertraglichen Verfallklauseln zu kämpfen.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Warum sollte der Schuldner den Fehler des Drittschuldners ausbaden? Der Drittschuldner hat die Beträge verkehrt abgeführt.

    Bei

    .... jedoch wenige Monate nach Antragstellung ihr Ehemann einkunftslos wurde. Die rechtzeitige Anzeige beim Drittschuldner bzw. IV habe sie „verschlafen“.....


    sehe ich den Fehler des Drittschuldners nicht.
    Zum Zeitpunkt der InsO-Eröffnung gewährte die Schuldnerin offenbar keiner Person Unterhalt. Nachdem sie sodann ihrem Mann Unterhalt gewährt, teilt sie das aber dem Drittschuldner nicht mit? Hat der Drittschuldner ne Kristallkugel, zum Wahrsagen oder woher soll er die erforderliche Information erhalten, dass sich der Betrag nach § 850c ZPO geändert hat?

  • Warum sollte der Schuldner den Fehler des Drittschuldners ausbaden? Der Drittschuldner hat die Beträge verkehrt abgeführt.

    Bei

    .... jedoch wenige Monate nach Antragstellung ihr Ehemann einkunftslos wurde. Die rechtzeitige Anzeige beim Drittschuldner bzw. IV habe sie „verschlafen“.....


    sehe ich den Fehler des Drittschuldners nicht.
    Zum Zeitpunkt der InsO-Eröffnung gewährte die Schuldnerin offenbar keiner Person Unterhalt. Nachdem sie sodann ihrem Mann Unterhalt gewährt, teilt sie das aber dem Drittschuldner nicht mit? Hat der Drittschuldner ne Kristallkugel, zum Wahrsagen oder woher soll er die erforderliche Information erhalten, dass sich der Betrag nach § 850c ZPO geändert hat?


    :daumenrau

  • Hier wurde übrigens vom LG beschlossen, dass ein Ehemann nicht berücksichtigt wird mit folgender Begründung (sinngemäß):

    "konnte die Schuldnerin nicht nachweisen, dass tatsächlich Unterhalt an den Ehemann geleistet wurde, dies ist für die Berücksichtigung des Ehemannes als Unterhaltsberechtigten jedoch notwendig.".


    Vor diesem Hintergrund würde ich mir den Fall ohnehin - falls ich der Idee rückwirkender Freigabe zustimmen würde (was ich weiterhin nicht tue)- sehr genau ansehen und Nachweise erfordern. Denn dass trotz fehlendem Freibetrag in der Vergangenheit Unterhalt seitens der insolventen Schuldnerin an Ihren Ehemann geleistet wurde ist wohl erst einmal nicht anzunehmen.


    zu # 30- keine fehlerhafte Abführung durch den Drittschuldner- da folge ich den Kollegen. Bleibe bei #29: Mit mir nicht.

  • Wer sonst als der Drittschuldner hat denn die Beträge verkehrt abgeführt? Wer hier Schuld hat oder nicht ist doch gar nicht die Ausgangsfrage.

    Laut Sachverhalt hat die Schuldnerin es versäumt, irgendwen über die U-Pflicht zu informieren. Von daher meine ich: Ihr Problem.

  • Warum sollte der Schuldner den Fehler des Drittschuldners ausbaden? Der Drittschuldner hat die Beträge verkehrt abgeführt.


    Wer sonst als der Drittschuldner hat denn die Beträge verkehrt abgeführt?


    Antwort:
    Der Drittschuldner hat die Beträge nach den Ihm vorliegenden Informationen korrekt abgeführt. Ein verkehrtes Abführen kann nur vorliegen, wenn die Informationen dem Drittschuldner vorlagen und dieser
    trotzdem den Mann nicht berücksichtigt hätte- nur in diesem Fall gäbe es meiner Ansicht nach ggf. einen Anspruch der Schuldnerin die fehlenden Beträge zu erhalten.


    Dies ist hier nicht so.


    Und genau da liegt ja auch der Hase im Pfeffer- hätte die Schuldnerin sofort reagiert und mitgeteilt: Ich gewähre meinem Mann ab diesem Monat Unterhalt und beantrage daher den pfandfreien Betrag zu korrigieren- dann wäre kein Problem aufgetreten, der Betrag im ersten Monat angepasst worden und fertig.

    Die Schuldnerin hat sich nicht geregt, sie hat dem Drittschuldner die Informationen nicht zukommen lassen, der Drittschuldner hat die Pfändung korrekt berechnet und abgeführt, die Zwangsvollstreckungen in die monatlichen Gehälter erfolgten nach den dem Drittschuldner vorliegenden Informationen. Die Schuldnerin hat die Nichtberücksichtigung des Ehemannes durch Untätigkeit verursacht und kann nun nur ab dem Zeitpunkt der Informationsgabe einen erhöhten Freibetrag erwarten. Denn besonders in der ZV muss schnell Rechtssicherheit herrschen, es kann nicht auf Dauer unklar bleiben wem welche Beträge zustehen.

    Zur Glaubwürdigkeit der Unterhaltsgewährung verweise ich nochmal auf #34- mit welchen Mitteln hätte diese erfolgen sollen?


  • Den Ausführungen schließe ich mich an.

  • Auf welcher Grundlage wurde der Ehemann eigentlich ursprünglich nicht berücksichtigt? Auf Zuruf? Eigentlich hätte es doch hier schon einen Beschluss geben müssen, oder sehe ich das falsch? Die Schuldnerin ist verheiratet, woraus der Arbeitgeber schließen muss, dass der Ehemann als U-Berechtigung zu berücksichtigen ist.

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