Im 3. Jahr (2019, 2018, 2017) 20 Prozent der Anwärter durchgefallen in Hildesheim

  • Ich habe gerade in der Hildesheimer Zeitung gelesen, dass auch 2019 wieder 20 Prozent der Rechtspflegeranwärter in Hildesheim (Hochschule Nord) durchgefallen sind. So war das auch in den Jahren 2017 und 2018, auch damals 20 Prozent durchgefallen. Jetzt bekommen die 24 Durchgefallenen des Jahres 2019 in einer "betreuten" Studiengruppe die Prüfung zu wiederholen, wohl im Jahr 2020 (?). Eigentlich hatte die Praxis gehofft, dass in diesem Jahr alle bestehen, weil das Datenbankgrundbuch vor der Tür steht (Mal nicht der Russe, aber der kann ja noch kommen.) Jetzt geht es allenthalben mit den elenden Vertretungen weiter.

    Hat jemand gehört, woran dieses katastrophale Ergebnis in Hildesheim in den letzten 3 Jahren liegen könnte? Sind die Anwärter unfähig und faul? Sind die Dozenten in Hildesheim unfähig und faul? Ist der Stoff zu schwierig oder wird er zu schlecht dargeboten? Ist der Stoff überfrachtet? Irgendworan muss es doch liegen.

    24 Kollegen haben 3 Jahre ihrer Lebenszeit ohne Ergebnis verschwendet. Wenn sie im nächsten Jahr wieder nicht bestehen, haben sie jeder 4 Jahre Lebenszeit unwiederbringlich verschwendet und nichts vorzuweisen. Das kann doch so nicht Jahr für Jahr weitergehen. Unternimmt der Rechtspflegerbund oder Verband nichts?

  • Ist es nicht eher normal das es einen Teil Durchfaller gibt. Das ist doch in jedem Studium so. Da muss es nicht gleich drastische Gründe für geben.
    Es sollte eher bei den Anwärtereinstellungszahlen mit einkalkuliert sein

  • 20 Prozent finde ich persönlich auch sehr viel. In NRW waren es 2018 und 2017 8 %, davor 9%... also schon ein Unterschied zur FH in Hildesheim.
    Ist natürlich immer doof für die Kollegen in der Praxis die sehnsüchtig warten und die Prüflinge selbst die beim 2.ten Versuch natürlich noch mehr Druck haben.

  • 20 % durchs Examen gefallen? Das ist schon ordentlich... Zu meiner Zeit (die noch nicht allzu lang her ist) war es in der Regel so, dass die Spreu schon während des Studiums vom Weizen getrennt wurde und daher auch die "Abbrecherquote" ziemlich hoch war. Aber diejenigen, die tatsächlich bis zum Examen gekommen sind, haben es dann auch bestanden.

    In eine ähnliche Richtung bewegt sich dieser Fred: https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…eht-hier-schief

    Auch wenn ein Beamter schnell und unbürokratisch handelt, kann eine amtliche Tätigkeit vorliegen.
    (LG Bielefeld, Urteil vom 28. Januar 2003 – 2 O 634/02 –, juris)

    Ein Narr ist viel bemüht; des Weisen ganzes Tun,
    Das zehnmal edeler, ist Lieben, Schauen, Ruhn.
    Angelus Silesius (1624 - 1677)

  • Ich kann ja nur für ein anderes Bundesland sprechen (will sagen: Ich äußere hier meine rein private Meinung!), aber wenn man Bewerbungsfristen immer weiter verlängern muss und die Anforderungen bereits in den Vortest runterschrauben muss, dann darf sich die Praxis eher glücklich schätzen, dass 20 % durchfallen.
    1. weil es nur 20 % waren.
    2. weil genau diese 20 % (noch) nicht in die Praxis kommen, wo sie dann vermutlich dem öffentlichen Glauben des Datenbankgrundbuchs schaden würden.

  • wo sie dann vermutlich dem öffentlichen Glauben des Datenbankgrundbuchs schaden würden.

    Das ist eine harte Aussage. Nicht jeder, der das Examen vielleicht gerade so schafft, ist in der Praxis untauglich.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • an diejenigen, die nicht in Hildesheim studiert haben:

    Hildesheim ist die einzige Hochschule, bei der eine Diplomarbeit examensrelevant und nicht ausgleichbar ist.

