Bundes-Teilhabe-Gesetz und Betreuungsgericht

  • Wie kommst Du drauf bzw. wo siehst Du denn Handlungsbedarf?

    "Ändere die Welt, sie braucht es." Brecht

    K. Schiller: "Genossen, lasst die Tassen im Schrank"


    "Zu sagen, man müsste was sagen, ist gut. Abwägen ist gut, es wagen ist besser." Lothar Zenetti

  • Naja, zumindest wird deutlich mehr Arbeit auf die Rechtspfleger und Betreuer zukommen.

    Für jeden zu Betreuenden, der sich in einer vollstationären Einrichtung befindet und für den bisher ein Taschengeldkonto bei der Einrichtung geführt wurde, muss nun ein Girokonto eingerichtet werden auf welches die Grundsicherungsleistungen gezahlt werden. Von diesem Konto müssen dann die Kosten der Unterkunft und die Versorgungskosten (Essen, Trinken, Zimmerreinigung etc.) bezahlt werden. Von dem Rest muss dann Geld für Bekleidung etc. angespart werden, da es keine Bekleidungabeihilfe mehr gibt.
    Der Betreuer wird also, rein grundsätzlich, für jeden zu Betreuenden Rechnungslegungspflichtig.

    Bei Betreuten, die keine Renten etc. bekommen, läßt sich mit dem Kostenträger vielleicht regeln, dass die oben genannten Fixkosten direkt an den Träger der Einrichtung bezahlt werden. Bei Betreuten, die über Einkommen verfügen, wird dies aber eher nicht möglich sein, da die Einnahmen ja auf die Leistungen angerechnet werden.

    Es gibt Einrichtungen die anbieten, dass alle Geldeingänge auf ein Konto der Einrichtung gezahlt werden und dann dort entsprechend verwaltet werden. Der Restbetrag verbleibt dann als Taschengeld, so wie bisher.
    Die Problematik dabei ist, dass da die BAFIN schon Überprüfungsbedarf angemedet hat, da die Einrichtung ja als eine Art Bank auftritt und evtl. eine Bankenzulassung benötige.

    Auch nicht ausser Acht lassen darf man, dass es zu einer Flut von Einwilligungsvorbehalten kommen kann. Da Betreute ohne EWVB ja selberständig auf ihr Konto zugreifen können kann es passieren, dass diese mit der Abhebung der auf das Konto eingegangenen Gelder schneller sind als der Betreuer mit der Überweisung an die Einrichtung. Insebsondere wenn die Geldeingänge zu unterschiedlichen Daten kommen (Grusi am 28., Rente am 31, Kindergeld am 10.). Ein Dauerauftrag zum 1. hilft dann nicht wirklich viel weiter.

    Es kommen also spannende Zeiten auf uns alle zu.

  • Rechnungslegung ist unser täglich Brot, Einwilligungsvorbehalte betreffen uns größtenteils nicht.

    Besondere Aufgaben im Sinne des Fragestellers: bisher keine.

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  • Für das Gericht sehe ich auch grundsätzlich nicht mehr Aufwand, außer das das Prüfen der Rechnungslegungen aufwändiger wird, da Kontoauszüge und die entsprechenden Übersichten geprüft werden müssen, und eben nicht mehr nur eine Kopie des Taschengeldkontos. Von Seiten der Betreuungsbehörde wurden hier jedoch Bedenken hinsichtlich der ehrenamtlichen Betreuer geäußert, da diese mit den ausführlichern Rechnunglegungen überfordert sein könnten und dann die Betreuung abgeben möchten.

  • Diese Aussage würde ich vorerst nicht so ernst nehmen. Das Betreuungsrecht erwartet auch von ehrenamtlichen Betreuern grundsätzlich eine Abrechnung und macht keinen Unterschied zu Berufsbetreuern. Nach meiner Erfahung bekommen das auch Ehrenamtler hin, wenn sie mit entsprechender Geduld und Gründlichkeit in die richtige Art und Weise der Rechnungslegung eingewiesen werden.

