Zurückweisung wegen Mutwilligkeit (mangelnde Erfolgsaussichten)?

  • Hallöchen,

    mir ist klar, dass ich bei der Beratungshilfe keine Erfolgsaussichten prüfe. Was macht ihr aber, wenn es offensichtlich nichts werden kann? Läuft das über Mutwilligkeit?

    Folgender Fall:
    Antragsteller möchte Beratungshilfe, weil ihm die Krankenversicherung gekündigt hat.

    Dadurch fällt jetzt auch das Krankengeld weg.

    Hintergrund ist der nicht lückenlose Nachweis der Arbeitsunfähigkeit (diese muss nachgewiesen werden, da das Beschäftigungsverhältnis beendet ist).
    Nun hätte er einen Monat Zeit für den Widerspruch gehabt. Sofern sein Brief nicht 2 Wochen oder länger unterwegs war, war die Frist schon bei Einreichung des Beratungshilfeantrags abgelaufen. Dieser liegt hier nun urlaubsbedingt auch schon wieder zwei Wochen. Die Frist ist schätzungsweise vor einem Monat abgelaufen.

    Hier ist ja eigentlich nichts mehr möglich. Ließe sich eine Zurückweisung über Mutwilligkeit begründen?
    (Mal davon abgesehen, gibt es hier m.E. auch kein Rechtsschutzbedürfnis. Mittlerweile bezieht der Antragsteller ALG II, ein evtl. vorhandener Krankengeldanspruch würde verrechnet werden. Er könnte sich bei einer anderen KV freiwillig versichern, das Jobcenter übernimmt die Kosten).

    Übersehe ich etwas? Ist hier irgendwo noch Raum für Beratungshilfe (meinetwegen unter Anpassung der Angelegenheit)?

  • Was ist mit einem Überprüfungsantrag?

    Ich sage nicht, dass hierfür BerH zu bewilligen wäre, aber bevor man einem Antragsteller/Betroffenen/Mandanten mitteilt, es sei nichts mehr möglich, sollte man sich schon sicher sein, dass wirklich gar überhaupt nichts mehr möglich ist.

  • Was ist mit einem Überprüfungsantrag?

    Ich sage nicht, dass hierfür BerH zu bewilligen wäre, aber bevor man einem Antragsteller/Betroffenen/Mandanten mitteilt, es sei nichts mehr möglich, sollte man sich schon sicher sein, dass wirklich gar überhaupt nichts mehr möglich ist.

    Korrekt. Hier könnte eventuell noch was über § 44 SGB X gehen. Eine andere Frage ist allerdings, ob die Staatskasse für diesen Überprüfungsantrag aufkommen muss. Wenn einfach nur die Frist verbummelt wurde, würde ich in aller Regel von Mutwilligkeit ausgehen. Zu dem Thema gibt es auch eine BVerfG Entscheidung (die müsste hier irgendwo auch in der Rechtssprechungssammlung sein).


  • Korrekt. Hier könnte eventuell noch was über § 44 SGB X gehen. Eine andere Frage ist allerdings, ob die Staatskasse für diesen Überprüfungsantrag aufkommen muss. Wenn einfach nur die Frist verbummelt wurde, würde ich in aller Regel von Mutwilligkeit ausgehen. Zu dem Thema gibt es auch eine BVerfG Entscheidung (die müsste hier irgendwo auch in der Rechtssprechungssammlung sein).

    Beschluss vom 19.08.2010, 1 BvR 465/10

    Es ist im Rahmen der Mutwilligkeit eben auch der Selbstzahlervergleich zu stellen: Würde ein verständiger Selbstzahler anwaltlichen Rat für einen Widerspruch bei längst abgelaufener Widerspruchsfrist in Anspruch nehmen - in Kenntnis des wirtschaftlichen Risikos?
    Da wir hier nicht von dem konkreten Antragsteller, sondern einem "verständigen" Selbstzahler auszugehen haben, würde ich diese Frage verneinen.

    Wer "A" sagt, muss nicht auch "B" sagen. Er kann auch feststellen, dass "A" falsch war oder es auch noch "C" gibt.

    Wir Zauberer wissen über sowas Bescheid!

  • Es ist ausgeschrieben, dass für Überprüfungsanträge keine BerH bewilligt wird. Wie auch sonst für Antragsverfahren. Für die darauf folgende Vertretung im Widerspruchsverfahren allerdings schon. Mir ist nur wichtig, dass der Antragsteller nicht mit "hier geht sowieso nichts mehr" entlassen wird.