    Das bedeutet:
    1. Ein Student, der in einem anderen Bundesland bestanden hätte (da er nur 2x die Diplomarbeit verhauen hat), fällt durch. (kam in meinem Jahrgang tatsächlich vor)
    2. Die Studenten wenden erhebliche zeitliche Ressourcen für diese Extraaarbeit auf, die sie entsprechend nicht für die Vorbereitung der anderen Examensthemen haben. Dies führt ggf. zu schlechteren Abschlüssen als in anderen Schulen zu erwarten gewesen wäre.

    Es ist daher schwierig die "Hildesheimer" mit anderen Anwärtern zu vergleichen, sie müssen eine Zusatzanforderung erfüllen, die an alle anderen Anwärter nicht gestellt werden.


    Kein Rechtspfleger einer anderen Hochschule kann daher also wissen, ob er in Hildesheim bestanden hätte oder nicht.

    Ich sage jetzt nicht, dass dadurch die Durchfallquoten erklärt werden, aber es ist ein nicht zu unterschätzender Faktor.

    Zum Ausgangspost:

    Ich glaube nicht, dass die Studenten faul sind, ich glaube auch nicht, dass die Professoren unfähig und faul sein (Ausnahmen kann es immer geben).

    Bei uns war es so:
    Das erste Studienjahr in Hildesheim war relativ ruhig. Die Zwischenprüfung am Ende des Jahres erschien uns schaffbar. (auch wenn es nicht alle schafften)
    Das zweite Studienjahr beinhaltet nahezu alle examensrelevanten Themen, es wird sehr viel examensrelevanter Stoff vermittelt, weiterhin fällt Themenauswahl und bereits Materialsammlung und Besprechung mit dem begleitenden Dozenten in dieses Jahr. Es finden in den meisten examensrelevanten Fächern die einzigen Prüfungen vor der Examensklausur statt.

    Nach dem zweiten Hochschulstudienjahr geht es erstmal einen Monat in die Ferien und dann für 8 Monate in die Praxis. Dort schreibt man die Diplomarbeit und versucht die Bearbeitung von Klausuren während der Praxis nicht zu vergessen.

    Das dritte Studienjahr beginnt mit den Examensklausuren und der Abgabe der Diplomarbeit. Vor den Examensklausuren gab es eine kurze Vorbereitungszeit. Dann bestand das 3. Jahr aus warten, warten, warten und wurde mit logischerweise, da ja schon alles geschrieben war- mit nicht-klausurrelevanten Themen gefüllt.


    Zusammenfassend: reinkommen (machbar), Höllenjahr (sagt der Name), Klausuren , Langeweile bzw. nervenaufreibendes Warten...


    Da gibt es viel Verbesserungsbedarf- die Zeit der Ausbildung sollte in meinen Augen verlängert oder mehr ins 3. Jahr verlegt und die Diplomarbeit als examnesrelevantes Element abgeschafft werden.


  • Wenn der Anspruch, eine Diplomarbeit/Examensarbeit zu erstellen, fallen gelassen wird, kann man aber auch so ehrlich sein und den Titel "Hochschule" mit beerdigen. Dann reicht auch eine einfache "Rechtspflegerakademie", bei der man eben eine dreijährige Ausbildung durchläuft. Dann spart man auch gleich den Sold für Professorenstellen. So ist es im Übrigen dem ehemaligen Teil "Steuerverwaltung" der damaligen Niedersächsischen Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege ergangen. Dafür gibt es jetzt die "Steuerakademie Niedersachsen".

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6

  • Wenn der Anspruch, eine Diplomarbeit/Examensarbeit zu erstellen, fallen gelassen wird, kann man aber auch so ehrlich sein und den Titel "Hochschule" mit beerdigen. ...

    Da scheint mir der Hase im Pfeffer zu liegen: Früher hatte die Rechtspflegerausbildung im Gegensatz zum Jurastudium berechtigterweise den Ruf, sehr praxisbezogen zu sein. Im Lauf der Jahre und Jahrzehnte hat die Schule in Hildesheim (die früher, als sie noch in Hannover ansässig war, meines Wissens einfach nur "Rechtspflegerschule" hieß) immer mehr Wert auf wissenschaftliches Arbeiten bis hin zur Diplomarbeit gelegt. Da liegt die Vermutung nahe, dass dabei nicht nur Ausbildungsinhalte, sondern - zumindest auch - das Ansehen der Schule und dessen Aufwertung in den Blick genommen wurden.

    Möglicherweise ist es das, was den betroffenen Anwärterinnen und Anwärtern sowie uns, die wir auf ausgebildeten Nachwuchs für die notwendige Verstärkung in der Praxis warten, jetzt vor die Füße fällt.

