(Nicht-)Berücksichtigung eines Unterhaltsberechtigten

  • Schuldner ist ein Zahnarzt im Ruhestand.
    Gepfändet wurde wegen Forderungen aus Warenlieferungen / Dienstleistungen für die Zahnarztpraxis.

    Gepfändet wurden die Ansprüche des Schuldners gegen:

    1.) Rententräger A
    2.) Rententräger B
    3.) Bank ( Konto)

    Dabei wurde die Zusammenrechnung der beiden Renten angeordnet.
    Der unpfändbare Teil wird aus den Ansprüchen gegen 1.) Rententräger A entnommen.
    Ein Teil der Leistungen dort ist pfändbar, die Ansprüche gegen die Dschin zu 2.) sind komplett pfändbar.

    Der Gläubiger hatte einen Antrag auf Nichtberücksichtigung eines Unterhaltsberechtigten nach § 850 c Abs. 4 ZPO gestellt.
    Er legt dabei Kontoauszüge des Schuldners für etwa 3 Monate vor, der Anspruch auf Herausgabe war mit og. Pfüb mitgepfändet worden.

    Der hat einen Sohn, Jahrgang 1994, der auswärts studiert und abgesehen von Kindergeld und einer Halbwaisenrente (insgesamt 368 Euro) kein eigenes Einkommen haben will.
    Der Schuldner gibt an, seinem Sohn regelmäßig Unterhalt zu zahlen (400,00 Euro) und zwar durch Übergabe von Bargeld.
    Er kann dies allerdings nicht belegen.
    Weder gehen aus den Kontoauszügen Zahlungen an den Sohn hervor, noch kann ich Abhebungen erkennen, aus denen sich die Übergabe von 400,00 Euro herleiten ließe.
    Aus den Kontoauszügen gehen lediglich einzelne Zahlungen / Überweisungen an Dritte hervor, so zB. einige Paypalzahlungen, bei denen es sich nach Aussage des Schuldners um Zugtickets für den Sohn zur Heimreise und zurück handeln soll.
    Der Gläubiger bestreitet darüber hinaus, dass der Schuldner zur Zahlung von Unterhalt verpflichtet ist, da der Sohn zu alt ist bzw. keine Immatrikulationsbescheinigung vorlegen konnte (Er hat dieses eine Semester angeblich auf Grund gesundheitlicher Probleme ausgesetzt).

    Eine Kollegin hatte als Vertreterin in der Akte dem Antrag des Gläubigers stattgegeben und angeordnet, dass der Sohn des Schuldners bei der Berechnung des pfändbaren Betrages unberücksichtigt zu bleiben hat.
    Als Begründung hat die Kollegin angeführt, dass der Schuldner nicht nachgewiesen hat, tatsächlich Unterhalt zu leisten.

    M.E. ist der Beschluss falsch, da § 850 c Abs. 4 ZPO voraussetzt, dass Unterhalt gezahlt wird.

    Allerdings: nach § 850 Abs. 1, 2 ZPO wäre ein klarstellender Beschluss möglich, dass der Sohn aufgrund nicht gezahltem Unterhalt unberücksichtigt bleiben soll.
    Nach diesem Forenbeitrag könnte man darüber streiten, ob der klarstellende Beschluss tatsächlich die Nichtberücksichtigung dieses Sohnes anzuordnen hat, oder sich klarstellend auf die Auslegung des Gesetzes beschränkt, etwa im Sinne von:
    „wird klargestellt, dass die Tochter der Schuldnerin als Unterhaltsberechtigte Person bei der Berechnung des pfandfreien Betrages unberücksichtigt zu bleiben hat, sofern die Schuldnerin gegenüber der Drittschuldnerin nicht regelmäßig Unterhaltszahlungen an ihre Tochter belegt.“

    Um das ganze komplizierter zu machen:

    Der Schuldner stellt nun zwei neue Anträge:
    Er legt einen Vorauszahlungsbescheid des Finanzamtes vor, wonach er vierteljährlich 185,00 Euro an Vorauszahlungen auf seine Steuerschuld zu leisten hat.
    Er beantragt, den pfändungsfreien Betrag entsprechend anzuheben.
    Ich bin geneigt, diesem Antrag stattzugeben, da er ansonsten gegenüber einem angestellten Arbeitnehmer benachteiligt wäre, dieser erhält ja seinen pfandfreien Betrag ja erst nach Zahlung der Steuerschuld.

    Darüber hinaus legt er nun eine Immatrikulationsbescheinigung des Sohnes für das Wintersemester 2019 / 2020 vor, um zu belegen, dass das Studium wieder aufgenommen wurde und somit die Unterhaltsverpflichtung besteht.
    Der Schuldner möchte zukünftig 400,00 Euro monatlich an seinen Sohn überweisen.

    Der Gläubiger stellt sich diesen Anträgen entgegen.
    Ua. trägt er vor, dass dem Schuldner weiteres Einkommen zur Verfügung steht.
    Mir werden Berechnungen zur Rente eingereicht, aus denen sich scheinbar ein weiteres Einkommen bei der Berechnung ergibt, allerdings handelt es sich nur um einzelne Seiten und mir wird nicht deutlich, um welches Einkommen es sich handeln soll.
    Der Gläubiger bietet Beweis an durch Vernehmung der Sachbearbeiterin bei der Rentenversicherung B.

