Teilversäumnis und Endurteil EU Bestätigung

  • Huhu,

    ich habe folgenden Fall:

    Bekl = S.A.R.L. , Sitz Luxemburg
    Kl= natürliche Personen, Verbraucher

    Bei dem Urteil handelt es sich um ein Teilversäumnis und Endurteil.

    Beantragt ist die Bestätigung nach 1215/2012

    Geht das hier?

    Ich blicke bei den Bestätigungen leider nicht mehr durch :(

  • 1.
    Die begehrte Bescheinigung (Formblatt I EuGVO (EU-Verordnung Nr. 1215/2012 (Brüssel Ia-Verordnung) ist antragsgemäß zu erteilen.

    Die Entscheidung muss lediglich vorläufig vollstreckbar sein.
    Bei gerichtlichen Entscheidungen muss die Verfahrenseinleitung nach dem 09.01.2015 erfolgt sein.

    Nachweis bzgl. Sicherheitsleistung bzw. Annahmeverzug der Schuldnerpartei bei Zug-um-Zug-Leistung wird im Regelfall bei Erteilung der Bescheinigung geprüft, da die Bescheinigung die bedingungslose Zwangsvollstreckung bescheinigt.

    Sofern und soweit die Sicherheitsleistung oder die Zug-um-Zug-Leistung bei Erteilung der Bescheinigung nicht geprüft worden ist, ist dieses in der Bescheinigung besonders kenntlich zu machen, damit das Vollstreckungsorgan im Vollstreckungsmitgliedstaat dies prüfen kann.

    Zweckmäßigerweise wird die Bescheinigung mittels dynamischen Formulars online im Europäischen Justizportal erteilt
    Das Formular befindet sich in allen Amtssprachen der EU-Mitgliedstaaten im Europäischen Justizportal:
    https://e-justice.europa.eu/content_...orms-273-de.do;

    es wird insoweit der Vordruck in französischer Sprache verwandt;
    die Eintragungen können in deutscher Sprache erfolgen.

    Vor Erteilung der Bescheinigung wird die Schuldnerpartei nicht angehört;
    eine Ausfertigung der Bescheinigung wird der Schuldnerpartei von Amts wegen zugestellt, § 1111 I S. 2 ZPO.
    Die Zustellung der Bescheinigung kann an den Prozessbevollmächtigten der Schuldnerpartei erfolgen.

    Eine Übersetzung der Eintragungen im Vordruck ist nur bei ergänzenden Eintragungen erforderlich;
    die Beauftragung des Übersetzungsbüros erfolgt nicht durch das Gericht, sondern durch die Gläubigerpartei.
    Ob letztlich eine Übersetzung benötigt wird, entscheidet das Vollstreckungsorgan in Luxemburg.

    Weitere Einzelheiten können der entsprechenden Info im Justizportal NRW https://www.justiz.nrw.de/BS/rechtim...s/zv/index.php zur Brüssel Ia-Verordnung entnommen werden:
    https://www.justiz.nrw/BS/rechtimaus...v/1/eugvvo.pdf

    Mit der begehrten Bescheinigung nach Art. 53 EuGVVO (EU-Verordnung Nr. 1215/2012 (Büssel Ia-Veordnung) kann die Gläubigerpartei unmittelbar die Zwangsvollstreckung aus dem deutschen Schuldtitel im EU-Ausland betreiben.


    Die Bescheinigung (Formlatt I EugVVO) entspricht funktional der Vollstreckungsklausel. Diese gibt Titelinhalt in standardisierter Form wieder und bescheinigt die unionsweit geltende Vollstreckbakeit des Vollstreckungstitels. Die Bescheinigung ist vom Rechtspfleger zu erteilen, da mit der Bescheinigung unmittelbar aus dem deutschen Schuldtitel im EU-Ausland vollstreckt werden kann, § 20 Zi. 11 RpflG.

    Die Bescheinigung wird ohne Anhörung der Schuldnerpartei erteilt;
    eine Ausfertigung der Bescheinigung wird der Schuldnerpartei von Amts wegen zugestellt, § 1111 I S. 2 ZPO.

    2.
    Folgende Voraussetzungen müssen für die Erteilung der vorgenannten Bescheinigung vorliegen:

    2.1
    Es muss ein Antrag der Gläubigerpartei auf Erteilung der Bescheinigung vorliegen.

    2.2
    Das gerichtliche Verfahren muss nach dem 09.012015 eingeleitet worden sein (Klageerhebung oder Beantragung des Mahnbescheids nach dem 09.01.2015).

    2.3
    Es muss sich um eine Zivil- oder Handelssache im Sinne des Art. 1 EuGVVO handeln.

    2.4
    Die Schuldnerpartei muss im EU-Ausland ihren Rechtssitz oder Wohnsitz haben.

    2.5
    Die Entscheidung ist eine Entscheidung im Sinne des Art. 2 EuGVVO.

    2.6
    Der Schuldtitel muss (vorläufig) vollstreckbar und von keiner Bedingung abhängig sein oder die Bedingung muss bereit eingetreten sein. (Entscheidung muss bedingungslos vollstreckbar sein).

