Eigenkapitalersatz verkehrt herum!

  • Ich habe hier leider einen etwas verworrenen Sachverhalt, bei dem sich mir die Frage stellt, ob die Verkäuferin / Vorbehaltseigentümerin im Hinblick auf §§ 129 ff. InsO tatsächlich berechtigt ist, von ihrem Eigentumsvorbehalt Gebrauch zu machen. Meine Bauchschmerzen begründen sich durch die Personenidentität der Mehrheitsgesellschafter. Irgendwie geistert auch § 135 InsO durch mein Hirn. Die Puzzleteile wollen aber noch nicht an ihre richtige Stelle.

    Verkäuferin / Vorbehaltseigentümerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, nachfolgend "V-GmbH", über deren Vermögen am 15. Juli 2019 ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Vorausgegangen war ab Ende Mai 2019 eine vorläufige Verwaltung.

    Vorbehaltskäuferin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (nachfolgend "K-GbR"), die am 02. Juli 2019 einen Insolvenzantrag gestellt hat.

    Die K-GbR hat im Jahr 2016 unter Eigentumsvorbehalt von der V-GmbH verschiedenes Anlagevermögen gekauft. Vereinbart wurde, dass die Käuferin bis in das Jahr 2020 den Kaufpreis in monatlichen Raten bezahlt. Die K-GbR hat die letzte Zahlung für April 2019 vorgenommen. Das ist auch der Zeitpunkt, in dem sie die Zahlungen gegenüber alle ihren Gläubigern eingestellt hat. Vorher gab es, weil der Gesellschafter die K-GbR extrem stützte, weder gegenüber der V-GmbH, noch gegenüber den anderen Gläubigern Zahlungsschwierigkeiten.

    Der Gesellschafter (der K-GbR) erklärte am 02. Juli 2019 gegenüber dem Insolvenzverwalter der V-GmbH (man gucke und staune, das Insolvenzverfahren wurde erst später eröffnet), dass die K-GbR zu weiteren Zahlungen nicht mehr in der Lage sei. Gleichzeitig wurde vereinbart, dass der Kaufvertrag aus dem Jahr 2016 aufgehoben wird, so dass nunmehr nach dem Parteiwillen wieder die V-GmbH Eigentümerin der Geschäftsausstattung ist. Alternativ hätte sich die V-GmbH in dem Fall, dass diese Vereinbarung nicht zu Stande gekommen wäre, auch so auf ihren Eigentumsvorbehalt berufen.

    Interessant dürfte das Ganze deshalb sein, weil das Anlagevermögen in beiden Verfahren der einzige werthaltige Vermögensgegenstand ist.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Oh, das klingt wirklich interessant. Eine Nachfrage aber noch von meiner Seite aus, der Gesellschafter der die K GbR unterstützte ist auch der Mehrheitsgesellschafter Geschäftsführer der V GmbH? Zudem wäre aus meiner Sicht noch wichtig zu wissen, zumindest für §§ 129, 133 InsO, ab wann die Gesellschaften denn zahlungsunfähig waren. Da allerdings der Gesellschafter die K GbR laufend liquide hielt, wird wohl auf Seiten der GbR keine ZU vorgelegen haben. Somit dürften die Zahlungen der GbR an die GmbH nicht anfechtbar sein.

    § 135 InsO passt für mich auch nicht richtig, da ja höchstens der K über die GbR (sofern man da irgendwie eine Verknüpfung hinbekommt) als Gesellschafter der GmbH irgendwie über die GbR dort Vermögen eingebracht hat. Die GmbH hat aber ihr Eigentum wieder zurückbekommen, K hat weder eine Befriedigung noch eine Sicherung erhalten, insofern sehe ich da keinen Angriffspunkt.

  • So richtig verstehe ich Deine Zielrichtung nicht:

    Für einen Anspruch aus § 135 InsO kommt doch nur der Mehrheitsgesellschafter der GmbH in Betracht, da bei der GbR wegen § 39 Abs. 4 InsO der "Eigenkapitalersatz" nicht greift. Dieser Mehrheitsgesellschafter haftet aber doch bei der GbR ohnehin in voller Höhe persönlich für deren Verbindlichkeiten, so dass er wohl ebenfalls in die Insolvenz rutschen wird. Damit scheidet er als Anspruchsgegner sinnvollerweise aus.

    Die GmbH wiederum ist keine Gesellschafterin der GbR, so dass ich auch hier keine Möglichkeit sehe, das Anlagevermögen "zurückzuholen". Die GbR hat keine Erfüllung nach § 107 Abs. 1 InsO gewählt, sondern der Vertrag wurde "aufgehoben". Auch hier fehlt mir die Fantasie, einen Anspruch zu kreieren.

    Die Zahlung der Kaufpreisraten der GbR könnte - wenn überhaupt, wie Sonnenerz darlegt - nur gegenüber der insolventen GmbH anfechtbar sein. Das führt ebenso wie die Rückabwicklung des Kaufvertrages nur zu einer Insolvenzforderung im GmbH-Verfahren, mit der Du auch nicht viel wirst anfangen können.

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

  • Ich hatte vor vielen Jahren mal einen Fall einer GmbH & Co KG, wo es am Ende so war, dass der Insolvenzverwalter der persönlich haftenden Gesellschafterin (GmbH) dem Insolvenzverwalter der Kommanditgesellschaft hinsichtlich seiner Ansprüche auf Mietzinszahlung eine eigenkapitalersetzende Nutzungsüberlassung entgegen gehalten hat. (Die Begründung hierzu lies sich jedenfalls hören.) Da der Kollege keine Lust hatte, seine Ansprüche bis zum Bundesgerichtshof zu tragen, haben sich beide Verwalter am Ende verglichen. Dieser Fall geisterte mir irgendwie im Kopf herum.