    "Willst du den Charakter eines Menschen erkennen, so gib ihm Macht." (Abraham Lincoln)


  • Das dritte Studienjahr beginnt mit den Examensklausuren und der Abgabe der Diplomarbeit. Vor den Examensklausuren gab es eine kurze Vorbereitungszeit. Dann bestand das 3. Jahr aus warten, warten, warten und wurde mit logischerweise, da ja schon alles geschrieben war- mit nicht-klausurrelevanten Themen gefüllt.

    Zusammenfassend: reinkommen (machbar), Höllenjahr (sagt der Name), Klausuren , Langeweile bzw. nervenaufreibendes Warten...

    Interessant. Man schreibt also das Examen Monate vor dem eigentlichen Studienende? Und dann komm noch einiges an Stoff?
    In meiner offensichtlich einfachen Weltsicht heißt Examen eigentlich Abschluss und nicht irgendwann zwischendurch. Die Welt ist doch bunter als gedacht.

  • Ich kann ja nur für ein anderes Bundesland sprechen (will sagen: Ich äußere hier meine rein private Meinung!), aber wenn man Bewerbungsfristen immer weiter verlängern muss und die Anforderungen bereits in den Vortest runterschrauben muss, dann darf sich die Praxis eher glücklich schätzen, dass 20 % durchfallen.
    1. weil es nur 20 % waren.
    2. weil genau diese 20 % (noch) nicht in die Praxis kommen, wo sie dann vermutlich dem öffentlichen Glauben des Datenbankgrundbuchs schaden würden.

    Genau hier liegt ein (sicher nicht das einzige) Problem. Und das betrifft nach meinen Kenntnissen und Erfahrungen im Rahmen der Ausbildung nicht den gehobenen Dienst, sondern auch den mittleren. Natürlich kann man nicht alles an Noten festmachen, das wäre auch unfair, denn es kann sowohl der 15-Punkte-Kandidat praktisch eine Pfeife sein, als auch der 5-Punkte-Kandidat praktisch sehr gut. Aber mal Butter bei die Fische: Rechtspflege ist - Praxis hin oder her - ein theoretischer Beruf. Es sind Gesetze anzuwenden. Da spielt mein persönliches Empfinden - so traurig das Individualschicksal auch sein mag - keine Rolle. Ich muss mit dem Gesetz umgehen können. Wenn nun also Schulabgänger das Rechtspflegestudium (oder aber eben die Ausbildung im mittleren Dienst) beginnen können, die vor ein paar Jahren noch nicht einmal zum Einstellungstest eingeladen worden wären, dann kommen auch 20% Durchfaller schnell zu Stande.
    Dazu kommen natürlich sinkende Bewerberzahlen. Die Justiz (und allgemein der öffentliche Dienst) ist für die Jugend oft kein attraktiver Arbeitgeber. Die Top-Schulabgänger kommen daher in vielen Fällen gar nicht erst zu uns oder entscheiden sich dann doch für etwas anderes. Ja, sicher wird sich das mit einer schlechteren Konjunkturphase auch mal wieder ändern, aber man muss derzeit mit dem arbeiten, was man hat.
    Letztlich kann man auch das Klischee der Generation Z bedienen. Ich bin davon nicht so der Freund, alle in einen Topf zu schmeißen. Aber es ist zu beobachten, dass viele Schulabgänger heutzutage wenig selbstständig sind. Sie müssen erst lernen, selbst zu schwimmen. Man muss sie dann aber auch mal zum selber schwimmen notfalls schubsen. Teilweise wollen die Anwärter in einem STUDIUM alles vorgekaut haben. Selbst etwas erarbeiten, scheint verpönt. Wenn ich das aber nicht kann, wie soll man in der Praxis (oder eben auch nur im Examen) bestehen!?

  • Ich möchte zu bedenken geben, dass allein die vermeintlich mangelhaftere Eignung der Bewerber allein keine Erklärung sein kann, da dann die Durchfallquoten bei den übrigen Fachhochschulen ähnlich ausfallen müssten.

    Hildesheim legte zu meiner Zeit sehr viel Wert auf den Hochschulcharakter und wollte sich auch nach außen so verstanden wissen. Ob dies ein Grund für eine Quote von 20% sein kann, mag ich nicht beurteien.

    Die Quote selbst erscheint mir aber sehr hoch und in ihrer Konstanz sehr ungewöhnlich...

  • Es gibt m. E. doch wenig Gründe, warum das, was man in der freien Wirtschaft "Fachkräftemangel" nennt, beim Staat nicht auch ankommen sollte. Dort sogar noch verschärft, weil der in der Auswahl eingeschränkt ist. In der freien Wirtschaft kann man den russischen Ingenieur einstellen, wenn sein Deutsch auch nicht perfekt sein mag. Das klappt bei uns nicht.

