Verrechnung alte und neue Mietkaution

  • Ich habe schon wieder eine ganz komische Frage, wo ich ergebnisoffen dazu kommen möchte, dass die Verrechnung nicht anfechtbar ist. Leider fehlen mir dazu ein paar Argumente.

    Der Schuldner zieht noch vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens (aber nach Stellung des Insolvenzantrags) aus einer Wohnung, wo er seit dem Jahr 2006 wohnte, in eine größere Wohnung um. Da es sich um die gleiche Vermieterin handelt, wird vereinbart, dass die Kaution gar nicht erst an den Schuldner zurück gezahlt, sondern gleich mit dem neuen Anspruch auf Kautionszahlung verrechnet wird.

    Ob die Kaution 2006 aus unpfändbarem Vermögen gezahlt wurde, weiß ich nicht, mittlerweile verfügt der Schuldner jedenfalls nur über unpfändbares Einkommen.

    Mein Problem ist, dass es sich bei der getroffenen Vereinbarung um eine inkongruente Deckung handeln kann. Laut Pflichtenplan ist eine Mietkaution durch Zahlung oder Hinterlegung einer anderen Sicherheit vorzunehmen, nicht aber durch Verrechnung mit Ansprüchen. Der Vermieterin waren der Insolvenzantrag oder die wirtschaftlichen Probleme des Schuldners nicht bekannt, jedenfalls liegen dafür keine beweissicheren Anhaltspunkte vor.

    Oder sehe ich das zu eng?

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • "Ergebnisoffen" :wechlach:

    Hier muss sich die Aufrechnung an § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO messen lassen. Der Anspruch auf Rückzahlung der Mietkaution aus dem alten Mietverhältnis wäre gemäß § 35 Abs. 1 InsO mit der Insolvenzeröffnung in die Masse gefallen (BGH, Beschl. v. 21.02.2019 – IX ZB 7/17, Rn. 12). Hingegen hätte der neue Anspruch des Vermieters auf Gewährung der neuen Mietkaution lediglich eine Insolvenzforderung dargestellt.

    Die eingetretene Gläubigerbenachteiligung der Aufrechnung macht schon der "Drittvergleich" deutlich: Wäre der Schuldner bei einem anderen Vermieter eingezogen, hätte der Altvermieter die Mietkaution auszahlen müssen und die Gläubiger hätten darauf zugreifen können. Dies wird durch die Aufrechnung mit der neubegründeten Kautionsforderung vereitelt.

    Die Aufrechnungslage ist durch Aufhebung des alten und Abschluss des neuen Mietvertrages entstanden. Dabei sehe ich ebenso wie Du die Inkongruenz nach § 131 InsO, so dass es auf eine Kenntnis des Vermieters nicht ankommen dürfte. Im Ergebnis steht die Unwirksamkeit der Aufrechnung, wenn Du keinen Pfändungsschutz (Siehe BGH) begründen kannst.

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

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    Die eingetretene Gläubigerbenachteiligung der Aufrechnung macht schon der "Drittvergleich" deutlich: Wäre der Schuldner bei einem anderen Vermieter eingezogen, hätte der Altvermieter die Mietkaution auszahlen müssen und die Gläubiger hätten darauf zugreifen können. Dies wird durch die Aufrechnung mit der neubegründeten Kautionsforderung vereitelt.

    Das ist, wie der BGH so schön sagt, ein unzulässiger hypothetischer Kausalvergleich.


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    Die Aufrechnungslage ist durch Aufhebung des alten und Abschluss des neuen Mietvertrages entstanden. Dabei sehe ich ebenso wie Du die Inkongruenz nach § 131 InsO, so dass es auf eine Kenntnis des Vermieters nicht ankommen dürfte. Im Ergebnis steht die Unwirksamkeit der Aufrechnung, wenn Du keinen Pfändungsschutz (Siehe BGH) begründen kannst.

    Wenn die beiden Parteien sich auf eine Verrechnung geeinigt haben, wo soll da die Inkongruenz herkommen? Oder Du betrachtest nicht die Aufrechnung an sich, sondern die Vereinbarung als anfechtbar.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Die eingetretene Gläubigerbenachteiligung der Aufrechnung macht schon der "Drittvergleich" deutlich: Wäre der Schuldner bei einem anderen Vermieter eingezogen, hätte der Altvermieter die Mietkaution auszahlen müssen und die Gläubiger hätten darauf zugreifen können. Dies wird durch die Aufrechnung mit der neubegründeten Kautionsforderung vereitelt.

