Erhöhungsantrag Vollstreckung nach Abgabenordnung / Zuständigkeit

  • Einen schönen Tag wünsche ich Euch! :)

    Mit Pfändungs- und Einziehungsverfügungen einer Krankenkasse wurden dem Schuldner nach Abgabenordnung sowohl das Pfändungsschutzkonto als auch sein Arbeitslohn gepfändet. Auf dem Pfändungsschutzkonto gehen daher lediglich die unpfändbaren Beträge des Arbeitslohnes ein, weshalb der Schuldner bei der Krankenkasse eine Anpassung des pfandfreien Betrages auf dem Pfändungsschutzkonto dahingehend beantragt hat, dass der Freibetrag auf das jeweils monatlich eingehende, pfandfreie Arbeitseinkommen festzusetzen sei. Kein Problem insoweit.

    Die Krankenkasse hat den Antrag des Schuldners jedoch formlos abgebügelt (warum, erschließt sich mir nicht). Das Ganze ist dann von dem Schuldner beim Verwaltungsgericht anhängig gemacht worden. Dort stellte dieser den Antrag erneut und gleichlautend. Das Verwaltungsgericht hat nun beschlossen, der Verwaltungsrechtsweg sei unzulässig und hat die Sache an das Vollstreckungsgericht (also mich) verwiesen mit der Begründung, es handle sich bei dem Antrag des Schuldners um einen Antrag nach 850 l ZPO, über welchen das Vollstreckungsgericht zu entscheiden habe.

    Um einen Antrag nach 850 l ZPO handelt es sich aber eben gerade nicht, sondern um einen Antrag nach 850 k Abs. 4 ZPO. Was tun?

    Danke vorab für Eure Unterstützung!

  • starker Tobak.

    Über §319 AO gelten die §§850 - 852 ZPO (folglich auch §850k IV) sinngemäß, also für die Vollstreckungsbehörde.

    Die holst du über §309 AO ins Boot.

    Der Gang des Schuldners zum Verwaltungsgericht war richtig, vgl. auch:
    http://www.landesrecht-bw.de/jportal/?quell…=L&doc.norm=all
    "2. Soweit mit einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung ein Pfändungsschutzkonto gepfändet wird, nimmt die Vollstreckungsbehörde die Aufgaben des zivilgerichtlichen Vollstreckungsgerichts wahr. Sie entscheidet in eigener Zuständigkeit jedenfalls dann von Amts wegen über die Festsetzung eines von den Absätzen 1, 2 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 3 abweichenden pfändungsfreien Betrag nach § 850k Abs. 4 ZPO, wenn der Vortrag des Vollstreckungsschuldners hierzu Anlass bietet"

    "verweigert sie die Prüfung eines weitergehenden Freibetrags nach § 850k Abs. 4 ZPO ist vorläufiger Rechtsschutz durch Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung zu gewähren"


    Soweit hast du ja alles auch schon selbst erklärt.

    Problem ist natürlich, das mit dem §850l gemäß §309 tatsächlich du im Boot säßest, was du aber rechtlich nicht tun solltest, da der Sachverhalt meiner Meinung nach ganz klar ist.

    Mir würde da spontan nur §17a II 1 GVG einfallen?... Ist die Abgabe hierüber erfolgt?

    Möglicherweise hätte die Abgabe dann keine Bindung entfaltet:
    6 AV 11/19, BVerwG.
    "2. Auch ein fehlerhafter, aber in Rechtskraft erwachsener Verweisungsbeschluss an ein Gericht einer anderen Gerichtsbarkeit ist gemäß § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG hinsichtlich des Rechtswegs bindend. Das gilt nur dann nicht, wenn die Entscheidung ausnahmsweise schlechthin nicht mehr zu rechtfertigen ist, d.h. nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist, so dass objektiv ein willkürlicher Verstoß gegen den Grundsatz des gesetzlichen Richters vorliegt (hier bejaht)."

    Ist auf jeden Fall ganz schöner Mist.
    Wie ist denn die Anwendung von §850l begründet?