    Wenn ich den Ruf nach dem Rechtspflegerverband höre: Was soll der denn machen? Einen Zauberer engagieren, der geeignete Anwärter aus dem Hut zaubert?

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • Es geht hier in diesem Beitrag gerade nicht um die Durchfallzahlen allgemein sondern um jene in Hildesheim. Klar kommt auch bei uns der Mangel an geeigneten Bewerbern zum Tragen- die Durchfallzahlen sind jedoch vorrangig in Hildesheim so hoch.

    Und warum nicht nach dem Verband rufen? Der sich ggf. für eine einheitliche Ausbildung stark macht (ohne Diplomarbeit bzw. ohne examensrelevante Diplomarbeit bzw. mit freiwilliger Diplomarbeit).

    Dass eine Diplomarbeit unnötig ist, sit ja quasi durch die Kollegen/Kolleginnen bewiesen, die in den anderen Schulen lernten.

  • ... Dass eine Diplomarbeit unnötig ist, sit ja quasi durch die Kollegen/Kolleginnen bewiesen, die in den anderen Schulen lernten.

    ... sowie durch diejenigen, welche ihre Ausbildung in Hildesheim vor Einführung der Diplomarbeit erfolgreich absolviert haben. :)

    "Willst du den Charakter eines Menschen erkennen, so gib ihm Macht." (Abraham Lincoln)

  • Was die Kollegen aus der Praxis am allerwenigsten gebrauchen können, sind junge Absolventen, die sich wissenschaftlich über 4 Stunden an Fragen zur funktionellen Zuständigkeit abarbeiten, aber am Publikum verzweifeln oder nicht fähig sind, zügige Entscheidungen zu treffen.

    Eine Diplomarbeit in der Rechtspflegerausbildung finde ich persönlich überflüssig. Allein die Vorstellung, dass man sich nach noch nichtmal 2 Jahren Studium hinstellen soll und nach Art der bereits existierenden tausenden Kommentaren wissenschaftliche Abhandlungen zu verfassen, geht eigentlich voll am Rechtspflegerberuf vorbei. Zu Kommentaren oder Aufsätzen oder wissenschaftlicher Auseinandersetzung kann man sich mit ausreichender Erfahrung und umfangreichen Wissen berufen fühlen.

    Außerdem halte ich das nicht für ein Qualitätsmerkmal. Ich hab vorher mein Hochschuldiplom in einer anderen Disziplin gemacht und kann berichten, dass etliche Studenten mit hingeschluderten Diplomarbeiten das Mindestmaß an wissenschaftlicher Qualität erfüllten, als Nebenbeschäftigung zum WorldofWarcraft-Spielen die notwendige Seitenzahl zusammenkritzelten und dann ebenso die Hürde geschafft haben. Da war die Diplomarbeit notwendiges Übel, die allein kaum einen Durchfallgrund lieferte. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das an einer Rechtspflegerhochschule mit Diplomarbeitspflicht anders ist. Die Arbeit während der Praxiszeit zu schreiben ist durchaus machbar.
    Außerdem ist aus den Durchfallerzahlen nicht erkennbar, ob es an der Diplomarbeit lag oder nicht.
    Schriftliche und vor allem mündliche Prüfungen mit Prüfern aus der Praxis erfüllen die Anforderungen an eine Leistungsprüfung und Eignungsprüfung wesentlich besser.

    Zur Qualität der derzeitigen Anwärter: Ich bilde bei uns aus und muss sagen, dass die letzten Jahrgänge ein ärmliches Bild abgeben. Sie sind zwar nicht blöd. Aber ich habe meine liebe Müh, dass die Lehrgespräche nicht einseitig werden. Kaum Feedback, kaum inhaltliche Auseinandersetzung. Nur tote Augen und gähnende Leere in den Gesichtern. Ich will eigentlich von keinen von denen später mal vertreten werden.

    Wie man so hört sind in Hessen auch dieses Jahr wieder Leute durch die schriftlichen Examen durchgefallen. Für das OLG Frankfurt (also abzüglich der Rpfl Absolventen, die sich das Ministerium und die Generalstaatsanwaltschaft wegschnappt) stehen angeblich nur 18 Anwärter zur Verfügung, wenn diese dann die mündlichen Examen schaffen. Das waren vor wenigen Jahren mal um die 50 und so viele brauchen die Amtsgerichte eigentlich auch (mindestens).

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