Erteilung einer Bescheinigung/ eines europ VT

  • Hallo:),

    Ich habe folgendes Problem:

    Es ist ein VU ergangen. Nach dem ersten Zustellversuch ist aufgefallen, dass der Beklagte garnicht mehr in Deutschland, sondern in Frankreich wohnt. Und zwar nach der Information des Einwohnermeldeamts bereits zum Zeitpunkt der Zustellung der Klageschrift nicht mehr.
    Trotz Zustellurkunde dürfte daher die Zustellung der Klage nicht wirksam gewesen sein.
    Das VU wurde dann an die neue Adresse des Beklagten zugestellt ( ohne Übersetzung; nach Aktenlage spricht der Beklagte nicht sehr gut deutsch ).
    Eine Einspruchsfrist wurde nicht bestimmt.
    Also enthält das VU eine ganz normale Rechtsmittelbelehrung.

    Nun meine Fragen:

    -Bei der Bescheinigung nach VO 1215/2012 habe ich das Problem mit der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks. Kann denn überhaupt eine Bescheinigung erteilt werden? und wenn ja wie trage ich das dann in das Formular ein?
    Denn dort wird die Angabe zwingend verlangt, wann das verfahrenseinleitende Schriftstück zugestellt wurde ( was ja eher dafür spricht, dass dann die Bescheinigung nicht erteilt werden kann ).

    -Beim europ VT habe ich das Problem in Art. 6 Abs. 1 d Spiegelstrich 2 der VO Nr. 805/2004. Denn es liegt ja eine unbestrittene Forderung i.S. d. Art. 3 Abs. 1 b vor.
    Um erteilen zu können darf es sich nicht um einen Verbrauchervertrag handeln, da der Beklagte, der Verbraucher ist, seinen Wohnsitz nicht hier hatte.
    Hier geht es um Schadensersatz wegen Vertragsverletzung ( Herausgabe einer Sache, die nicht herausgegeben wurde und daher neubeschafft werden musste, was auch so im Vertrag geregelt wurde ). Würdet ihr das unter Forderung aus einem Verbrauchervertrag subsumieren?
    Zudem sind Art. 13, 14 und 16, 17 nicht erfüllt, sodass eine Heilung nach Art. 18 zu prüfen ist.
    Das Versäumnisurteil ist zugestellt und auch rechtskräftig. Aber spielt es hierfür eine Rolle, dass keine Übersetzung oder Annahmeverweigerungsbelehrung beigefügt war und keine gesonderte Einspruchsfrist bestimmt wurde, sondern nur die normale Rechtsmittelbelehrung beigefügt war?

  • 1.
    Das Gericht geht von einer wirksamen Zustellung der Klageschrift aus, da ein Zustellungsnachweis vorliegt (Postbote hat offensichtlich eine Zustellung bescheinigt.
    Eine fehlerhafte Zustellung ist dem Gericht nicht nachgewiesen (tatsächlicher Wohnsitz der Schuldnerpartei in Deutschland?);
    desweiteren könnte ein Zustellungsmangel geheilt worden sein.

    Daher muss die Schuldnerpartei insoweit die Unwirksamkeit der Zustellung einwenden.

    2.
    Gem. §§ 339 II, 495 ZPO beträgt die Einspruchsfrist 1 Monat, da die Zustellung im EU-Ausland erfolgt und vom Gericht keine längere Frist bestimmt worden ist.

    Die Einspruchsfrist ist daher in der Rechtsmittelbelehrung entsprechend zu berichtige.
    Notfalls ist das VU mit berichtigter Rechtsmittelbelehrung erneut an die Schuldnerpartei in Frankreich zuzustellen.

    Die Zustellung an die Schuldnerpartei kann in Frankreich wie folgt erfolgen:
    a) unmittelbar durch die Post mit Einschreiben gegen Rückschein - international - (Art. 14 EuZustVO),
    oder
    b) auf dem Rechtshilfeweg mittels Zustellungsantrags an die französische Empfangsstelle (= französischer Gerichtsvollzieher).

    Im Falle der unmittelbaren Postzustellung ist das Belehrungsformblatt II EuZustVO beizufügen.

    Das Formular (F.7) befindet sich im Europäischen Justizportal:
    https://e-justice.europa.eu/content_servin…forms-269-de.do

    Bei Zustellung auf dem Rechtshilfeweg erfolgt die Belehrung des Zustellungsempfängers über sein Annahmeverweigerungsrecht aufgrund der verwendeten Sprache durch den französischen Gerichtsvollzieher.

    Die Europäische Zustellungsverordnung (EU-Verordnung Nr. 1393/2007 (EuZustVO) verlangt nicht
    zwingend die Beifügung von Übersetzungen der zuzustellenden Schriftstücke.
    Falls keine Übersetzungen beigefügt sind, hat der Zustellungsempfänger ein Annahmeverweigerungsrecht aufgrund der verwendeten Sprache, Art. 8 EuZustVO.

    3.
    Das Versäumnisurteil kann nicht als Europäischer Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen bestätigt werden, da die Schuldnerpartei ein Verbraucher ist und ihren Wohnsitz in Frankreich hat.

    5 Mal editiert, zuletzt von rolli (5. November 2019 um 10:16)

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