Befristete Anordnung der Unpfändbarkeit § 850 l ZPO

  • Ich stehe ein bisschen auf dem Kriegsfuss mit der Wirkung der befristeten Anordnung der Unpfändbarkeit. Eine Schuldnerin stellt einen entsprechenden Antrag auf Anordnung für 12 Monate. Im Schreiben führt sie aus, dass sowohl ihr Arbeitseinkommen als auch das P-Konto gepfändet sind. Der Freibetrag wurde letztes Jahr vom Kollegen auf das überwiesene pfändungsfreie Arbeitseinkommen erhöht. Ende Mai wurde ihr Kind geboren, seit Anfang September ist sie offiziell in Elternzeit, das Einkommen bleibt unter der Freigrenze. Am 17.9.2019 hat sie von der Elterngeldstelle wohl eine höhere Überweisung für mehrere Monate bekommen, weiterhin hat sie eine Nebenkostenrückzahlung erhalten und die Steuerrückerstattung ihres Mannes aufgrund ihres Fehlers auf ihr statt auf sein Konto erhalten. Im Übrigen stellt sie Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung. Hintergrund ist vermutlich, dass sie versucht, über die Anordnung der befristeten Unpfändbarkeit die Auskehrung pfändbarer Beträge zu verhindern. Ist dies möglich? Ich gehe davon aus, dass der Antrag auf Einstellung zunächst die genannten Beträge sichern soll, um dann im Rahmen der Unpfändbarkeit über sie verfügen zu können. Wie seht ihr das?

  • ob bei der Nebenkosten- und der Steuererstattung (die wahrscheinlich den Ehepartnern gemeinsam zustehen wird) noch von überwiegend unpfändbaren Beträgen gesprochen werden kann, ist individuell zu beurteilen und hängt auch von der Höhe ab.
    Die Elterngeldnachzahlung wäre für den Leistungszeitraum zu betrachten und insoweit auf die einzelnen Monate umgelegt unpfändbar.
    Verbringt sie die nächsten 12 Monate auch in Elternzeit (und wären keine Erstattungen von Vermieter, Versorger oder Finanzamt zu erwarten), könnte sie zumindest glaubhaft machen, dass in den nächsten 12 Monaten keine pfändbaren Beträge auf dem Konto ankommen.

    Fängt sie wieder an zu arbeiten, wird es etwas komplizierter.
    Zwar käme momentan nur der unpfändbare Teil des Arbeitseinkommens an. Das kann sich bei Wegfall der Lohnpfändung jedoch ändern.
    Eine Entscheidung nach § 850l ZPO wirkt sich aber auf alle (auch künftigen) Pfändungen aus und nicht wie die Entscheidung des Kollegen nach § 850k Abs. 4 ZPO auf die im Beschluss benannten.

    Hat die Schuldnerin vorgetragen, wer alles das Konto gepfändet hat, auch etwaige öffentliche Gl.?
    Die bekannten Gl. würde ich vor einer Entscheidung allesamt anhören. Vielleicht ergibt sich aus dem Stellungnahme noch etwas, was das eigene Meinungsbild prägt.

  • Dröseln wir es mal auf.

    • Eltergeldzahlung ist für die jeweils bestimmten Monate zu betrachten.
    • Nebenkostenabrechnung ist einmaliger Posten - idR. passt der Vermieter in der Folge die Vorauszahlung an, d.h. da ist nicht viel zu erwarten.
    • Steuerersattung ist einmaliger Posten.

    Am Wortlaut des § 850l ZPO entlang scheinen alle anderen Einkünfte, daher der ganz überwiegende Teil eh unpfändbar zu sein.
    Für die Zukunft hätte ich daher (je nach Dauer der Elternzeit) weniger ein Problem.

    Wie Sie die Kuh für die bereits eingegangenen und sie über den pfändbaren Betrag katapultierenden Beträge bekommt, ist eine andere Geschichte. Was im September einging ist ggf. schon vom DS ausgekehrt oder ist da was beantragt? Ansonsten Glück gehabt für Sie, dass sie einen hohen, noch aus der Arbeitszeit resultierenden, Freibetrag hat.


    Hinweis: Bissl redundant, das Winter gleichschnell war, aber vielleicht kein Fehler.