  • Diese Aussage würde ich vorerst nicht so ernst nehmen. Das Betreuungsrecht erwartet auch von ehrenamtlichen Betreuern grundsätzlich eine Abrechnung und macht keinen Unterschied zu Berufsbetreuern. Nach meiner Erfahung bekommen das auch Ehrenamtler hin, wenn sie mit entsprechender Geduld und Gründlichkeit in die richtige Art und Weise der Rechnungslegung eingewiesen werden.

    Eine sehr gesetzestreue Aussage :daumenrau Jeder kann Betreuung!

    Nur leider holt uns die Realität schon ein und Deutschlandweit gehen die Betreuerwechselanträge schon ein. Ist ja auch logisch, dass eine 70jährige Mutter für ihren 45jährigen Sohn im psychiatrischen Wohnheim mit dem neue BTHG völlig überfordert ist.

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    “Das tolle am Internet ist, dass endlich jeder der ganzen Welt seine Meinung mitteilen kann. Das Furchtbare ist, dass es auch jeder tut.” Marc-Uwe Kling, Die Känguru Chroniken
    Wie oft kommt das vor? "Öfter als niemals, seltener als immer." Jack Reacher - Der Bluthund
    "Aufs Beste hoffen, fürs Schlimmste planen" Jack Reacher

  • Diese Aussage würde ich vorerst nicht so ernst nehmen. Das Betreuungsrecht erwartet auch von ehrenamtlichen Betreuern grundsätzlich eine Abrechnung und macht keinen Unterschied zu Berufsbetreuern. Nach meiner Erfahung bekommen das auch Ehrenamtler hin, wenn sie mit entsprechender Geduld und Gründlichkeit in die richtige Art und Weise der Rechnungslegung eingewiesen werden.

    Eine sehr gesetzestreue Aussage :daumenrau Jeder kann Betreuung!

    Nur leider holt uns die Realität schon ein und Deutschlandweit gehen die Betreuerwechselanträge schon ein. Ist ja auch logisch, dass eine 70jährige Mutter für ihren 45jährigen Sohn im psychiatrischen Wohnheim mit dem neue BTHG völlig überfordert ist.


    Weshalb soll mit dem BTHG nun plötzlich eine Überforderung der Angehörigen eintreten? :gruebel:

    (Dies frage ich mich insbesondere, da die Mutter als Betreuerin für ihren Sohn ohnehin befreit ist.)

  • Für das Gericht sehe ich auch grundsätzlich nicht mehr Aufwand, außer das das Prüfen der Rechnungslegungen aufwändiger wird, da Kontoauszüge und die entsprechenden Übersichten geprüft werden müssen, und eben nicht mehr nur eine Kopie des Taschengeldkontos. ....

    :gruebel: Da bin ich ja beruhigt, dass sich in der hiesigen Gegend nichts ändert.

    Hier gibt es schon länger bei kaum einem Betreuten nur ein Taschengeldkonto. Der Betreuer muss dieses üblicherweise auf einem Girokonto des Betroffenen empfangen und bar im Heim einzahlen. Anders wird es von den Heimen nicht angeboten.

  • Der Betreuer kann mit den Banken ab 01.01.2020 keine Sonderregelungen mehr über Konten vereinbaren, z.B. der Betreute darf 30 Euro pro Woche von seinem Konto abheben. Bereits bestehende Sonderregelungen entfallen. (Folge des Grundsatzes des eigenverantwortlichen Handelns des Betreuten). Dies gilt auch bei Taschengeldkonten.
    Grundsätzlich kann der Betreute über alle seine Konten frei verfügen, ausgenommen bei Einwilligungsvorbehalt.


  • Es gibt Einrichtungen die anbieten, dass alle Geldeingänge auf ein Konto der Einrichtung gezahlt werden und dann dort entsprechend verwaltet werden. Der Restbetrag verbleibt dann als Taschengeld, so wie bisher.
    Die Problematik dabei ist, dass da die BAFIN schon Überprüfungsbedarf angemedet hat, da die Einrichtung ja als eine Art Bank auftritt und evtl. eine Bankenzulassung benötige.

    Ich war vor kurzem auf einer Fortbildung und dort hat der Referent erzählt, dass die BAFIN für diese Eigengeldkonten weiterhin grünes Licht gegeben hat (da soll wohl so ein Rundschreiben existieren, das mir aber nicht vorliegt). Die ersten Einrichtungen überlegen wohl schon, die Rente und die Sozialleistungen weiterhin entgegenzunehmen (ggf. gegen eine Art Kontoführungsgebühr).

