Nutzungsregelung mit Rang von 1902

  • Im Grundbuch wurde bei Anlegung des GB 1902 eine Nutzungsregelung eingetragen. Grundlage ist offenbar ein Auszug aus dem Grundbuche von.. über Grundstücke welche der Müller, Anna und Maier, Klaus zugeschrieben sind: Kulturart und Gewann (Fideikommisse, Obereigenthumsrechte): Müller, Anna Hofreite, die Bachgasse (unterer Stock) Maier, Klaus, Hofreite die Bachgasse (oberer Stock).
    Erwerbstitel bei Müller: Erbschaft; bei Maier: Kauf.

    1965 waren als Eigentümer eingetragen: Bernd Müller (1a) und Beate Schneider (1b)
    In Abt. II wurde eingetragen:

    Lfde Nr. 1

    a) Recht der Eigentümerin 1b) auf ausschließliche Benutzung des unterenStockwerks
    b) Recht des Eigentümers 1a) auf ausschließliche Benutzung des oberenStockwerks; a) und b) mit Rang vom 09.Juli 1902. Eingetragen bei Anlegung desGrundbuches und hierher umgeschrieben am 12.10.1965
    Jetzt wird der Antrag auf Löschung durch die Eigentümer aufgrund Todesnachweis der Berechtigten beantragt. Ist das möglich?

  • Was soll gelöscht werden ? Die Regelung nach § II Nr. 1 ? Wo spielt sich das Ganze ab ?

    Da für beide Eigentümer nur ein Grundbuch angelegt wurde, handelt es sich offenbar um sog. „unechtes oder uneigentliches“ Stockwerkseigentum, das nach Art. 131 EGBGB bestehen geblieben ist. Bis auf Bayern (Art. 62 BayAGBGB) gibt es zu Art. 131 EGBGB keine landesrechtlichen Regelungen (s. Säcker im Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2018, Art. 131 EGBGB RN 1; J Hönle/U Hönle im Staudinger, Neubearbeitung 2018, EGBGB Art 131 RN 9). Allerdings hat Hessen von der Ermächtigung der Landesgesetzgeber in § 63 WEG zur Regelung der Überleitung von altem Stockwerkseigentum nach Art. 182 EGBGB (echtes Stockwerkseigentum) oder den nach Art. 131 EGBGB (unechtes Stockwerkseigentum) zulässigen landesrechtlichen Sonderformen in Wohnungseigentum oder Dauerwohnrecht Gebrauch gemacht (G zur Überleitung des Stockwerkeigentums v. 6.1.1962, GVBl 17; s. Hogenschurz im BeckOK WEG, Timme, Stand 01.08.2019, RN 1). Also kommt es darauf an, wo sich der Vorgang abspielt.

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Wie sich aus der Begründung zum Entwurf des Gesetzes über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht in der BR.-Drucks.Nr.75/51 vom 26.01.1951 ergibt,
    https://www.dnoti.de/fileadmin/user…druck_75_51.pdf
    hat man von einem Ausbau der Miteigentümergemeinschaft in dem durch. Art .131 EGBGB vorgezeichneten Rahmen abgesehen und durch § 62 die Überleitung der landesrechtlicher Rechtsverhältnisse in die neuen Rechtsformen vorgesehen.

    Dem ist Hessen dadurch nachgekommen, dass die Überleitung durch einen Antrag auf Grundbuchberichtigung unter den Voraussetzungen des § 7 Abs 1-3 und 5 WEG erfolgt (§ 2 StWEigentÜlG).

    Dann tritt an die Stelle des Stockwerkseigentums Wohnungs- beziehungsweise Teileigentum. Die Miteigentumsanteile des Stockwerkseigentums werden Miteigentumsanteile des Wohnungseigentums entsprechend den Wertverhältnissen der Miteigentumsanteile des Stockwerkseigentums. Sind die Wertverhältnisse der Miteigentumsanteile des Stockwerkseigentums aus dem Grundbuch nicht ersichtlich oder sonst nicht feststellbar, so sind die Wertverhältnisse der Miteigentumsanteile des Wohnungseigentums (Teileigentums) gleich den Wertverhältnissen der Sondereigentumsrechte (§ 1 StWEigentÜlG; zitiert nach Kreuzer im Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2018, § 63 WEG RN 6).