    6 Mal editiert, zuletzt von rolli (12. September 2019 um 12:11)

  • Die Belehrung der Schuldnerpartei zu der Bescheinigung (Formblatt I EuGVVO (EU-Verordnung Nr. 1215/2012 (EuGVVO)) zu einer gerichtlichen Entscheidung des Amtsgerichts könnte sinngemäß wie folgt lauten (Formulierungsvorschlag):

    Anliegend werden Ihnen eine beglaubigte Abschrift des Antrags der Gläubigerpartei und eine Ausfertigung der Bescheinigung (Formblatt I Brüssel Ia-Verordnung (EU-Verordnung Nr. 1215/212 (EuGVVO) zugestellt.

    Gem. §§ 1111 II, 732 ZPO können Sie die Bescheinigung mit der Erinnerung anfechten.
    Die Erinnerung ist unbefristet, soll begründet werden und ist in deutscher Sprache bei dem Amtsgericht Musterstadt, Jovelstr. 1, 00000 Musterstadt einzulegen.

    Soweit der Bescheinigung eine titelergänzende oder titelübertragende Funktion zukommt, können Sie auch gem. § 768 ZPO Klage gegen die Erteilung der Bescheinigung erheben, sofern der Bedingungseintritt bzw. die Rechtsnachfolge bestritten wird.
    Die Klauselgegenklage (§ 768 ZPO) ist bei dem Amtsgericht Musterstadt, Jovelstr. 1, 00000 Musterstadt zu erheben.

  • Der Gerichtsvollzieher/Das Vollstreckungsgericht in Luxemburg prüft lediglich, ob die nach Art. 42 I EuGVVO erforderlichen Unterlagen vollständig vorgelegt wurden.

    Für die grenzüberschreitende Zwangsvollstreckung hat die Gläubigerpartei dem Gerichtsvollzieher/dem Vollstreckungsgericht in Luxemburg folgende Unterlagen vorzulegen:

    • (vollstreckbare) Ausfertigung der vollständigen Enscheidung mit Tatbestand und Entscheidungsgründen,

    • Zustellungsbescheinigung zu dem vorgenannten Schuldtitel,

    • Ausfertigung der Bescheinigung (Formblatt I EuGVVO),

    • Zustellungsnachweis zu der vorgenannten Bescheinigung
      (Formblatt I EuGVVO),

    • aktuelle Forderungsaufstellung,

    • ggfs. Übersetzung der Unterlagen in französischer Sprache.


    Die Vorlage des Schuldtitels in Ausfertigung reicht im Regelfall aus.

    Ob trotz der Vorlage der gerichtlichen Bescheinigung (Formblatt I EuGVVO) die Vorlage der vollstreckbaren Ausfertigung des Schuldtitels erforderlich ist, hängt davon ab, ob der luxemburgische Gesetzgeber auf die Vorlage einer vollstreckbaren Ausfertigung des Schuldtitels verzichtet hat (Parallelbestimmung zu § 1112 ZPO in Luxemburg?).

    Art. 43 III EuGVVO entbindet die Gläubigerpartei von dem Erfordernis der Zustellung und Übersetzung
    a) des Schuldtitels
    und
    b) der Bescheinigung (Formblatt I EuGVVO),
    soweit nur die Sicherungsvollstreckung (Pfändung) begehrt wird.

    Die Gläubigerpartei hat dafür Sorge zu tragen, dass das luxemburgische Vollstreckungsorgan die Zinsberechnung vornehmen kann und sollte daher entsprechende Unterlagen (Berechnungsgrundlagen) vorlegen.

    Die veränderte Bezugsgröße für den Basiszinssatz nach § 247 BGB wird halbjährlich (zum 01.01. und 01.07. eines jeden Jahres) festgelegt und durch die Bekanntmachung der Deutschen Bundesbank im Bundesanzeiger veröffentlicht.

    Die Bescheinigung (Formblatt I EuGVVO) muss innerhalb einer angemessenen Frist vor der Vollstreckung zugestellt werden,
    Erwägungsgrund 32, Art. 43 EuGVVO

    Eine Zustellung gleichzeitig mit der Vornahme der ersten Vollstreckungsmaßnahme ist - anders als in § 750 ZPO - nicht möglich.

    Hierdurch sollsichergestellt werden, dass die Schuldnerpartei vor Beginn der Zwangsvollstreckung genügend Zeit für die Entscheidung hat, ob sie sich

    • im Ursprungsstaat (Deutschland) gegen die Entscheidung

    oder

    • im Vollstreckungsstaat (Luxemburg) gem. Art. 46 oder 44 EuGVVO gegen die Vollstreckung

    zur Wehr setzen will.

    Art. 43 III EuGVVO ist eine Sondervorschrift zum Schutz der Gläubigerpartei hinsichtlich des Zustellungserfordernisses nach Art. 43 I EuGVVO,
    es entbindet die Gläubigerpartei von den Erfordernissen der Zustellung und Übersetzung, soweit nur Sicherungsmaßnahmen (= Pfändung) ergriffen werden.

    5 Mal editiert, zuletzt von rolli (12. September 2019 um 12:42)

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