    Das ist, wie der BGH so schön sagt, ein unzulässiger hypothetischer Kausalvergleich.

    Deshalb steht ja der "Drittvergleich" auch in Anführungszeichen. Dadurch sollte es nur etwas offensichtlicher werden. Ist es doch hier gerade der verkürzte Zahlungsweg, der die Gläubiger benachteiligt und die Inkongruenz begründet.

    Die Aufrechnungslage ist durch Aufhebung des alten und Abschluss des neuen Mietvertrages entstanden. Dabei sehe ich ebenso wie Du die Inkongruenz nach § 131 InsO, so dass es auf eine Kenntnis des Vermieters nicht ankommen dürfte. Im Ergebnis steht die Unwirksamkeit der Aufrechnung, wenn Du keinen Pfändungsschutz (Siehe BGH) begründen kannst.

    Wenn die beiden Parteien sich auf eine Verrechnung geeinigt haben, wo soll da die Inkongruenz herkommen? Oder Du betrachtest nicht die Aufrechnung an sich, sondern die Vereinbarung als anfechtbar.

    Für die Anfechtbarkeit kommt es auf die Vereinbarung an, da durch sie die Aufrechnungslage erst entstanden ist.

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  • Für die Anfechtbarkeit kommt es auf die Vereinbarung an, da durch sie die Aufrechnungslage erst entstanden ist.

    Das sehe ich ausnahmsweise (mit großem Bedauern :() anders. Die Aufrechnungslage wäre auch ohne gesonderte Vereinbarung allein dadurch entstanden, dass der Schuldner sein altes Mietverhältnis kündigt und einen neuen Mietvertrag abschließt.

    Einer Vereinbarung bedarf es lediglich dann, wenn die Aufrechnung für zwei Forderungen, welche sich überhaupt nicht aufrechenbar gegenüber stehen, begründet werden soll. Während diese immer eine inkongruente Deckung begründet, ist es in meinem Fall eher so, dass eine Mietkaution nach dem dem Mietvertrag innewohnenden Pflichtenplan nun mal nur durch Zahlung oder andere Sicherheitsleistung, nicht aber durch Aufrechnung, erbracht wird.

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  • Au contraire, edle Essensspenderin, da verstehst Du mich miss: Meine von Dir zitierte Antwort bezog sich auf die Frage von LFdC, ob ich die Aufrechnung selbst anfechten würde oder eine - möglicherweise die Inkongruenz der Aufrechnung ausschließende - Vereinbarung. Für die Anfechtbarkeit ist bei § 96 Abs. 1 Nr. 4 InsO aber nur auf die Herstellung der Aufrechnungslage abzustellen, also die Rechtshandlungen, und nicht auf den Aufrechnungsvorgang.

    Die Aufrechnungslage ist hier durch Aufhebung/Kündigung des einen und Abschluss des neuen Mietvertrages entstanden. Auf den dadurch abgekürzten Zahlungsweg durch Verrechnung der alten mit der neuen Mietkaution hatte der Vermieter keinen Anspruch. Ob die Kündigung und der Neuabschluss möglicherweise in einer "Vereinbarung" erfolgt sind und ob darin zugleich die Aufrechnung "vereinbart" wurde, verschweigst Du uns bislang. Es kommt aber in der kritischen Zeit nach dem Insolvenzantrag auch nicht mehr darauf an. Selbst wenn es eine "die Inkongruenz der Aufrechnung ausschließende Vereinbarung" gegeben haben sollte, wäre diese Vereinbarung ihrerseits als inkongruent anfechtbar. :cool:

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  • Ob die Kündigung und der Neuabschluss möglicherweise in einer "Vereinbarung" erfolgt sind und ob darin zugleich die Aufrechnung "vereinbart" wurde, verschweigst Du uns bislang.

    Werter Herr, der Wunsch ist da, allein mir fehlen die Kenntnisse. Unsere fein ziselierten und die äußersten Verästelungen gehenden Überlegungen führt der gemeine Schuldner oder auch Gemeinschuldner doch gar nicht aus. Mir wurde von diesem lediglich erklärt, dass er umziehen wird und die Differenz der Kaution, die dann aufgrund der geänderten Wohnungsgröße noch besteht, ansparen und zahlen wird. Der Rest ist mein Versuch, die laienhafte Vereinbarung in einen uns genehmen juristischen Kontext zu bringen.

