Europäischer Vollstreckungstitel 1215/12 - Vergütungsfestsetzungsbeschluss

  • Im Zivilverfahren beantragt der Bekl.V. gegen seinen in Polen wohnenden Mandanten einen Vergütungsfestsetzungsbeschluss gem. § 11 RVG. Zugleich soll dieser als europ. Vollstreckungstitel ausgestellt werden.

    Ist die möglich bzw. was muss ich hier prüfen?

  • Ich zitiere mal rolli:


    Allein aufgrund 9. sollte es vorliegend nicht möglich sein, aber im Hinterkopf hab ich, dass noch mehr dagegen spricht.

  • Da es sich bei dem Vergütungsfestsetzungsbeschluss offensichtlich um eine Säumnisentscheidung handelt, die Schuldnerpartei ein Verbraucher ist und ihren Wohnsitz nicht in Deutschland hat, kann der Vergütungsfestsetzungsbeschluss nicht als Europäischer Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen bestätigt werden.

    Weitere Einzelheiten können der entsprechenden Info im Justizportal NRW
    https://www.justiz.nrw/BS/rechtimausland/infos/zv/index.php zum Europäischen Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen entnommen werden:
    https://www.justiz.nrw/BS/rechtimausl…zv/1/euvtvo.pdf

  • 1.
    Stattdessen ist auf Antrag des Gläubigerpartei eine Bescheinigung (Formblatt I EuGVO (EU-Verordnung Nr. 1215/2012 (Brüssel Ia-Verordnung) zu erteilen.

    Die Verfahrenseinleitung (Klageerhebung/Beantragung des Mahnbescheids muss nach dem 09.01.2015 erfolgt sein.

    Zweckmäßigerweise wird die Bescheinigung mittels dynamischen Formulars online im Europäischen Justizportal erteilt
    Das Formular befindet sich in allen Amtssprachen der EU-Mitgliedstaaten im Europäischen Justizportal:
    https://e-justice.europa.eu/content_...orms-273-de.do;

    es wird insoweit der Vordruck in polnischer Sprache verwandt;
    die Eintragungen können in deutscher Sprache erfolgen.

    Vor Erteilung der Bescheinigung wird die Schuldnerpartei nicht angehört;
    eine Ausfertigung der Bescheinigung wird der Schuldnerpartei von Amts wegen zugestellt, § 1111 I S. 2 ZPO.

    Eine Übersetzung der Eintragungen im Vordruck ist nur bei ergänzenden Eintragungen erforderlich;
    die Beauftragung des Übersetzungsbüros erfolgt nicht durch das Gericht, sondern durch die Gläubigerpartei.
    Ob letztlich eine Übersetzung benötigt wird, entscheidet das Vollstreckungsorgan in Polen.

    Weitere Einzelheiten können der entsprechenden Info im Justizportal NRW https://www.justiz.nrw.de/BS/rechtim...s/zv/index.php zur Brüssel Ia-Verordnung entnommen werden:
    https://www.justiz.nrw/BS/rechtimaus...v/1/eugvvo.pdf

    Mit der begehrten Bescheinigung nach Art. 53 EuGVVO (EU-Verordnung Nr. 1215/2012 (Büssel Ia-Veordnung) kann die Gläubigerpartei unmittelbar die Zwangsvollstreckung aus dem deutschen Schuldtitel im EU-Ausland betreiben.

    Die Bescheinigung (Formlatt I EugVVO) entspricht funktional der Vollstreckungsklausel. Diese gibt Titelinhalt in standardisierter Form wieder und bescheinigt die unionsweit geltende Vollstreckbakeit des Vollstreckungstitels. Die Bescheinigung ist vom Rechtspfleger zu erteilen, da mit der Bescheinigung unmittelbar aus dem deutschen Schuldtitel im EU-Ausland vollstreckt werden kann, § 20 Zi. 11 RpflG.

    Die Bescheinigung wird ohne Anhörung der Schuldnerpartei erteilt;
    eine Ausfertigung der Bescheinigung wird der Schuldnerpartei von Amts wegen zugestellt, § 1111 I S. 2 ZPO.

    2.
    Folgende Voraussetzungen müssen für die Erteilung der vorgenannten Bescheinigung vorliegen:

    2.1
    Es muss ein Antrag der Gläubigerpartei auf Erteilung der Bescheinigung vorliegen.

    2.2
    Das gerichtliche Verfahren muss nach dem 09.012015 eingeleitet worden sein (Klageerhebung oder Beantragung des Mahnbescheids nach dem 09.01.2015).

    2.3
    Es muss sich um eine Zivil- oder Handelssache im Sinne des Art. 1 EuGVVO handeln.

    2.4
    Die Schuldnerpartei muss im EU-Ausland ihren Rechtssitz oder Wohnsitz haben.

    2.5
    Die Entscheidung ist eine Entscheidung im Sinne des Art. 2 EuGVVO.

    2.6
    Der Schuldtitel muss (vorläufig) vollstreckbar und von keiner Bedingung abhängig sein oder die Bedingung muss bereit eingetreten sein. (Entscheidung muss bedingungslos vollstreckbar sein).

  • Die Belehrung der Schuldnerpartei zu der Bescheinigung (Formblatt I EuGVVO (EU-Verordnung Nr. 1215/2012 (EuGVVO)) zu einer gerichtlichen Entscheidung des Amtsgerichts könnte sinngemäß wie folgt lauten (Formulierungsvorschlag):

    Anliegend werden Ihnen eine beglaubigte Abschrift des Antrags der Gläubigerpartei und eine Ausfertigung der Bescheinigung (Formblatt I Brüssel Ia-Verordnung (EU-Verordnung Nr. 1215/212 (EuGVVO) zugestellt.

