Bundes-Teilhabe-Gesetz und Betreuungsgericht

  • Bisher mussten sich Betreuer von Behinderten, die in Einrichtungen leben, um vergleichsweise wenig selbst kümmern. Die Eingliederungshilfe zahlte automatisch alle Kosten. Das Heim kümmerte sich um den Rest.
    Dies entfällt. Vereinfach gesagt werden über die Eingliederungshilfe nur noch die Kosten der Betreuung und Pflege gezahlt. Miete, Kleidung und Verpflegung muss der Betreute selbst zahlen. In meiner Region will der größte Heimbetreiber dies nicht mehr über das Heimkonto abwickeln. Also muss ein Konto eingerichtet werden. Zum 1.1.2020 stellt das Amt, das die Eingliederungshilfe zahlt, seine Überleitungsanzeigen an die Rentenstelle, Wohngeldstelle, auf Zahlung des Arbeitslohns usw. ein. Diese werden also nicht mehr an das Amt, sondern an den Betreuten gezahlt Hier muss der Betreuer veranlassen, dass diese Zahlungen künftig auf sein Konto gehen.
    Von diesem Geld muss er dann die Miete, Verpflegung usw. an das Heim zahlen (Dauerauftrag oder Einzugsermächtigung). Hierzu muss er im Vorfeld noch einen entsprechenden Vertrag mit dem Heim schließen (Mietvertrag, Verpflegung). Wie dieser aussehen wird, wie hoch die Miete wird, ist hier bisher noch nicht bekannt.
    Sollte das Geld nicht reichen, muss beim Sozialamt ein Antrag auf Grundsicherung gestellt werden. Bei hoher Rente kann es evtl. sogar sein, dass statt eines Antrags auf Grundsicherung ein Antrag auf Wohngeld finanziell günstiger ist (wieder ein anderes Amt).
    ...


    In hiesigen Betreuungen ist es "schon immer" in vielen Fällen nötig, dass die Betreuer für die Deckung der Unterkunftskosten Grundsicherung oder Wohngeld beantragen. In letzterem Fall erhält der Betroffene seine Rente auf sein Girokonto und jeden Monat kommt eine Rechnung vom Heim, die die Betreuer überweisen. Ein Großteil der Kosten davon wird natürlich von der Pflegekasse übernommen und dem Heim überwiesen.
    Auch kaufen die Betreuer vom Geld der Betroffenen z. B. Kleidung. Die hiesigen Heime haben gar keine Kapazitäten, für die Bewohner auch noch Sachen zu kaufen. Das Heimkonto dient auch jetzt schon allenfalls der Abdeckung des täglichen Bedarfs (Duschgeld, mal eine Nascherei usw.)

    Ergo besitzen eigentlich alle hiesigen Betreuten auch bereits ein Girokonto. Ob die Heime die in vielen Fällen bereits etliche Jahre bestehenden Verträge tatsächlich nun umwandeln (müssen) oder es da einen Bestandsschutz gibt? :gruebel:

    Jedenfalls sehe ich noch keine zwingende Mehrarbeit für die Betreuer. Aber mutmaßlich fällt das regional unterschiedlich aus, je nachdem wieviel die Heime bislang an Arbeit abgenommen haben.

  • Das was du beschreibst kenne ich eher von Altenheimen. Hier geht es um Behinderte in Behinderteneinrichtungen.

    Meine Ausführungen gelten auch für hiesige Behinderte in Behinderteneinrichtungen. Auch da kaufen z. B. die Betreuer die Kleidung für den Betroffenen und nicht das Heim (insbesondere natürlich, wenn als Betreuer ein Elternteil bestellt ist).

    Zumindest am Anfang des Threads wurde auch nicht zwischen Bewohnern von Altenheimen und Behinderteneinrichtungen differenziert, siehe z. B. in Beitrag 3:

    "Für jeden zu Betreuenden, der sich in einer vollstationären Einrichtung befindet und für den bisher ein Taschengeldkonto bei der Einrichtung geführt wurde,..."

  • Das was du beschreibst kenne ich eher von Altenheimen. Hier geht es um Behinderte in Behinderteneinrichtungen.

    Meine Ausführungen gelten auch für hiesige Behinderte in Behinderteneinrichtungen. Auch da kaufen z. B. die Betreuer die Kleidung für den Betroffenen und nicht das Heim (insbesondere natürlich, wenn als Betreuer ein Elternteil bestellt ist).