    Daraus ergibt sich, dass es sich um vererbliche Rechte handelt, so dass die Löschung der Regelung Abt. II Nr. 1 aufgrund des Todesnachweises nach einem der Berechtigten nicht in Betracht kommt. Diese Regelung hat vielmehr noch solange Bedeutung, wie kein Antrag auf Grundbuchberichtigung aufgrund des Gesetzes zur Überleitung des Stockwerkeigentums vom 06.01.1962, GVBl 1962, 17) gestellt wurde.

    Also ist die Zurückweisung des Antrags anzukündigen.

    Ob es auch einen Berichtigungszwang -ähnlich wie in § 82 GBO- gibt, müsste sich aus dem StWEigentÜlG ergeben, das online nicht zur Verfügung steht.

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  • Danke. Zwar ergibt sich aus § 1 der Überleitungsvorschriften, dass das „echte Stockwerkseigentum“ in Wohnungs- oder Teileigentum übergeleitet wurde. Das wäre dann das Stockwerkseigentum nach Art. 182 EGBGB. Ich vermute aber, dass die dortige Definition auch das unechte Stockwerkseigentum erfassen soll. Sonst wären die Ausführungen von Hogenschurz im BeckOK WEG, Timme, Stand 01.08.2019, § 63 WEG RN 1, wonach sich die Regelung auch auf das „unechte Stockwerkseigentum“ nach Art. 131 EGBGB beziehen soll, nicht verständlich. Auch Roth geht in Bärmann, Wohnungseigentumsgesetz, 14. Auflage 2018, § 63 RN 24 davon aus, dass (Zitat) „sämtliche Stockwerksrechte kraft Gesetzes in WE und TE überführt worden“ seien und zitiert dazu § 1 des hessischen StwEigÜG. Auch Commichau führt im Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2017, § 63 WEG RN 4 aus: „Während in Hessen alle Stockwerksrechte zwingend in Wohnungs- oder Teileigentum überführt wurden,…“. Ebenso geht Karkmann im beck-online.GROSSKOMMENTAR, Stand 01.05.2019, § 63 WEG RN 4 davon aus, dass in Hessen Stockwerkseigentum zwingend in Wohnungs- oder Teileigentum überführt worden sei.

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  • Eindeutig. Ergo: Keine Überleitung in Wohnungs- und Teileigentum. Keine GB-unrichtigkeit. Fortbestand des uneigentlichen Stockwerkseigentums nach Art. 131 EGBGB. Das besteht in Miteigentum am Grundstück und vereinbarter Gebrauchsregelung am Gebäude mit dauerhaftem Ausschluss des Anspruchs auf Aufhebung der Gemeinschaft (Keller in: Keller/Munzig, KEHE Grundbuchrecht - Kommentar, 8. Aufl. 2019, Einleitung § 3 RN 10 mwN). Mangels GB-unrichtigkeit kommt Löschung der Gebrauchsregelung aufgrund Unrichtigkeitsnachweis oder Berichtigungsbewilligung nicht in Betracht. Der Antrag ist zurückweisungsreif.

    Ich werde den C.H. Beck-Verlag auf die fehlerhaften Kommentierungen zu § 63 WEG aufmerksam machen.

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  • ...Ich werde den C.H. Beck-Verlag auf die fehlerhaften Kommentierungen zu § 63 WEG aufmerksam machen.

    Das juristische Lektorat des C.H. Beck-Verlags und einer der Kommentatoren haben sich für den Hinweis bedankt und die Überarbeitung der entsprechenden Passagen für die nächste Edition des Kommentars in den Blick genommen. Diesen Dank gebe ich an KlausR weiter, dessen Angabe in #7 die richtige Fährte gelegt hat.

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  • Vielen Dank für diese Informationen und Recherche.

    Wenn es sich um unechtes Stockwerkseigentum handelt, bleibt diese Regelung daher in Hessen wirksam und ist an das Miteigentum geknüpft. Wenn die derzeitigen Eigentümer dieses Recht löschen lassen möchten, benötigte ich also die Löschungsbewilligung aller eingetragener Eigentümer.

    Andererseits kann diese Regelung auch weiterhin im GB bestehen bleiben und bindet Eigentümer, welche einen Miteigentumsanteil erwerben, weiterhin?

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