    Gem. §§ 1111 II, 732 ZPO können Sie die Bescheinigung mit der Erinnerung anfechten.
    Die Erinnerung ist unbefristet, soll begründet werden und ist in deutscher Sprache bei dem Amtsgericht Musterstadt, Jovelstr. 1, 00000 Musterstadt einzulegen.

    Soweit der Bescheinigung eine titelergänzende oder titelübertragende Funktion zukommt, können Sie auch gem. § 768 ZPO Klage gegen die Erteilung der Bescheinigung erheben, sofern der Bedingungseintritt bzw. die Rechtsnachfolge bestritten wird.
    Die Klauselgegenklage (§ 768 ZPO) ist bei dem Amtsgericht Musterstadt, Jovelstr. 1, 00000 Musterstadt zu erheben.

  • Der Gerichtsvollzieher/Das Vollstreckungsgericht in Poen prüft lediglich, ob die nach Art. 42 I EuGVVO erforderlichen Unterlagen vollständig vorgelegt wurden.

    Für die grenzüberschreitende Zwangsvollstreckung hat die Gläubigerpartei dem Gerichtsvollzieher/dem Vollstreckungsgericht in Polen folgende Unterlagen vorzulegen:


    • (vollstreckbare) Ausfertigung des Vergütungsfestsetzungsbeschlusses,

    • Zustellungsbescheinigung zu dem vorgenannten Schuldtitel,

    • Ausfertigung der Bescheinigung (Formblatt I EuGVVO),

    • Zustellungsnachweis zu der vorgenannten Bescheinigung
      (Formblatt I EuGVVO),

    • aktuelle Forderungsaufstellung,

    • ggfs. Übersetzung der Unterlagen in polnischer Sprache.


    Die Vorlage des Schuldtitels in Ausfertigung reicht im Regelfall aus.

    Ob trotz der Vorlage der gerichtlichen Bescheinigung (Formblatt I EuGVVO) die Vorlage der vollstreckbaren Ausfertigung des Schuldtitels erforderlich ist, hängt davon ab, ob der polnische Gesetzgeber auf die Vorlage einer vollstreckbaren Ausfertigung des Schuldtitels verzichtet hat (Parallelbestimmung zu § 1112 ZPO in Polen?).

    Art. 43 III EuGVVO entbindet die Gläubigerpartei von dem Erfordernis der Zustellung und Übersetzung
    a) des Schuldtitels
    und
    b) der Bescheinigung (Formblatt I EuGVVO),
    soweit nur die Sicherungsvollstreckung (Pfändung) begehrt wird.

    Die Gläubigerpartei hat dafür Sorge zu tragen, dass das polnische Vollstreckungsorgan die Zinsberechnung vornehmen kann und sollte daher entsprechende Unterlagen (Berechnungsgrundlagen) vorlegen.

    Die veränderte Bezugsgröße für den Basiszinssatz nach § 247 BGB wird halbjährlich (zum 01.01. und 01.07. eines jeden Jahres) festgelegt und durch die Bekanntmachung der Deutschen Bundesbank im Bundesanzeiger veröffentlicht.

    Die Bescheinigung (Formblatt I EuGVVO) muss innerhalb einer angemessenen Frist vor der Vollstreckung zugestellt werden,
    Erwägungsgrund 32, Art. 43 EuGVVO

    Eine Zustellung gleichzeitig mit der Vornahme der ersten Vollstreckungsmaßnahme ist - anders als in § 750 ZPO - nicht möglich.

    Hierdurch sollsichergestellt werden, dass die Schuldnerpartei vor Beginn der Zwangsvollstreckung genügend Zeit für die Entscheidung hat, ob sie sich


    • im Ursprungsstaat (Deutschland) gegen die Entscheidung

    oder


    • im Vollstreckungsstaat (Polen) gem. Art. 46 oder 44 EuGVVO gegen die Vollstreckung

    zur Wehr setzen will.

    Art. 43 III EuGVVO ist eine Sondervorschrift zum Schutz der Gläubigerpartei hinsichtlich des Zustellungserfordernisses nach Art. 43 I EuGVVO,
    es entbindet die Gläubigerpartei von den Erfordernissen der Zustellung und Übersetzung, soweit nur Sicherungsmaßnahmen (= Pfändung) ergriffen werden.

  • Hallo, ich habe eine vielleicht blöde Frage, aber ich habe gerade so meine Probleme mit einer beantragten Bescheinigung als Europ. Vollstreckungstitel.

    Und zwar sind die ausgeurteilten Zinsen im Titel (Versäumnisurteil) so aufgesplittet ( 9% Punkte über dem Basiszinnsatz der EZB auf ... € seit ... bis ...; auf ... € seit dem ... und auf weitere ...€ seit dem...), dass dies nicht in den Vordruck passt.
    Der Antragsteller übernimmt die Übersetzungskosten und hat bereits einen Vorschuss dafür bezahlt.
    Ich weiß nur nicht, wie ich das umsetzen soll. Wenn ich eine Anlage benutze, muss in den Vordruck am entsprechenden Platz ja "siehe Anlage" rein. Aber das müsste ja auch wieder übersetzt werden, oder lass ich mir das schnell bei translate.google.com übersetzen. Ich wollte nämlich wirklich nur die Anlage zum Übersetzungsbüro schicken und den Vordruck bereits in der entsprechenden Sprache ausdrucken (polnisch).

    Hat schon mal jemand dieses Problem gehabt und wie hat er es gelöst?

  • Ich schiebe meine Frage mal hoch. Ich gehe Ende der Woche in einen längeren Urlaub und möchte das gerne vorher erledigt haben, sonst bleibt es bei den Kollegen hängen, was ich nicht will.

    Hat nicht irgendwer einen Tipp? :oops:

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