Auflassungsvormerkung und Erbteilspfändung

  • Die Erbengemeinschaft hat das Grundstück an einen Dritten verkauft. Eine Auflassungsvormerkung wurde eingetragen. Einen Monat später wurde die Erbteilspfändung bezüglich eines Miterben eingetragen. Jetzt beantragt der Notar den Eigentumswechsel auf den Dritten und die Löschung des Pfändungsvermerks, weil die Pfändung gegenüber der sichernden Vormerkung unwirksam ist, § 883 II BGB.
    Kann ich den Pfändungsvermerk ohne Zustimmung des Berechtigten löschen ?

  • Erst mal vielen Dank für die Quelle !
    Das Verfügungsverbot wird mit dem Eigentumswechsel auf den Käufer gegenstandslos. Der Käufer hat einen Anspruch gegenüber dem Verkäufer auf Löschung des Verfügungsverbots, § 894 BGB. In meine Fall hieße das, er hat einen Löschungsanspruch gegenüber dem Berechtigten aus dem Verbot.
    Folglich brauche ich also eine Löschungsbewilligung dieses Berechtigen. Richtig ?


  • E....Der Käufer hat einen Anspruch gegenüber dem Verkäufer auf Löschung des Verfügungsverbots, § 894 BGB. ..

    Einen Anspruch aus § 894 BGB kann der Vormerkungsberechtigte nur im Falle der unwirksamen Pfändung des Miterbenanteils haben. Die Löschung erfolgt dann auf seinen Antrag und auf Bewilligung des Gläubigers in öffentlich beglaubigter Form (§§ 19 , 29 Abs. 1 Satz 1 GBO ) oder bei Offenkundigkeit bzw. Nachweis der Unrichtigkeit des Grundbuchs durch öffentliche Urkunde (§§ 22, 29 Abs. 1 Satz 2 GBO) hin; s. Becker, Vollstreckungsrechtliche Verfügungsbeschränkungen im Grundbuch“, unter V.3 in der ZfIR 2019, 253/259
    https://www.juris.de/perma?d=jzs-ZFIR-2019-08-0253-01-A-01

    Ansonsten hat der Vormerkungsberechtigte einen Anspruch aus § 888 BGB. Der BGH führt dazu in Rz. 10 des Urteils vom 2.7.2010 - V ZR 240/09 – aus (Hervorhebung durch mich):
    http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechts…827&pos=0&anz=1

    § 888 Abs. 1 BGB begründet einen unselbständigen Hilfsanspruch, der allein der Verwirklichung des durch die Vormerkung gesicherten Anspruchs dient (vgl. Senat, BGHZ 49, 263, 267; Urt. v. 5. Dezember 2003, V ZR 341/02, WM 2004, 1601, 1602; MünchKomm-BGB/Kohler, § 888 Rdn. 1; Wolf, NZM 2008, 29, 31). Während § 883 Abs. 2 BGB für das materielle Recht die relative Unwirksamkeit des Rechtserwerbs des Dritten anordnet, stellt die Vorschrift des § 888 BGB sicher, dass die nach dem formellen Grundbuchrecht notwendige Bewilligung des Betroffenen (§ 19 GBO) erwirkt werden kann (vgl. Senat, Urt. v. 5. Dezember 2003, V ZR 341/02, WM 2004, 1601, 1602). Der akzessorische Charakter des Anspruchs wird materiellrechtlich durch den Erklärungsgehalt der abzugebenden Zustimmung sichergestellt; dieser richtet sich nach dem Inhalt des vormerkungsgesicherten Anspruchs (Senat, Urt. v. 14. Juli 2000, V ZR 384/98, NJW 2000, 3496; MünchKomm-BGB/Kohler, 5. Aufl., § 888 Rdn. 13). Ist er - wie hier - auf die Übertragung lastenfreien Eigentums gerichtet, kann der Vormerkungsberechtigte nicht die Zustimmung zu einer sofortigen Löschung des Grundpfandrechts verlangen, sondern nur die Zustimmung dazu, dass das Grundpfandrecht mit der Eintragung des Vormerkungsberechtigten als Eigentümer gelöscht wird (vgl. Senat, Urt. v. 14. Juli 2000, V ZR 384/98, aaO, zu der von einem Zwischenerwerber geschuldeten Zustimmung).“

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  • Einen Anspruch aus § 894 BGB kann der Vormerkungsberechtigte nur im Falle der unwirksamen Pfändung des Miterbenanteils haben.