    Auch diese ganzen tollen Änderungen, die mit dem BTHG kommen sollen, werden wohl im Sand verlaufen. Selbst wenn dem Betroffenen jetzt mehr Leistungen ausgezahlt werden sollen, wird der Betreuer die Gelder für die Zusatzleistungen des Heims verbrauchen. Viel mehr als das aktuelle Taschengeld von 114€ wird nicht übrigbleiben. Auch diese Hilfeplangespräche werden nach Ansicht des Referenten wohl recht einseitig ablaufen ("das können wir als Einrichtung anbieten, akzeptiere es oder geh woanders hin"). Mir erscheinen die Vermutungen des Referenten recht nachvollziehbar und ich denke mittlerweile, dass das BTHG ein eher zahnloser Tiger ist. Für mich wird sich wohl nicht die Welt ändern.

  • Wir haben die Betreuung des wegen abgegeben. Unser ehemaliger Betreuter ist 100 % geistig behindert. Die Einkünfte (Altersrente und Halbwaisenrente ) wurden vom Grundsicherungsamt bisher direkt eingezogen und von dort wurden alle Zahlungen geleistet. Wir hatten daher unter Absprache mit Betreuungsgericht und Grundsicherungsamt kein Girokonto eingerichtet und es fiel die RL weg. Nunmehr müssten wir ein Konto anlegen und die entsprechenden Überweisungen vornehmen. Weiterhin müssten wir RL legen. Auf Grundes des enorm höheren Aufwands haben wir die ehrenamtliche Betreuung jetzt abgegeben. Ich gehe mal davon aus, das viele ehrenamtliche Betreuer genauso handeln werden.
    gruss

    wufgerd

  • Hier schmeißen die Ehrenamtler gerade reihenweise hin. Von der Betreuungsbehörde ging die Einladung zu einem Infoabend raus, die aber wohl vielen noch mehr Angst gemacht hat. Einige kann man überzeugen, erst mal abzuwarten. Also der Mehraufwand besteht derzeit hier in den gehäuften Betreuerwechseln.:daumenrun

  • Proaktives Vorgehen.
    Ich würde mich als Betr.-Rpfl. auch anbieten, mal bei so einem InfoAbend dabei zu sein und ggf. etwas beschwichtigen können.

    Denn: 4 Zeilen (mehr) in der Rechungslegungen machen es nicht per umständlich

    • 12x284,38 € mtl. Sozialhilfe
    • 12x522,18 € Mütterrente
    • -12x575,00 € Mietzins
    • -12x75,00 € Taschengeldüberweisung Heimkonto

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  • Proaktives Vorgehen.
    Ich würde mich als Betr.-Rpfl. auch anbieten, mal bei so einem InfoAbend dabei zu sein und ggf. etwas beschwichtigen können.

    Denn: 4 Zeilen (mehr) in der Rechungslegungen machen es nicht per umständlich

    • 12x284,38 € mtl. Sozialhilfe
    • 12x522,18 € Mütterrente
    • -12x575,00 € Mietzins
    • -12x75,00 € Taschengeldüberweisung Heimkonto

    Das Ehrt Dich. :daumenrau

    Es ist ja nicht nur der Mehraufwand dem Gericht gegenüber, den der Rechtliche Betreuer hat (Rechtliche Betreuung ist keine Sozialarbeit), sondern die Komplexität mit allen anderen Beteiligten.

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  • Ich war vor kurzem auf einer Fortbildung und dort hat der Referent erzählt, dass die BAFIN für diese Eigengeldkonten weiterhin grünes Licht gegeben hat (da soll wohl so ein Rundschreiben existieren, das mir aber nicht vorliegt). Die ersten Einrichtungen überlegen wohl schon, die Rente und die Sozialleistungen weiterhin entgegenzunehmen (ggf. gegen eine Art Kontoführungsgebühr).

    Ahh ok, dann sind Sie auf nem neueren Stand als ich. Uns wurde am 09.09. erzählt, dass die BAFIN das mit den Eigengeldkonten prüfen will.