    Insolvenzforderungen wohl nur, wenn die Gegenstände nicht mehr vorhanden sind. Da sich diese aber noch in der Insolvenzmasse der GmbH befinden und auch einigen Wert haben, könnte man dem Problem vielleicht mit Absonderungsrechten beikommen.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Für einen Anspruch aus § 135 InsO kommt doch nur der Mehrheitsgesellschafter der GmbH in Betracht, da bei der GbR wegen § 39 Abs. 4 InsO der "Eigenkapitalersatz" nicht greift.

    Vielleicht versteift man sich hier zusehr auf "Eigenkapitalersatz".

    Was ist die Problematik: Die Aufhebung des KV, wobei die Forderung der GbR auf Erstattung des gezahlten KP auf eine Insolvenzquote reduziert wird. Auf die Einordnung des Anspruchs nach § 38 oder § 39 InsO will ich mal an dieser Stelle verzichten.

    Es stellt sich ja schon einmal die Frage, ob der IV der GmbH überhaupt noch ein Wahlrecht nach § 107 I InsO hat. Die "Todmachung" des KV hingegen stellt doch einmal einen schönen § 132 InsO dar, den man sonst in der Praxis nicht hat.

    Und wegen "Eigenkapitalersatz": der geht ja nicht nur in die vertikale Richtung, sondern auch horizontal, vergl. IX ZR 32/12. Man im Endeffekt spielt man hier über Bande.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)


  • Die Zahlung der Kaufpreisraten der GbR könnte - wenn überhaupt, wie Sonnenerz darlegt - nur gegenüber der insolventen GmbH anfechtbar sein. Das führt ebenso wie die Rückabwicklung des Kaufvertrages nur zu einer Insolvenzforderung im GmbH-Verfahren, mit der Du auch nicht viel wirst anfangen können.

    Ich sehe das genauso; Insolvenzforderung.

  • Den Einwand von LFdC weitergedacht hieße hier: Anfechtung des Aufhebungsvertrages zwischen GmbH-IV und GbR, aber was hat denn die GbR aus ihrem Vermögen "veräußert, weggegeben oder aufgegeben"? Allenfalls ihr Anwartschaftsrecht, kein Eigentum, also auch keine Aus- oder Absonderung. Die GmbH war aufgrund des Eigentumsvorbehaltes nach wie vor Eigentümerin, so dass eine Einigung im Aufhebungsvertrag darüber ("Jetzt ist die GmbH wieder Eigentümerin.") keine Rechtsänderung bedeutet. Tatsächlich hat die GbR im Aufhebungsvertrag lediglich auf die Rückzahlung der Kaufpreisraten verzichtet, wobei sie sich ggf. Nutzungsvorteile und Wertverlust des Anlagevermögens hätte anrechnen lassen müssen.

    Ist die Aufhebung eines Vertrages anfechtbar, führt dies nach § 143 Abs. 1 InsO dazu, dass der ursprüngliche Vertragszustand wiederherzustellen ist. Damit bestünde wieder das Anwartschaftsrecht der GbR und der GbR-Verwalter könnte noch durch Zahlung des Restkaufpreises erfüllen. Wir sind also wieder bei § 107 InsO, im GmbH-Verfahren nach Abs. 1 und im GbR-Verfahren nach Abs. 2. Die GbR-Masse reicht nicht zur Zahlung, so dass ich im Ergebnis allenfalls zu einer Insolvenzforderung der GbR-Masse im GmbH-Verfahren in Höhe der gezahlten Kaufpreisraten abzgl. Nutzungsvorteile & Wertverlust komme. Auch das bringt dem GbR-Verwalter herzlich wenig.

    Einen Weg, an das Anlagevermögen selbst heranzukommen, sehe ich für den GbR-Verwalter nicht.

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

  • Dann müsste der GbR-Verwalter im Falle der Werthaltigkeit des Anlagevermögens über einen Massekredit nachdenken. Es wäre misslich, wenn man lediglich 20.000,00 EUR zahlen müsste, jedoch dafür Gegenstände, die man für 50.000,00 EUR verkaufen kann, sausen lässt.

    Bevor man es darauf beruhen lässt und den KP nur zur Tabelle der GmbH anmeldet, wo er dann wahrscheinlich als § 39 InsO - Forderung verschwinden wird, würde ich prüfen, ob man dadurch einen Haftungstatbestand verwirklicht, vergl. BGH vom 16.03.2017, IX ZR 253/15.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Ich hole das Thema nochmals hoch und hoffe, dass Ihr mich ob meines schnöden Abgangs :oops: bei der letzten Frage hier nicht im Stich lasst.

    Die atypische Konstellation lautet dieses mal wie folgt:

    Gesellschafterin einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (Schuldnerin) ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, diese bestehend aus den Gesellschaftern A und B.

    A und B haben sich jeweils in personam gegenüber einem Dritten für Verbindlichkeiten der Schuldnerin verbürgt. Aufgrund dessen, dass die Verbindlichkeiten des Dritten im Rahmen der Verwertung und Absonderung von Schuldnervermögen getilgt wurden, sind A und B von ihren Bürgschaftsverpflichtungen teilweise frei geworden.

    Sind A und B im Rahmen des § 135 InsO der Gesellschafterin gleichgestellt?

    (Rechtsprechung findet sich leider nur zur umgedrehten personellen Konstellation.)

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!