    Das Grundbuch wird trotz gültiger Pfändung auch bei einem wirksamen Erwerb nachträglich unrichtig. Durch Zustimmung des Verbotsgeschützten zur Veräußerung oder beim Vorliegen der Voraussetzungen des § 878 BGB. Auch dann entsteht ein Anspruch nach § 894 BGB.

    Oder bei einem gutgläubigem Erwerb. Wegen der Gutgläubigkeit ist auf den Zeitpunkt der Eintragung der Vormerkung abzustellen. In dem Augenblick war der Pfändungsvermerk noch nicht grundbuchersichtlich.

    Soweit der Notar auf § 883 BGB abstellt, wäre ein Zustimmungserfordernis nach § 888 BGB die logische Folge, ist hier aber nicht der Weisheit letzter Schluss.

  • Nun, der Notar hat aber auf § 883 Absatz 2 BGB abgestellt. Das BGB gewährleistet den Schutz des Vormerkungsgläubigers gegen erfüllungsvereitelnde oder -beeinträchtigende Verfügungen grundsätzlich durch das Zusammenspiel von § 883 Abs 2 und § 888 Abs 1 BGB (Gursky im Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2013, § 883 RN 204). Nach dem Kaufvertrag kann der Vormerkungsgläubiger verlangen, dass ihm das Grundstück übergeben und zu Eigentum verschafft wird, und zwar frei von Sach- und Rechtsmängeln (§ 433 Abs. 1 BGB), also auch frei von Rechten Dritter, die er nicht im Kaufvertrag übernommen hat (§ 435 Satz 1 BGB); s. Muthorst: „Der Zustimmungsanspruch nach § 888 Abs. 1 BGB“, DNotZ 2011, 729/730). Ich gehe daher davon aus, dass der Notarantrag auf die lastenfreie Eigentumsumschreibung gerichtet ist. Für die Durchsetzung des Anspruchs aus § 888 BGB ist nach dem hier genannten
    https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…859#post1180859
    Beschluss des BGH 5. Zivilsenat vom 02.07.2010, V ZR 240/09, nicht erforderlich, dass die Umschreibung des Eigentums bereits erfolgt ist.

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  • Die Vormerkung muss den Vormerkungsgläubiger auch dagegen schützen, dass ihre Durchsetzung an einer nachträglich gegen den Schuldner verhängten Verfügungsbeschränkung scheitert (Staudinger/Gursky, § 883 BGB RN 218 unter Zitat BGH NJW 1966, 1509; BGHZ 170, 378, 384 f = Rpfleger 2007, 333, 335 [Rn 14] und Literatur).

    Der Leitsatz aus dem Urteil des BGH vom 27. Mai 1966, V ZR 200/63 = NJW 1966, 1509 (dort Veräußerungsverbot) , lautet:

    „Der durch Auflassungsvormerkung gesicherte Grundstückskäufer hat gegenüber demjenigen, der nach Eintragung der Vormerkung gegenüber dem Grundstücksverkäufer ein Veräußerungsverbot erwirkt, in entsprechender Anwendung des BGB § 888 Abs 1 einen Anspruch auf Einschränkung dieses Verbots, soweit es zur Verwirklichung des durch die Vormerkung gesicherten Anspruchs erforderlich ist.“

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  • Ich hoffe, ich habe euch richtig verstanden. Der Käufer (Vormerkungsberechtigte) hat einen Anspruch auf Löschung gegen den Berechtigten des Verfügungsverbots (entweder aus § 888 BGB oder aus § 894 BGB). Also brauche ich eine Löschungsbewilligung ! Der Notar beantragt aber, erst die Eigentumsumschreibung vorzunehmen, danach die Erbteilspfändung als unwirksam zu löschen und sodann die Auflassungsvormerkung zu löschen

  • Also brauche ich eine Löschungsbewilligung !