  • Für jeden zu Betreuenden, der sich in einer vollstationären Einrichtung befindet und für den bisher ein Taschengeldkonto bei der Einrichtung geführt wurde, muss nun ein Girokonto eingerichtet werden auf welches die Grundsicherungsleistungen gezahlt werden.

    Leider wurde bei dem neuen BTHG nicht an den Personenkreis der mittellosen Heimbewohner gedacht, mit dem Ergebnis dieser gefährlichen (Kontopfändung?) Umständskrämerei. Dennoch ist es m.E. durchaus möglich, dass Betreuer mit Vermögenssorge alle staatlichen (Sozial)leistungen nach wie vor an das Heim bzw. die Einrichtung abtreten lassen können. Das Heim nimmt sich dann seinen Anteil und überweist dann das Taschen- und Kleidergeld auf ein internes Konto des Bewohners - und gut ist (auch ohne eigenes Giro-Konto für d. Betreuten). Die Betreuer überwachen dann das Ganze nur. Hierzu müssten die Heime aber mitspielen.

    mfg

  • Bisher mussten sich Betreuer von Behinderten, die in Einrichtungen leben, um vergleichsweise wenig selbst kümmern. Die Eingliederungshilfe zahlte automatisch alle Kosten. Das Heim kümmerte sich um den Rest.
    Dies entfällt. Vereinfach gesagt werden über die Eingliederungshilfe nur noch die Kosten der Betreuung und Pflege gezahlt. Miete, Kleidung und Verpflegung muss der Betreute selbst zahlen. In meiner Region will der größte Heimbetreiber dies nicht mehr über das Heimkonto abwickeln. Also muss ein Konto eingerichtet werden. Zum 1.1.2020 stellt das Amt, das die Eingliederungshilfe zahlt, seine Überleitungsanzeigen an die Rentenstelle, Wohngeldstelle, auf Zahlung des Arbeitslohns usw. ein. Diese werden also nicht mehr an das Amt, sondern an den Betreuten gezahlt Hier muss der Betreuer veranlassen, dass diese Zahlungen künftig auf sein Konto gehen.
    Von diesem Geld muss er dann die Miete, Verpflegung usw. an das Heim zahlen (Dauerauftrag oder Einzugsermächtigung). Hierzu muss er im Vorfeld noch einen entsprechenden Vertrag mit dem Heim schließen (Mietvertrag, Verpflegung). Wie dieser aussehen wird, wie hoch die Miete wird, ist hier bisher noch nicht bekannt.
    Sollte das Geld nicht reichen, muss beim Sozialamt ein Antrag auf Grundsicherung gestellt werden. Bei hoher Rente kann es evtl. sogar sein, dass statt eines Antrags auf Grundsicherung ein Antrag auf Wohngeld finanziell günstiger ist (wieder ein anderes Amt).
    Ich war auf einer Veranstaltung, da ich einen behinderten Onkel habe. Die evtl. Mehrarbeit in Form von Rechnungslegung beim Gericht war dort überhaupt kein Thema.
    Die meisten fühlten sich mit den Anträgen schlicht überfordert. Es herrschte große Angst, dass das Geld künftig nicht reicht und die Behinderten ihren Platz verlassen müssen. Daher der Wunsch, dies an einen Profi abzugeben.


  • Ich war auf einer Veranstaltung, da ich einen behinderten Onkel habe. Die evtl. Mehrarbeit in Form von Rechnungslegung beim Gericht war dort überhaupt kein Thema.
    Die meisten fühlten sich mit den Anträgen schlicht überfordert. Es herrschte große Angst, dass das Geld künftig nicht reicht und die Behinderten ihren Platz verlassen müssen. Daher der Wunsch, dies an einen Profi abzugeben.

    :daumenrau

    Das ist was ich meinte, dass die Ehrenamtler abgeben. Diese Komplexität kann und will auch keiner mehr Leisten. Wenn es hier Rechtspfleger gibt, die von kommenden Wechseln nichts mitbekommen haben, dann gibt es in deren Zuständigkeitsbereich vielleicht nicht so viele Psychiatrische Wohnheime. Aber da das BTHG ab 01.01.2020 auf alle Bereiche durchschlägt, kommt das noch.

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    Wie oft kommt das vor? "Öfter als niemals, seltener als immer." Jack Reacher - Der Bluthund
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