    "Jemand hat mir mal gesagt, die Zeit würde uns wie ein Raubtier ein Leben lang verfolgen. Ich möchte viel lieber glauben, dass die Zeit unser Gefährte ist, der uns auf unserer Reise begleitet und uns daran erinnert jeden Moment zu genießen, denn er wird nicht wiederkommen."

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    -Die Seenotretter, DGzRS-

  • Vielen Dank, Intrepid!

    nach der von dir zitierten Entscheidung ist eindeutig die Krankenkasse zuständig über Anträge nach § 850k IV ZPO zu entscheiden. Vielen dank fürs Suchen und Finden!

    Tjo, das Verwaltungsgericht begründet seine Entscheidung im Grunde gar nicht. Zitat: "Bei dem Antrag handelt es sich, soweit ersichtlich, um einen solchen nach 850 l ZPO (Anordnung der Unpfändbarkeit von Kontoguthaben auf dem Pfändungsschutzkonto); über diesen bzw. eine einstweilige Anordnung vor Entscheidung entscheidet das Vollstreckungsgericht, § 764 ZPO."

    Die Verweisung erfolgte nach § 764 ZPO.

    Wäre es ein Antrag nach 850 l ZPO, wäre dies ja auch zutreffend. Ist es aber nicht, und zwar eindeutig nicht. An die Abgabe hierher durch das Verwaltungsgericht bin ich aber gebunden, wenn ich das richtig sehe... Und nun? Gebe ich nach §17a II 1 GVG zurück an die Krankenkasse? Die ja bereits entschieden hat - per formlosen Brief an den Schuldner alá geht nicht und gibts nicht. Hm. Ich bin ratlos.

  • Auch wenn es dem Schuldner nicht hilft:

    M. E. müsste man den gestellten Antrag nach 850 l ZPO bereits wegen der Unzuständigkeit des Vollstreckungsgerichts zurückweisen.

    Dann kann sich das Landgericht im Rahmen der Beschwerde dazu äußern.

  • Auch wenn es dem Schuldner nicht hilft:

    M. E. müsste man den gestellten Antrag nach 850 l ZPO bereits wegen der Unzuständigkeit des Vollstreckungsgerichts zurückweisen.

    Dann kann sich das Landgericht im Rahmen der Beschwerde dazu äußern.

    Das halte ich für gefährlich.
    Denn mit 850 l ist das AG ja tatsächlich im Boot, 309 III 2 AO, eine sehr dubiose Vorschrift.


    Es geht sich ja darum, dass das VerwG den Antrag falsch ausgelegt hat.

    Das Problem ist halt leider, das bringt keinen weiter.

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  • Ich befürchte, du hast jetzt, kraft verwaltungsrichterlicher Auslegung einen Antrag nach §850l auf dem Tisch, den du bescheiden musst. Das Vorbringen des Schuldners ist jedoch für §850l total unpassend, folglich würde ich -rein rechtlich- den Antrag nach §850l zurückweisen. Gleichzeitig verbunden mit einer gesalzenen und gepfefferten Note, wer den Antrag eigentlich hätte bescheiden müssen.[/INDENT]

    M.E. kann das verweisende Gericht nicht die Auslegung des Antrags vorgeben. Wenn ein Antrag nach 850k IV gestellt ist, dann dürfte er auch als solcher zu behandeln sein.

    Wenn du die Verweisung als bindend ansiehst, wirst du den Antrag so zu bescheiden haben, wie er gestellt ist, nicht so, wie ihn das VerwG versteht.

  • Wie wäre es denn, über den gestellten Antrag zu entscheiden?
    Klar geht es einem gegen den Strich, aber die Drittschuldnerin wird es vermutlich akzeptieren, dem Schuldner ist geholfen, und die Krankenkasse bekommt eine Abschrift, die sie für das nächste Mal - samt Begründung - als Muster verwenden kann.
    Es wird sich kaum jemand beschweren.

    Oder doch? - lustig wird es, wenn die Krankenkasse sich beschwert.
    Mit einer aussagekräftigen Begründung sollte sich das aber verhindern lassen.

