fiktive Mittellosigkeit

  • Hallo,
    mein Betreuter is fiktiv mittellos, da er zwar Landwirtschaftsflächen in einer Erbengemeinschaft besitzt, die Vergütung der Betreuerin jedoch trotzdem nicht aus dem Vermögen bezahlen könnte, da sich sein Girokonto jeden Monat auf +/- 0,00 EUR beläuft. Ich habe eine Mitteilung des Betreuten, dass er und die Erbengemeinschaft die Grundstücke nicht verkaufen wollen, da sie weiterhin die Pacht erhalten möchten.
    Muss die Betreuerin dann die Stundensätze für mittellos abrechnen oder kann sie vermögend abrechnen, dann würde ich den Betrag gegen das Vermögen d. Betreuten festsetzen, aber vorab aus der Staatskasse auszahlen?
    Danke schon mal

  • Kommt auf den Wert des Erbanteiles an:

    Übersteigt er die Grenze ist er vermögend - ein Hindernis aufgrund von "möchte ich gern behalten" besteht nicht, vermögend ist vermögend. Nur weil derzeit kein Geld verfügbar ist, ist er trotzdem als vermögend einzustufen, sofern der Erbanteil einen Wert über 5000 hat. Dieser kann verwertet werden - ein "wir hätten gern die Pachteinnahmen" ist kein Hindernis.

    Der Betreute hat eine Auseinandersetzungsanspruch aus § 2042 BGB (um aus dem Erbteil Geld zu machen) , ggf. ist dieser durchzusetzen- auch gerichtlich. Der Erbanteil kann an die anderen Erben verkauft werden, er kann beliehen werden- es kann ggf. auch auf die Pacht gewartete werden wenn diese zur Zahlung der Vergütung der Betreuerin ausreicht.

    Eine Zahlung aus der Staatskasse würde ich erst mal ausschließen, es sei denn -nach Aktenvorlage an diesen- mein Bezirksrevisor sagt was anderes, dem ich folgen kann.


    Sprich: Wert des Erbteiles hoch= Vermögend = gegen das Vermögen = keine Zahlung der Staatskasse
    Wert des Erbteiles unter 5000 = mittellos = aus der Staatskasse

  • Die Mittellosigkeit berechnet sich sowohl im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2 VBVG als auch im Anwendungsbereich von § 5 VBVG nach §§ 1908i, 1836d, 1836c BGB. Entweder der Erbteil ist verwertbares Vermögen nach § 90 Abs. 1SGB XII, dann zählt er mit, oder er ist derzeit nicht verwertbar, dann zählt er nicht mit. Aber Abrechnung gegen die Staatskasse nach Status vermögend geht m.E. nicht.

  • Soweit bei dem Thema, auf das frog verwiesen hat, jemand aus der BGH Entscheidung vom 6. Februar 2013 - XII ZB 582/12 gefolgert hat, man könne auch in einem Fall wie dem vorliegenden nach dem Status vermögend aus der Staatskasse zahlen, bin ich anderer Meinung. Der BGH sagt, dass bei § 1 Abs. 2 VBVG und § 5 VBVG die Mittellosigkeit zu verschiedenen Zeitpunkten festzustellen ist. Wenn also z.B. jemand 50.000 € im Betreuungszeitraum hatte, die er in der Zwischenzeit für irgendwas Sinnvolles und Erforderliches ausgegeben hat, so dass er zum Zeitpunkt der Vergütungsfestsetzung mittellos ist, wäre wohl nach dem Status vermögend aus der Staatskasse zu zahlen. Denn die Anwendung der §§ 1836d, 1836c BGB führt zu unterschiedlichen Zeitpunkten zu unterschiedlichen Ergebnissen. Das ist vorliegend nicht der Fall. Hier könnte es höchstens passieren, dass der Erbanteil im Vergütungszeitraum nicht verwertbar ist, zum Zeitpunkt der Vergütungsfestsetzung aber schon, weshalb dann nach dem Status mittellos gegen den Betreuten festzusetzen wäre.

  • Die Mittellosigkeit berechnet sich sowohl im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2 VBVG als auch im Anwendungsbereich von § 5 VBVG nach §§ 1908i, 1836d, 1836c BGB. Entweder der Erbteil ist verwertbares Vermögen nach § 90 Abs. 1SGB XII, dann zählt er mit, oder er ist derzeit nicht verwertbar, dann zählt er nicht mit. Aber Abrechnung gegen die Staatskasse nach Status vermögend geht m.E. nicht.

    Pauschal zu sagen, Status vermögend gegen die Staatskasse geht nicht, stimmt mE nicht.
    Es gibt sicher Konstellationen, bei denen das geht

  • Was wäre denn dann jetzt Dein Vorgehen, SiGi? Vermögend oder nicht? Der Erbanteil ist ja noch da.

    Grüßle vom jemand aus dem zitierten Thread

    "Ändere die Welt, sie braucht es." Brecht

    K. Schiller: "Genossen, lasst die Tassen im Schrank"


    "Zu sagen, man müsste was sagen, ist gut. Abwägen ist gut, es wagen ist besser." Lothar Zenetti

  • Ich habe vor einigen Jahren eine Akte "geerbt", in der meine Vorgängerin ein ähnliches Problem hatte:

    Betreuter ohne Barvermögen aber mit diversen Waldgrundstücken. Meine Vorgängerin hat gemeint, diese würden als Vermögen gelten und der Betroffene sei daher verpflichtet, den Betreuer selbst zu bezahlen. Der Betroffene trug vor, dass er gegen den Verkauf der Grundstücke sei, da er in den Wäldern ab und an Holz schlagen ließe. Dieses würde er benötigen um sein Haus zu beheizen (meines Wissens nach existierte aber auch eine "normale" Heizung). Die Kollegin fand das nicht sonderlich überzeugend (insbesondere da es mehrere Wälder waren, die den Schonbetrag erheblich überstiegen haben) und hat die Vergütung gegen das Vermögen festgesetzt. Die Betreuerin hat hiergegen Beschwerde eingelegt und das Landgericht hat in einer Entscheidung, die ich bis heute nicht so ganz verstehe, der Betreuerin recht gegeben. Im Kern haben die wohl mit § 90 Abs. 3 SGB XII argumentiert. Überzeugt mich jetzt zwar nicht wirklich, aber wenn das LG meint :nixweiss:.