    Zumindest am Anfang des Threads wurde auch nicht zwischen Bewohnern von Altenheimen und Behinderteneinrichtungen differenziert, siehe z. B. in Beitrag 3:

    "Für jeden zu Betreuenden, der sich in einer vollstationären Einrichtung befindet und für den bisher ein Taschengeldkonto bei der Einrichtung geführt wurde,..."

    Hallo Frog,

    also bei Betreuten, die in einer vollstationären Eingliederungseinrichtung leben (geschlossen oder offen), wurden bisher immer alle Kosten vom zuständigen Sozialamt bezahlt. Es gab gar keine Mietverträge etc. sondern nur einen Heimvertrag der alles abdeckte. Für Bekleidung wurde ein Bekleidungsantrag gestellt. Das Geld wurde dann vom Amt an die Einrichtung überwiesen die damit Einkaufen ging.
    Sämtliche Einkünfte (Rente, Kindergeld etc.) wurden vom Kostenträger vereinnahmt.

    Dem Betreuten wurde dann der gesetzliche Barbetrag von derzeit ca. 114 Euro auf ein Taschengeldkonto der Einrichtung gezahlt. Evtl. noch abzüglich des Krankenkassendarlehns (Zuzahlungssummenvorauszahlung für das kommende Jahr). Die Summe wurde dann durch 12 geteilt und monatlich abgezogen.

    Ich denke, Du verwechselt das mit teilstationärem Wohnen. Da musste tatsäch ein Antrag auf GRUSI etc. gestellt werden und die Rente etc. gingen auf ein Girokonto. Auch mussten in solchen Einrichtungen Mietverträge abgeschlossen werden. Verpflegen musste sich der Betreute dort aber selber.

    Hier haben wir nun die Konstilation, dass evtl. 3 Verträge geschlossen werden müssen.

    1. Vertrag für die Betreuung in der Einrichtung
    2. Mietvertrag
    3. Versorgungsvertrag (essen, trinken, Zimmerreinigung etc.)

    Während die Kosten für 1 und 2 dem Betreuten ziemlich egal sein können, da diese vom Amt übernommen werden, wird es bei 3 zu einer gigantischen Ungerechtigkeit kommen. Grade bei Betreuten, die sich die Einrichtung nicht aussuchen können. Diese Versorgungskosten müssen nämlich komplett aus dem Regelbedarf gezahlt werden. Also von dem, was nach Abzug der Unterkunftskosten über bleibt.

    Wenn Einrichtung A hier monatlich 200 € ansetzt und Einrichtung B monatlich 250 €, zahlt der Bewohner von Einrichtung B jährlich 600 € mehr. Im verbleibt also deutlich weniger von seiner Grundsicherung. Und wie erwähnt, es passt nicht jede Einrichtung zu jedem Betreuten. Jemand, der z.B. einen IQ von unter 40 hat muss eben in eine Einrichtung die dies entsprechend betreuen kann.

    Es ist mir völlig schleierhaft, wass der Gesetzgeber sich mit diesem Gesetz gedacht hat.

    Die Bewohner in Pflegeinrichtungen haben mit dem BTHG gar nichts zu tun.

  • Zumindest hinsichtlich der (Wohn- und Betreuungs)Verträge in den nun "Besondere Wohnformen" genannten früheren stationären (SGB XII-)Einrichtungen wird m. E. etwas zu viel Panik gemacht. Bei bestehenden Verträgen reicht ein Nachtrag aus. In diesem wird das Entgelt nun für die Fachleistungen wie Betreuung (diese nun nach dem SGB IX Eingliederungshilfeleistungen) einerseits und für die existenzsichernden Leistungen (Wohnen und Versorgungsleistungen, bei Bedarf Finanzierung über Grundsicherung nach dem SGB XII, überschießende Wohnkosten nach dem SGB IX) andererseits aufgegliedert wird und eventuell die Vergütung bei Abwesenheit neu geregelt.

    Der Abschluss neuer Verträge oder gar die Aufteilung auf mehrere Verträge ist zivilrechtlich unnötig. Jedoch müssen die Wohnkosten näher aufgeschlüsselt werden, um den Bewohnern zu ermöglichen, Mehrbedarfe beim SGB-XII-Grundsicherungsträger und beim SGB-IX-Eingliederungshilfeträger zu beantragen, wenn die Wohnkosten die lokale Angemessenheitsgrenze für einen Einpersonenhaushalt übersteigen.

    An den Leistungspflichten der Einrichtungen ändert sich hingegen nichts. Die Bewohner erhalten weiterhin ihr Essen und ihre Betreuung und haben das gleiche Dach über dem Kopf.