    M.E. wäre dieses weitere Einkommen unbeachtlich, da es nicht Gegenstand dieser Pfändung und eine Zusammenrechnung bislang nicht beantragt worden ist (eine Beweiserhebung findet im Zwangsvollstreckungsverfahren ja ohnehin nicht statt).

    Bezüglich der Unterhaltsverpflichtung:
    Wie weit prüfe ich, ob eine Unterhaltsverpflichtung besteht?
    Grundsätzlich gehe ich ja von einer Unterhaltsverpflichtung aus, da sich der Sohn derzeit noch in ihrer „Erstausbildung“ befindet, also noch keine abgeschlossene Berufsausbildung hat.
    Nach der Düsseldorfer Tabelle ergibt sich ein Bedarf von 735,00 Euro, womit die Unterhaltszahlung in Höhe von 400,00 Euro fast in Ordnung sein dürfte.
    Problematisch ist für mich, dass Gesetz / Kommentierung eine Berücksichtigung nur zulassen, wenn der Unterhalt tatsächlich gewährt wird.
    Bewiesen hat dies der Schuldner bislang nicht.
    Mit der Ablehnung des Antrages würde ich ihm aber eine Zahlung auch für die Zukunft unmöglich machen.
    Das kann es m.E. ja auch nicht sein und hätte zur Folge, dass sich der Sohn zunächst einen Titel besorgen und gegen seinen Vater vollstrecken müsste, auf Grund des Ranges nach dem hier vollstreckenden Gläubiger auch nur einen Teil (Differenz aus den Selbstbehalten nach 850 c - 850 d ZPO) erhält.

    Darüber hinaus "stört" mich der Beschluss der Kollegin nach § 850 c Abs. 4 ZPO, den ich ja für falsch halte, der aber mangels Rechtsmittel rechtskräftig geworden ist.

    Evtl. hat hier ja Jemand eine zündende Idee...

    Vielen Dank im Voraus!

  • Warum, erstens hat der Gläubiger ein Rechtsmittel, zweitens kann bei evtl. Änderung nach 850g ZPO verfahren werden?
    Nach BGH-Rechtsprechung wären gemäß § 836 III ZPO Kontoauszüge vom Schuldner nur ab Pfändung herauszugeben, nicht ab3 Monate davor (so BGH, Beschluss vom 08.03.2012, -VII ZB 99/10-). Dr Drittschuldner hatauch keine Kontoauszüge herauszugeben, vgl. BGH, Beschluss vom 23.02.2012, -VII ZB 59/09-.

  • Das Schuldnerbegehren ist nach § 850f ZPO zu werten. Und vorab: den kann er immer wieder bringen, wenn sich in seiner Situation was ändert.
    Die Gefahr besteht daher nicht, den Sohn auf immer und ewig den zivilrechtlichen Weg für seinen möglichen Unterhaltsanspruch zu zwingen.

    Ich für meinen Teil lasse jegliche Unterhaltszahlung nur durchgehen, wenn die Zahlung notwendig ist und tatsächlich geleistet wird.
    Tatsächlich konnte sie für die vergangene Zeit nicht berücksichtigt werden, da kein Nachweis.
    Ob sie jetzt noch notwendig ist (Art des Studiums [Erst/Zweit/Dritt], welches konkrete Studienjahr, schulische Vorbildung, etc.) steht nach dem lückenhaften Sachverhalt noch im Raum.

    "Ändere die Welt, sie braucht es." Brecht

    K. Schiller: "Genossen, lasst die Tassen im Schrank"


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  • Zur Steuer ganz aktuell: BGH in IX ZB 2/18

    Danke!

    Finde ich zwar schade bzw. ungerecht, aber man hat so zumindest ne Orientierungshilfe. ;)

    Momentan ist dem Schuldner eine Leistung nicht möglich, er gewährt also keinen Unterhalt, und zwar seit dem Beschluss der Kollegin, den Sohn nicht zu berücksichtigen.

    Folgerichtig dürfte man ihn auch weiter nicht berücksichtigen, das kann ja aber kein Endlos-Modus werden.

  • Ich muss sagen: Ich finde dieses Ergebnis sehr ungerecht.
    Es kann doch nicht das Ergebnis sein, dass der Schuldner auf Grund einer Entscheidung aus der Vergangenheit, nach der eine Person nicht als unterhaltsberechtigte Person zu berücksichtigen ist, den Unterhalt nicht leistet und dann nach Änderung des Lebenssachverhaltes, nach der die Unterhaltspflicht besteht, diese nicht bedienen kann, weil die ihm gesetzlich zustehenden Freibeträge entzogen wurden.

    Das ist doch in hohem Maße schizophren!