  • Ich danke euch :)

    An einen Überprüfungsantrag habe ich nicht gedacht. Aber mir liegt das Fristversäumnis noch irgendwie quer :/
    Ich meine, wenn jemand mitgeteilt bekommt, dass er kein Krankengeld mehr bekommt und ihm die Versicherung gekündigt wurde, muss man von ihm erwarten können, dass er sich umgehend Hilfe sucht.

    Ich frage natürlich noch mal nach, ob und was er da selbst gemacht hat und warum die Frist nicht eingehalten wurde. (Hetzen muss ich ja nun auch nicht mehr, die Frist ist rum und er bekommt Geld von anderer Stelle. Nur um den Versicherungsschutz müsste man sich zeitnah bemühen.)

    Keine Sorge, Adora Belle, ich hätte ihm schon nicht geschrieben dass nichts mehr geht. Darum hab ich ja nachgefragt, ob ich was übersehe ;)


    Ich schicke die Leute ungern ohne Lösung weg. Meist gibt es ja noch irgendwas, auch wenn ich selbst nicht helfen kann.

  • Es ist ausgeschrieben, dass für Überprüfungsanträge keine BerH bewilligt wird. Wie auch sonst für Antragsverfahren. Für die darauf folgende Vertretung im Widerspruchsverfahren allerdings schon.

    Kann man beides nicht so pauschal sagen. Auch im Widerspruchsverfahren nach Anträgen gem. § 44 SGB X gibt es Fälle, in denen BerH bewilligt oder eben abgelehnt wird. Aber ich verstehe, worauf du hinauswillst, denn:

    Zitat

    Mir ist nur wichtig, dass der Antragsteller nicht mit "hier geht sowieso nichts mehr" entlassen wird.


    Da stehe ich voll auf deiner Seite.

    Wer "A" sagt, muss nicht auch "B" sagen. Er kann auch feststellen, dass "A" falsch war oder es auch noch "C" gibt.

    Wir Zauberer wissen über sowas Bescheid!

  • Kein vernünftiger Selbstzahler würde einen Rechtsanwalt damit beauftragen sich über ein offensichtlich unzulässiges Rechtsmittel beraten zu lassen bzw. dieses sogar noch durchzuführen. Bei einem solchen Sachverhalt ist der Antrag auf Beratungshilfe wegen Mutwilligkeit zurück zu weisen.

    "Auf hoher See und vor Gericht UND IN DER KLAUSUR ist man in Gottes Hand."
    Zitat Josef Dörndorfer

  • Das ist falsch. Wir haben regelmäßig Leute hier sitzen, sehr vernünftige, die sich zu ebendiesen Themen beraten lassen. Frist für Kündigungsschutzklage abgelaufen, Strafbefehl schon lange rechtskräftig... Es gibt aber gerade im Sozialrecht viele Möglichkeiten, auch unheilbare Sachen noch irgendwie zu heilen. Es gibt dafür berechtigterweise keine Beratungshilfe (weil der Weg über ein Antragsverfahren führt, nicht weil es unvernünftig wäre!), aber es ist einfach irreführend, zu behaupten, da könne man nichts mehr machen.

  • Das ist falsch. Wir haben regelmäßig Leute hier sitzen, sehr vernünftige, die sich zu ebendiesen Themen beraten lassen. Frist für Kündigungsschutzklage abgelaufen, Strafbefehl schon lange rechtskräftig... Es gibt aber gerade im Sozialrecht viele Möglichkeiten, auch unheilbare Sachen noch irgendwie zu heilen. Es gibt dafür berechtigterweise keine Beratungshilfe (weil der Weg über ein Antragsverfahren führt, nicht weil es unvernünftig wäre!), aber es ist einfach irreführend, zu behaupten, da könne man nichts mehr machen.

    Da hast du mich wohl falsch verstanden.

    Dass mich trotzdem noch etwas machen kann ist natürlich richtig. Nachdem sich aber die vorherigen Kommentare ausführlich damit befasst haben, bin ich nicht noch einmal darauf eingegangen. Man sollte als Gericht wohl zumindest insoweit Beratungshilfe gewähren, dass man auf diese andere Möglichkeit (z.B. § 44 SGB X) hinweist. Wegen der Beratung über das Rechtsmittel ist der Antrag natürlich zurückzuweisen.
    Wenn den Leuten noch nicht bewusst ist, dass ein Rechtsmittel offensichtlich unzulässig ist, kann man ja als Gericht Beratungshilfe gewähren, indem man das erklärt.

    "Auf hoher See und vor Gericht UND IN DER KLAUSUR ist man in Gottes Hand."
    Zitat Josef Dörndorfer

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