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    "Zu sagen, man müsste was sagen, ist gut. Abwägen ist gut, es wagen ist besser." Lothar Zenetti

  • Was im September eingegangen ist, kann frühestens Anfang November abgeführt werden.
    Insoweit macht eine einstweilige Einstellung durchaus Sinn, um dies zunächst zu verhindern.

    Kommt man zu dem Ergebnis, dass man dem Antrag entspricht, kommt die Schuldnerin auch ohne Probleme an das Geld was im September aufs Konto gegangen ist.

    Wie bereits gesagt: Wenn dies ein nicht unerheblicher Betrag ist, hab ich mit § 850l ZPO noch so meine Probleme, da weder die Nebenkostenerstattung noch die Steuererstattung etwas wäre, was im Rahmen von § 850k ZPO zu einer Erhöhung des Freibetrages führen würde und letztlich dem Pfändungsgläubiger zusteht.

  • Ich gehe davon aus, dass der Antrag auf Einstellung zunächst die genannten Beträge sichern soll.

    Der § 732er liegt Dir vor? Freigeben kannst Du nach Sachverhaltsermittlung immer noch.

    Was im September eingegangen ist, kann frühestens Anfang November abgeführt werden.

    Gesetz und Wirklichkeit. Aber wenn die Schuldnerin die Einstellung beantragt hat, sollte das Geld noch da sein.

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  • Danke schon mal. Ich hab erstmal eingestellt. Das was mich an diesem Fall am meisten wurmt, ist, dass die Steuererstattung des Mannes vermutlich nicht versehentlich auf ihr Konto überwiesen wurde. Die Schuldnerin und ihr Mann sind hier leider keine Unbekannten, was die Forderungspfändung anbelangt. Würde der Ehemann die Herausgabe der Fehlüberweisung an sich fordern, wäre die vermutlich sofort weg, weil der Mann ebenfalls bis über beide Ohren verschuldet und gepfändet ist. Wenn ich für das Konto der Schuldnerin die befristete Unpfändbarkeit anordne, wäre dieser Zahlungseingang doch für die Schuldner verfügbar, oder verstehe ich da etwas falsch? Mit der Nebenkostenerstattung und der Elterngeldzahlung hätte ich gar nicht so das Problem gehabt. Oder unterliege ich da einem Verständnisfehler?

  • .... Wenn ich für das Konto der Schuldnerin die befristete Unpfändbarkeit anordne, wäre dieser Zahlungseingang doch für die Schuldner verfügbar, oder verstehe ich da etwas falsch?....

    Mit einem Beschluss nach § 850l ZPO entfallen die Wirkungen der Pfändungen sämtlicher Gl. und der Schuldner kann in vollem Umfang über das Kontoguthaben (was da ist und was kommt) verfügen.


    ....Mit der Nebenkostenerstattung und der Elterngeldzahlung hätte ich gar nicht so das Problem gehabt. Oder unterliege ich da einem Verständnisfehler?

    In Ermangelung einer Rechtsgrundlage unterläge die Nebenkostenerstattung in voller Höher der Pfändung, soweit über diese nicht aufgrund der anderweitiger Nichtausschöpfung des Freibetrages verfügt werden kann.

  • Auch wenn eine Überweisung des vollen Betrages an die Schuldnerin erfolgt ist, kann eine Herausgabe an den Ehemann nicht erfolgen. Das LG Köln hat entschieden, dass eine Erhöhung des Freibetrages in solchen Fällen nicht in Betracht kommt. Es gibt halt einen neuen Gläubiger und das ist der Ehemann.
    Wenn du das Verfahren einstweilen einstellst, friert man den Betrag doch ein. Es kann keine Auszahlung an den Gläubiger und auch nicht an den Schuldner erfolgen. Daher gibt es keine Gefahr, dass die Schuldnerin das Geld verbraucht.

    Lasst ja die Kinder viel lachen, sonst werden sie böse im Alter. Kinder, die viel lachen, kämpfen auf der Seite der Engel.
    Hrabanus Maurus


    Nach manchen Gesprächen mit einem Menschen hat man das Verlangen, eine Katze zu streicheln, einem Affen zuzunicken oder vor einem Elefanten den Hut zu ziehen.
    Maxim Gorki



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