    Jedoch ist der "Papierkram" mit Anträgen auf Grundsicherung, Wohngeld etc. und die Bewältigung des Zahlungsverkehrs für die Betreuer größer. Gerade Ehrenamtler sehen sich dabei überfordert.

    Ich halte den bürokratischen Aufwand, mit dem die Beteiligten auf Kosten- und Einrichtungsträgerebene nun mit aufwändigen Ecxel-Tabellen die Kosten für die Fachleistungen von den Kosten für die existenzsichernden Leistungen zu trennen versuchen, für Wahnsinn, da davon niemand - und erst recht nicht der Bewohner - einen Vorteil hat.

    Gerade bei psychisch kranken Betroffenen wird es ein Wettrennen zwischen Betroffenen und Betreuern geben, wer schneller Zugriff aufs Konto hat. Die Folge sind vermehrte Anträge auf Einwilligungsvorbehalte und Ausfallrisiken bei den Einrichtungsträgern mit entsprechenden Zahlungsverzugskündigungen und Räumungsklagen. Als Anwalt ist das für mich ein Konjunkturprogramm, für die Beteiligten hingegen unnötiger Mehraufwand.


  • Nein nicht wirklich.

    Wie ich schon schrieb, gibt es offenbar regional deutliche Unterschiede. Sofern Sozialleistungen ins Spiel kommen, handelt es sich ja um eine Behörde des Bundeslandes oder gar des Landkreises bzw. der kreisfreien Stadt.

    Unabhängig davon, leben natürlich auch Vermögende in stationären Einrichtungen.


  • Jedoch ist der "Papierkram" mit Anträgen auf Grundsicherung, Wohngeld etc. und die Bewältigung des Zahlungsverkehrs für die Betreuer größer. Gerade Ehrenamtler sehen sich dabei überfordert.

    Ich halte den bürokratischen Aufwand, mit dem die Beteiligten auf Kosten- und Einrichtungsträgerebene nun mit aufwändigen Ecxel-Tabellen die Kosten für die Fachleistungen von den Kosten für die existenzsichernden Leistungen zu trennen versuchen, für Wahnsinn, da davon niemand - und erst recht nicht der Bewohner - einen Vorteil hat.

    Gerade bei psychisch kranken Betroffenen wird es ein Wettrennen zwischen Betroffenen und Betreuern geben, wer schneller Zugriff aufs Konto hat. Die Folge sind vermehrte Anträge auf Einwilligungsvorbehalte und Ausfallrisiken bei den Einrichtungsträgern mit entsprechenden Zahlungsverzugskündigungen und Räumungsklagen. Als Anwalt ist das für mich ein Konjunkturprogramm, für die Beteiligten hingegen unnötiger Mehraufwand.

    Dies kann ich nur dick unterstreichen. Das Ganze wurde ja aus dem Blickwinkel behinderter Menschen, die keiner gesetzlichen Betreuung bedürfen (obwohl die faktisch auch nix ausser mehr Arbeit und Kosten haben) gemacht. Die Klientel der betreuten Behinderten hatte man da bestimmt nicht im Focus. Als ich auf einer betr. Info-Veranstaltung eines Heimes auf diesen - mit Verlaub - extrem bürokratischen Unsinn hinwies, wurde ich von einer Heimleiterin sofort angepflaumt mit der unterschwelligen Bemerkung, ich hätte was gegen die Gleichstellung Behinderter Menschen. Das Gegenteil ist der Fall. Man nenne mir mal einen Vorteil der neuen Regelung. Dass diese Leute jetzt ein eigenes Konto haben und ihre Überweisungen - mit allen Risiken - selbst ausführen "dürfen", kann doch nicht als Verbesserung verkauft werden. Spätestens wenn die erste Einrichtung ihre Kohle nicht kriegt - wg. Kontopfändung oder "Abhebung" von Bewohnern - dürfte das Gejammer losgehen......
    Die Tatsache, dass Niemand ohne triftigen Grund einen gesetzlichen Betreuer erhält, ist bei gewissen Stellen anscheinend nicht so bekannt.

    mfg

  • Hallo liebe Mitstreiter,

    bisher habe ich noch nichts hierzu im Forum gefunden aber wir haben mittlerweile ganz viel beantragte Änderungen bei den Betreuervergütungen.
    Vorher wurde Heim abgerechnet - jetzt wird Wohnung abgerechnet mit dem Vermerk auf Änderungen im BTHG.
    Ich tue mich damit ein wenig schwer, weil ich nicht wirklich verstehe wie sich die Änderung im BTHG begründet?
    Es wird nicht nur bei denjenigen beantragt, die Eingliederungshilfe erhalten,sondern nahezu bei allen Betreuten, die im Heim leben..:gruebel:

    Vielleicht kann mir da jemand auf die Sprünge helfen? Danke im Voraus.