  • Ich befürchte, du hast jetzt, kraft verwaltungsrichterlicher Auslegung einen Antrag nach §850l auf dem Tisch, den du bescheiden musst. Das Vorbringen des Schuldners ist jedoch für §850l total unpassend, folglich würde ich -rein rechtlich- den Antrag nach §850l zurückweisen. Gleichzeitig verbunden mit einer gesalzenen und gepfefferten Note, wer den Antrag eigentlich hätte bescheiden müssen.[/INDENT]

    M.E. kann das verweisende Gericht nicht die Auslegung des Antrags vorgeben. Wenn ein Antrag nach 850k IV gestellt ist, dann dürfte er auch als solcher zu behandeln sein.

    Wenn du die Verweisung als bindend ansiehst, wirst du den Antrag so zu bescheiden haben, wie er gestellt ist, nicht so, wie ihn das VerwG versteht.

    Eigentlich würde ich dir ja zustimmen.
    Aber nur dadurch, durch das "Vorgeben der Auslegung", sitze ich im Boot.

    M.E. ist die Verweisung bindend. Nur ich KANN UND DARF ja eben keinen Antrag nach §850k IV bescheiden.
    Weil dafür nach §319 AO ja die Vollstreckungsbehörde/im einstw. RS das VerwG zuständig wären.

    Die Katze beißt sich also in den Schwanz.
    Weil wenn ich widerum hingehe, und auslege, und zu 850k IV käme, was ja ohne Zweifel richtig ist, würde ich ja sagen: Momentchen mal, nicht zuständig, Rückverweisung aber nicht möglich, da Bindungswirkung.


    Oder hab ich ein Brett vorm Kopf?

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  • M.E. ist die Verweisung bindend.

    Wenn überhaupt etwas bindend ist (die Frage lasse ich mal offen), dann die Verweisung als solche, nicht die Auslegung des Antrags.

    Nur ich KANN UND DARF ja eben keinen Antrag nach §850k IV bescheiden.

    Durch die unrichtige Verweisung wird "kann und darf nicht" m.E. zu "muss aber trotzdem" (Bindungswirkung unterstellt)


    Die Katze beißt sich also in den Schwanz.
    Weil wenn ich widerum hingehe, und auslege, und zu 850k IV käme, was ja ohne Zweifel richtig ist, würde ich ja sagen: Momentchen mal, nicht zuständig, Rückverweisung aber nicht möglich, da Bindungswirkung.

    Wenn die Verweisung bindend ist, bedeutet das m.E., dass man einen Antrag am Hals hat, für den man nicht zuständig sein sollte, über den man jetzt aber durch die unrichtige Verweisung eben doch entscheiden muss. Die Verweisung "ersetzt" quasi eine gesetzliche Zuständigkeit


  • Ja tut mir leid, war blöd formuliert.

    Ich meinte natürlich den (tatsächlich vorliegenden) Antrag nach § 850k Abs. 4 ZPO, für den keine Zuständigkeit des VG besteht. Dieser müsste dann m. E. mangels Zuständigkeit durch das VG zurückgewiesen werden (und natürlich in den Gründen erscheinen, dass mitnichten ein Antrag nach § 850l ZPO vorlag).

  • achso okay, :zustimm:


    BadBanker:
    Danke für den Link, das Thema scheint auch damals heftig polarisiert zu haben und für ordentlich Haare raufen gesorgt zu haben.

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  • Ganz herzlichen Dank für Eure Gedanken und Links! Ihr habt mir sehr geholfen! :)

    Nachdem die ganze Kiste nicht ohne Weiteres aus dem Dreck zu holen ist, habe ich mich entschieden, im Interesse des Schuldners zu versuchen, eine formlose Klärung mit der Krankenkasse herbeizuführen. Vielleicht kann ich ja durch ein aufklärendes Schreiben erreichen, dass die Krankenkasse zu der Einsicht gelangt, dass der Freibetrag auf dem Pfändungsschutzkonto von der Krankenkasse selbst auf das pfändungsfreie Arbeitseinkommen, welches dort monatlich eingeht, anzupassen ist.

    Wünscht mir Glück. ;)

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