    Was ich dir damit sagen will: wenn das Grundstück den Schonbetrag sprengt und keine Ausnahme wie § 90 Abs. 3 SGB XII vorliegt, musst du gegen das Vermögen festsetzen. Wird zwar etwas unangenehm für den Betreuer die Vergütung beizutreiben, aber das können wir auch nicht ändern. Argumente wie "ich will nicht verkaufen" würde ich nie gelten lassen. Ich würde mal behaupten, den meisten Betreuten fiele auch eine andere Verwendung für das Geld, das sie für die Betreuervergütung einsetzen müssen, ein. :teufel:

    Falls jemand unzufrieden ist, kann er es ja vom Landgericht überprüfen lassen.

  • @ felgentreu:
    Ich habe das Gefühl, dass ich Dir auf den Schlips getreten. bin Das tut mir leid. Ich wollte mit der Formulierung gerade ausdrücken, dass es mir darum ging, nur das Argument zu diskutieren. Es hat sich für mich nicht gut angefühlt, Dich mit deinem Profilnamen zu zitieren, obwohl Du an diesem Thread noch nicht teilgenommen hast.

    Meine Beiträge bezogen sich auf den letzten Teil der Ausgangsfrage. Ich denke, es ist auch legitim, nur mit einer Teillösung beizutragen.

    Aber ich will mich zum Thema Verwertbarkeit auch nicht um eine Antwort herummogeln.
    Das BSG hat in seinem Urteil vom 06. Dezember 2007 (– B 14/7b AS 46/06 R –, juris) ausgeführt, dass der Frage der Verwertbarkeit auch ein zeitliches Element innewohnt, und vorgeschlagen, einen Vermögensgegenstand nur dann als verwertbar zu betrachten, wenn er autonom vom Betroffenen innerhalb ca. eines halben Jahres zu Geld gemacht werden kann (sinngemäß zusammengefasst). Ich würde mir also zunächst erläutern lassen, ob der Verkauf des Erbanteils oder die Belastung eine Option sind. Wenn nein, würde ich davon ausgehen, dass die gerichtliche Durchsetzung des Erbauseinandersetzungsanspruchs wahrscheinlich mehr als ein halbes Jahr dauert. Dann würde ich für den vorliegenden Antrag die Vergütung aus der Staatskasse auszahlen. Außerdem würde ich deutlich machen, dass ich davon ausgehe, dass sich Betreuer und Betreuter auf das zeitliche Element nur berufen können, wenn sie nun auch Schritte zur Verwertung des Vermögensgegenstands unternehmen.

  • Alles gut und keine Sorge, Schlipse trage ich nur 1x im Jahr. :)

    Ich halte Deine vorgeschlagene Lösung für rechtlich sauber, gleichzeig pragmatisch und würde mich dieser gleich mal anschließen.
    (Was mich etwas stutzig zurücklässt: Lese ich es richtig, dass Du u.U. mit dem Status vermögend gegen die Staatskasse festsetzt?)

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    "Zu sagen, man müsste was sagen, ist gut. Abwägen ist gut, es wagen ist besser." Lothar Zenetti

  • Wenn der Betreute im Vergütungsmonat nicht mittellos war und im Festsetzungszeitpunkt mittellos, dann ja. So verstehe ich die Entscheidung des BGH vom 06.02.2013 jedenfalls. Dafür muss der Betreuer aber auch damit leben, dass z.B. Schmerzensgeld als Schonvermögen gem. § 90 Abs. 3 SGB XII nicht vergütungserhöhend wirkt.

  • Zur fiktiven Mittellosigkeit:


    [FONT=&amp]OLG Naumburg, Beschluss vom26.01.2011 - [FONT=&amp]2 Wx17/10[FONT=&amp] - [/FONT][FONT=&amp]FamRZ 2011, 1252[/FONT][FONT=&amp] -
    [/FONT]
    [FONT=&amp]Zum Vorliegen"Mittellosigkeit" auch beim Vorhandensein von Grundbesitz:[/FONT]
    BGH Beschluss vom 06.02.2013 - [FONT=&amp]XII ZB582/12[/FONT][FONT=&amp]
    OLG Frankfurt Beschluss vom 11.08.2008 - [/FONT][FONT=&amp]20 W211/08[/FONT][FONT=&amp] - (keine Zwangshypothek, wenn Grundstück nicht verwertet werden kann)[/FONT]
    [/FONT][/FONT]

  • Wenn der Betreute im Vergütungsmonat nicht mittellos war und im Festsetzungszeitpunkt mittellos, dann ja. So verstehe ich die Entscheidung des BGH vom 06.02.2013 jedenfalls. .......

    Genauso sehe ich das auch.

    und wenn später das Grundstück z.B. verwertet wurde, dann erfolgt ggf. Regress wegen der aus der Staatskasse gezahlten Beträge

    Sei nett zu Tieren, du könntest selbst eins sein. (Norbert Blüm)

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