  • Es gab auch bei uns die Vorstellung von Betreuern, vergütungstechnisch von Heim auf Wohnung umzustellen, da in den neuen Verträgen die Miete getrennt von anderen Leistungen vereinbart wurde. An der tatsächlichen Unterbringung und Versorgung hat sich doch aber gar nichts geändert. Es bleibt daher bei "Heim".

    Sei nett zu Tieren, du könntest selbst eins sein. (Norbert Blüm)

  • ...Es bleibt daher bei "Heim".

    Das hätte der Gesetzgeber gern so gewollt, aber er hat den Rechtlichen Betreuern für die "Heimbewohner" den Arbeitsaufwand eines in der Wohnung lebenden Betreuten verursacht und hoffte darauf, das die Justiz trotzdem nach Heimbewohner weiter abrechnet. Die neuen vertraglichen Ausgestaltungen der Wohnform dürfen aber nicht mehr den höchstrichterlichen Heimdefinitionen entsprechen und somit darf der Rechtliche Betreuer nach Wohnung abrechnen. Ich gehe aber davon aus, das es bald wieder angepasste Rechtsprechungen geben wird oder aber die Justiz im Zuge der Betreuungsrechtsreform versuchen wird die Kosten zu drücken. Schließlich ist ja das BTHG, auch wenn der Name tolles suggeriert, geschaffen worden, um Kosten zu vermeiden oder aber zu verschieben.

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    “Das tolle am Internet ist, dass endlich jeder der ganzen Welt seine Meinung mitteilen kann. Das Furchtbare ist, dass es auch jeder tut.” Marc-Uwe Kling, Die Känguru Chroniken
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  • Hallo,

    hier stellt sich die Frage, ob die neuen Wohn- und Betreuungsverträge betreuungsgerichtlich zu genehmigen sind. Aus dem Vertrag geht hervor, dass die Kündigung jederzeit möglich ist.

    Aus diesem Grund dürfte ja keine Genehmigung erforderlich sein.

    Wie sieht es mit der Kündigung dieser Verträge aus? Das Zimmer, welches vermietet wird, wurde im Vertrag genau bezeichnet, so dass ja eine Genehmigung für die Kündigung erforderlich sein müsste.

    Gibt es andere Meinungen?

  • Ganz wertfrei folgende Frage:

    Kann es sein, dass die Betroffenen, die in den Anwendungsbereich des BTHG fallen, immer vermögender werden? Zumindest in meinem Referat kann mittlerweile ein Großteil der Betreuer nach "Einrichtung/vermögend" abrechnen - auch in Sachen, die vorher teils jahrzehntelang unter "mittellos/Heim" liefen. Ich gebe zu, dass ich mich noch nicht wirklich tiefgehend mit dem BTHG beschäftigt - aber manchmal fallen mir fast die Augen aus dem Kopf, wenn ich sehe, WIE VIEL mehr Geld die Betroffenen auf einmal zur Verfügung haben.

    Auch wenn ein Beamter schnell und unbürokratisch handelt, kann eine amtliche Tätigkeit vorliegen.
    (LG Bielefeld, Urteil vom 28. Januar 2003 – 2 O 634/02 –, juris)

    Ein Narr ist viel bemüht; des Weisen ganzes Tun,
    Das zehnmal edeler, ist Lieben, Schauen, Ruhn.
    Angelus Silesius (1624 - 1677)

  • Ganz wertfrei folgende Frage:

    Kann es sein, dass die Betroffenen, die in den Anwendungsbereich des BTHG fallen, immer vermögender werden? Zumindest in meinem Referat kann mittlerweile ein Großteil der Betreuer nach "Einrichtung/vermögend" abrechnen - auch in Sachen, die vorher teils jahrzehntelang unter "mittellos/Heim" liefen. Ich gebe zu, dass ich mich noch nicht wirklich tiefgehend mit dem BTHG beschäftigt - aber manchmal fallen mir fast die Augen aus dem Kopf, wenn ich sehe, WIE VIEL mehr Geld die Betroffenen auf einmal zur Verfügung haben.

    Ganz unberechtigt scheint Deine Annahme nicht. Aber die Sozialämter fangen an Gegenzusteuern und verlangen zum Beispiel das Ausgeben von Pflgegeldleistungen und kürzen die Stunden seitens des Sozialamtes.

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