• Eine neues Betriebsgebäude ist auf ein Nachbargrundstück mit Zustimmung des Eigentümers überbaut worden.
    Jetzt soll eine Grunddienstbarkeit (Duldung eines Überbaus) auf dem Nachbargrundstück eingetragen werden.
    Eigentlich ist ja § 912 BGB die gesetzliche Folge - oder gilt § 912 BGB in diesem Fall nicht? Eine Eintragung dürfte aber dennoch möglich sein.
    Es soll aber auch auf dem herrschenden Grundstück eine wertgesicherte Reallast (Überbaurente) zugunsten des überbauten Grundstücks und eine Vormerkung
    zur Eintragung einer weiteren wertgesicherten Reallast eingetragen werden.
    Der Notar meint, dass es sich hier nicht um einen Fall des § 914 II 1 BGB handelt.
    Es ist eine schuldrechtliche Vereinbarung getroffen worden, die eintragungsfähig ist.
    Wer kann mir helfen?

  • Zunächst ist die Frage, ob durch eine nachträglich bestellte Grunddienstbarkeit die eigentumsmäßige Zuordnung des neues Betriebsgebäude auf dem Nachbargrundstück herbeigeführt werden kann. Zur Problematik siehe hier:
    https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…l=1#post1052105

    Zum Überbau mit einer Tiefgarage führt das Gutachten des DNotI im DNotI-Report 7/2009, 49/50 aus:
    https://www.dnoti.de/fileadmin/user…ort-2009-07.pdf

    „Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Überbaudienstbarkeit vor Baubeginn bereits bestellt und im Grundbuch eingetragen ist, nach h. M. auch bei formgerechter (§ 29 GBO) Bestellung und Antragsstellung beim Grundbuchamt vor Baubeginn (OLG Schleswig BauR 2006, 358 = WM 2005, 1909 = ZfIR 2006, 41 m. Anm. Witter; Palandt/Ellenberger, BGB, 68. Aufl. 2009, § 95 BGB Rn. 5; a. A. OLG Koblenz ZfIR 2007, 292), nach noch weitergehender Ansicht auch, wenn die Dienstbarkeit erst nachträglich bestellt wird (Hertel, MittBayNot 2006, 321, 323 f.; Kesseler, ZNotP 2006, 251, 254; Wicke, DNotZ 2006, 259)“

    Die zweite Frage ist, ob Vereinbarungen über die Höhe der Überbaurente eintragungsfähig sind.

    Das Rentenrecht selbst ist zwar nach § 914 Abs. 2 Satz 1 BGB dem Grundsatz nach nicht eintragungsfähig (s. dazu auch die in der Abhandlung von Kesseler, „Überbau und Notweg in der aktuellen Rechtsprechung des BGH“, ZfIR 2015, 1 ff. (3/4) unter Punkt 4.2.3 genannte Historie)
    https://www.juris.de/perma?d=jzs-ZFIR-2015-01-0001-1-A-01

    Allerdings werden Vereinbarungen über die Höhe der Überbaurente für eintragungsfähig bzw. eintragungsbedürftig gehalten.

    Bereits in der bei Kesseler in Fußnote 19 genannten Denkschrift heißt es: „Eine vertragsmäßige Feststellung der Höhe wirkt an sich nur unter den am Vertrage Betheiligten. Wirksamkeit gegen den künftigen Erwerber eines Rechtes an einem der beiden Grundstücke kann sie nur durch Eintragung erlangen (§ 898 Abs. 2 Satz 2).“

    Daher wird wohl allgemein die Eintragungsfähigkeit bejaht (s. dazu etwa Ring in Ring/Grziwotz/Keukenschrijver, BGB | Sachenrecht, 4. Auflage 2016 § 914 RN 17 mwN).

    Für die Wertsicherung kommt es darauf an, welche Grundlage sie hat (Lebenshaltungskostenindex ?). Für sie gilt die Regelung des § 8 PrKG, wonach vereinbarte Wertsicherungsklauseln bis zum Zeitpunkt einer gerichtlichen Feststellung schwebend wirksam sind (s. BGH 12. Zivilsenat, Urteil vom 13.11.2013, XII ZR 142/12).

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Vielen Dank für die Ausführungen.

    Hier stellt sich die Frage, ob §§ 912 ff. BGB überhaupt Anwendung finden.
    Es handelt sich hier um einen entschuldigten Überbau.
    Gem. Gutachten des DNotI vom Oktober 2014, DNotI-Report 20/2014, Seite 153 - 155
    und Palandt, BGB, 75. Aufl., RdNr. 2 zu 912 handelt es sich bei einem entschuldigten Überbau
    um keinen i.S.v. § 912 BGB. Somit findet auch § 914 BGB keine Anwendung.
    Daher dürfte eigentlich die Eintragung der Grunddienstbarkeit und der Reallast (nebst Vormerkung)
    nichts im Wege stehen.

  • Stimmt. Bei der dinglichen Zuordnung des Baukörpers zu einem der überbauten Grundstücke und möglichen Ausgleichsansprüchen wird aber das bei § 912 BGB entwickelten Rechtsfolgensystems analog angewendet (s. Vollkommer im beck-online.GROSSKOMMENTAR, Stand: 01.06.2019, § 912 BGB RN 70 mwN in Fußn. 149). Die Parteien der Duldungsvereinbarung haben es in der Hand, das Eigentum am Überbau zugunsten des Eigentümers des Stammgrundstücks durch eine Grunddienstbarkeit nach §§ 1018, 95 Abs. 1 S. 2 zu sichern (Fritzsche im BeckOK BGB, Stand 01.05.2019, § 912 RN 28 mwN). Fehlt eine ausdrückliche Entschädigungsregelung, wird § 912 Abs. 2 BGB angewendet, wenn die Auslegung der Duldungsvereinbarung keinen Verzicht auf eine Entschädigung ergibt (BeckOK/Fritsche, RN 80 unter Zitat RGZ 74, 87 [90]; OLG Frankfurt MDR 1980, 229). Insofern gibt es also schon eine Verweisung.

    Ich sehe aber auch keine Eintragungshindernisse.

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