    Im Übrigen schlägt die zitierte Entscheidung m.E. hier nicht ein.
    In der vom BGH entschiedenen Konstellation ging es um eine Steuerverbindlichkeit.
    Das ist doch - insbesondere vollstreckungsrechtlich - nicht das gleiche wie eine Unterhaltsschuld.
    Die Steuerverbindlichkeit ist nicht gesetzlich privilegiert.
    Die Unterhaltsschuld schon.

    Muss sich der Schuldner erst auf Unterhalt verklagen lassen, damit die Rückstände privilegiert vollstreckt werden?
    Führt das dann dazu, dass die Unterhaltspflicht wieder berücksichtigt wird?

    Letztlich muss es möglich sein, dass der Schuldner die Aufhebung der damaligen Entscheidung beantragt, weil die Gründe für die damalige Entscheidung weggefallen sind. In der Folge leistet er Unterhalt und weist dies dem Drittschuldner nach. Dieser erhöht dann bei sich den pfändungsfreien Betrag.

    Wenn der Gläubiger meint, der Unterhalt werde immer noch nicht gezahlt, soll er den Drittschuldner verklagen.

    OT:
    Ich halte die (insb. auch beim BGH) verbreitete Auffassung hinsichtlich der klarstellenden Entscheidungen über unterhaltsberechtigte Personen für insgesamt hochgradig daneben.
    Grade Konstellationen wie die vorliegende mit Unterhaltsverpflichtungen gegenüber volljährigen Kindern sind im Vollstreckungsverfahren nicht sinnvoll zu lösen und gehören zum Rechtsverhältnis zwischen Drittschuldner, Gläubiger und Schuldner und sollten im Drittschuldnerprozess geklärt werden.

    Ich kaufe ein "I" und möchte lösen! -BOCKWURST-


    Wenn ich sterbe, sollen meine Überreste in Disneyland verstreut werden.
    Außerdem möchte ich nicht verbrannt werden.

  • Ich muss sagen: Ich finde dieses Ergebnis sehr ungerecht.
    Es kann doch nicht das Ergebnis sein, dass der Schuldner auf Grund einer Entscheidung aus der Vergangenheit, nach der eine Person nicht als unterhaltsberechtigte Person zu berücksichtigen ist, den Unterhalt nicht leistet und dann nach Änderung des Lebenssachverhaltes, nach der die Unterhaltspflicht besteht, diese nicht bedienen kann, weil die ihm gesetzlich zustehenden Freibeträge entzogen wurden.

    ...

    Ich halte die (insb. auch beim BGH) verbreitete Auffassung hinsichtlich der klarstellenden Entscheidungen über unterhaltsberechtigte Personen für insgesamt hochgradig daneben.
    Grade Konstellationen wie die vorliegende mit Unterhaltsverpflichtungen gegenüber volljährigen Kindern sind im Vollstreckungsverfahren nicht sinnvoll zu lösen und gehören zum Rechtsverhältnis zwischen Drittschuldner, Gläubiger und Schuldner und sollten im Drittschuldnerprozess geklärt werden.

    Ich sehe das genau so.
    Danke für die schöne Formulierung am Ende, das werde ich im Beschluss "verbauen"... ;)


    Im Übrigen schlägt die zitierte Entscheidung m.E. hier nicht ein.
    In der vom BGH entschiedenen Konstellation ging es um eine Steuerverbindlichkeit.
    Das ist doch - insbesondere vollstreckungsrechtlich - nicht das gleiche wie eine Unterhaltsschuld.
    Die Steuerverbindlichkeit ist nicht gesetzlich privilegiert.
    Die Unterhaltsschuld schon.

    Ich glaube, das ist nun missverstanden worden: Der Schuldner hat ja tatsächlich eine Erhöhung des Freibetrages auf Grund seiner Steuerschuld beantragt, parallel zu der Unterhaltsproblematik.

  • Es kann doch nicht das Ergebnis sein, dass der Schuldner auf Grund einer Entscheidung aus der Vergangenheit, nach der eine Person nicht als unterhaltsberechtigte Person zu berücksichtigen ist, den Unterhalt nicht leistet und dann nach Änderung des Lebenssachverhaltes, nach der die Unterhaltspflicht besteht, diese nicht bedienen kann, weil die ihm gesetzlich zustehenden Freibeträge entzogen wurden.

    Ich sehe das genau so.
    Danke für die schöne Formulierung am Ende, das werde ich im Beschluss "verbauen"... ;)

    Zum jetzigen Zeitpunkt sehe ich das ehrlich gesagt noch nicht so kritisch.
    Er kann ja den § 850f ZPO ziehen, dessen Absatz 1 im Wortlaut nur darauf abstellt, ob eine Unterhaltsverpflichtung besteht.
    Denn das ist die Frage, die hier noch zu klären ist.

    Bisher tut er so, als ob für die Vergangenheit eine bestanden habe, aber selbst den Nachweis, jener Pflicht dann nachgekommen zu sein, bleibt er schuldig. Doppelfehler quasi.
    Sofern die Voraussetzungen vorliegen (nach denen er dem Sprössling gegenüber pflichtig ist), wäre ihm auch ein Mehrbedarf zuzugestehen.

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