    Ich würde gern noch mal mit einer viel ursprünglichen Überlegung beginnen. Aus §§ 94, 95 InsO geht hervor, dass der Bestand einer Aufrechnungslage mit Ausnahme des § 96 InsO selbst dann insolvenzfest sein soll, wenn die Aufrechnungserklärung erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt. Es ist also für den Gläubiger auch im Insolvenzverfahren legitim, von seiner Aufrechnungsmöglichkeit Gebrauch zu machen.

    Dem steht § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO entgegen. Wenn man nun aber davon ausgeht, dass der Gläubiger in den wenigsten Fällen einen Anspruch auf die Aufrechnung hat, wird man in der Regel dazu kommen, dass diese aufgrund des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO i.V.m. § 129 ff. InsO unwirksam ist.

    Dann mache ich aber entgegen §§ 94, 95 InsO die Ausnahme zur Regel. Wie kann ich dies erklären?

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  • Die "scharfe" Inkongruenzanfechtung betrifft doch nur Aufrechnungslagen, die im 3-Monats-Zeitraum vor der Antragstellung entstanden sind. Bestand die Aufrechnungslage schon vorher, bräuchtest Du viel mehr Argumentationsaufwand für die Anfechtung (§ 133 Abs. 1 InsO).

    Und die Aufrechnungslage muss nicht zwingend inkongruent sein, wie etwa bei der Verrechnung im ungekündigten Kontokorrent.

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  • bräuchtest Du viel mehr Argumentationsaufwand für die Anfechtung (§ 133 Abs. 1 InsO)

    Nachdem die "Beihilfehandlung" des Schuldners in jeder Rechtshandlung (z.B. Bier brauchen, Waren beziehen etc.) liegen kann, besteht hier gerade bei der Verrechnung durch Finanzämter ein ziemliches Potential.

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  • PS: "Bier brauchen" kenne ich. :cool:

    Ich habe mich gerade mit dem ganzen Mist ausführlich beschäftigt. Ein Bekannter von mir hat "mit einer geringen Unterstützung meiner Person" gerade einen sehr interessanten Fall zum Bundesfinanzhof getragen. Nenn mich Mrs. § 17 UStG.

    Wir schweifen ab, aber O-Ton des Finanzgerichts: Die Zahlung der Lohnsteuer (durch Aufrechnung zwei Jahre später durch das Finanzamt) ist Bargeschaft, weil immerhin die Nettolöhne rechtzeitig gezahlt wurden. Warum haben wir uns eigentlich die Finger wund geschrieben und den Mund in der mdl. Verhandlung fusselig geredet :mad:.

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  • Ich habe mich gerade mit dem ganzen Mist ausführlich beschäftigt. Ein Bekannter von mir hat "mit einer geringen Unterstützung meiner Person" gerade einen sehr interessanten Fall zum Bundesfinanzhof getragen. Nenn mich Mrs. § 17 UStG.

    Wir schweifen ab, aber O-Ton des Finanzgerichts: Die Zahlung der Lohnsteuer (durch Aufrechnung zwei Jahre später durch das Finanzamt) ist Bargeschaft, weil immerhin die Nettolöhne rechtzeitig gezahlt wurden. Warum haben wir uns eigentlich die Finger wund geschrieben und den Mund in der mdl. Verhandlung fusselig geredet :mad:.

    Lohnsteuer und § 17 UStG ?:gruebel:

    Die Argumentation ist nicht ganz neu und wurde auch schon einmal unter VII B 244/04 vom BFH verwurstet.

    Aber wir haben evtl. eine Rechtshandlung des Arbeitgebers, IX ZR 233/08, da der ja die Möglichkeit der Aufrechnung geschaffen haben könnte. Weiterhin ist jeder Zug in der Leistungskette getrennt zu betrachten, so dass es auf eine pünktliche Lohnzahlung nicht ankommt, sondern auf den Zeitpunkt der Zahlung der Lohnsteuer, analog IX ZR 16/08.

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  • Lohnsteuer und § 17 UStG ?:gruebel:

    Natürlich nicht, aber neben den Ansprüchen aus § 17 UStG wurden auch offene Lohnsteuerforderungen mit dem bestehenden Steuerguthaben verrechnet.

    Weiterhin ist jeder Zug in der Leistungskette getrennt zu betrachten, so dass es auf eine pünktliche Lohnzahlung nicht ankommt, sondern auf den Zeitpunkt der Zahlung der Lohnsteuer.

    Das habe ich den Finanzrichtern auch erklärt; zumindest habe ich es versucht. Ich bin an einer völligen Unfähigkeit gescheitert. Ob bei mir oder bei denen, das wird uns der Bundesfinanzhof sagen.

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