    BGH, Urteilvom 23. 3.2006 - IX ZR 134/04:

    Das Berufungsgericht hat festgestellt, vor dem Erlass des Verfügungsverbots seien die Auflassung zu Gunsten der Käuferin L erklärt und eine Eigentumserwerbsvormerkung eingetragen worden. Dies habe - so hat das Berufungsgericht gemeint - jedoch nichts daran geändert, „dass ein bei Vollzugsreife im Juli 1997 gestellter Antrag auf Eintragung der Käuferin als Eigentümerin wegen des vor Antragstellung eingetragenen Verfügungsverbots vom Grundbuchamt nicht vollzogen werden durfte”. Dies ist unzutreffend. Die Vormerkung wäre schon ab Eingang des auf sie bezogenen Eintragungsantrags bindend i.S. des § 878 BGB gewesen (vgl. BGHZ 131, 189 [197] = NJW 1996, 461; BGHZ 138, 179 [186] = NJW1998, 2134). Im vorliegenden Fall war sie sogar bereits eingetragen, bevor das Verfügungsverbot in das Grundbuch gelangte. Dieses stand nach § 883 II BGB einem Rechtserwerb der Vormerkungsberechtigten L nicht entgegen (vgl. BGHZ 28,182 [186 f.] = NJW 1958, 2013; BGH, NJW 1966, 1509 = LM § 888, BGB Nr. 1 = WM1966, 710 [711]; BayObLG, ZNotP 2004, 24 [25]; Staudinger/Gursky, BGB,Neubearb. 2002, § 888 Rdnr. 34; Wacke, in: MünchKomm, 4. Aufl. § 888 Rdnr. 22). Da die Banken (Grundschuldgläubiger) gegen Auszahlung des auf dem Notaranderkonto hinterlegten Kaufpreises das Grundstück aus der Haftung freigaben, war außerdem sichergestellt, dass die Käuferin lastenfreies Eigentum erwarb. Demgemäß war diese verpflichtet, der Auszahlung vom Notaranderkonto zuzustimmen. Entgegen der Auffassung des Berufungsgericht war die Bekl. nicht daraufangewiesen, dass die Käuferin aus § 888 BGB gegen das Verfügungsverbot vorging.

    Also Folge des gegenüber dem Verbotsgeschützten wirksamen Eigentumserwerbs wird das Verfügungsverbot gegenstandslos und kann nach vorheriger Anhörung auf Antrag im Wege der Grundbuchberichtigung gelöscht werden. Darauf wollte der Notar offenbar hinaus. Geht man den Weg über § 888 BGB, benötigt man die Zustimmung des Verbotsgeschützten.

  • Zur Ergänzung: Strenggenommen ist Verfügung im Sinne von § 883 BGB die Pfändung als solche, nicht die Eintragung des Vermerks darüber. Entsprechend würde die Erklärung nach § 888 BGB zunächst der Eigentumsumschreibung gelten und nicht der Löschung des Vermerks. Entsprechend hat man meiner Ansicht nach so oder so einen gegenstandslosen Vermerk. Auch wenn man den "Umweg" (Staudinger a.a.O.) über den § 888 BGB geht. Löschung erfolgt damit über die Grundbuchunrichtigkeit (§ 22 GBO, § 894 BGB). Die Unrichtigkeit ergibt sich aus den Umständen. Bezüglich des Vermerks kommt man zum § 888 BGB, wenn man ihn als Recht und entweder als Teil der Pfändung oder als Teil der Lastenfreistellungsverpflichtung versteht.

  • Bei den oben geschilderten Zeitabläufen („Die Erbengemeinschaft hat das Grundstück an einen Dritten verkauft. Eine Auflassungsvormerkung wurde eingetragen. Einen Monat später wurde die Erbteilspfändung bezüglich eines Miterben eingetragen“) wäre ich mit der Beurteilung der Frage, ob § 878 BGB Anwendung finden kann, vorsichtiger.

    Wenn die Pfändung des Erbanteils bereits bewirkt war (§ 829 Absatz 3 ZPO; dazu kommt es auf die Eintragung der Pfändung im GB nicht an), bevor der Antrag auf Eintragung der AV beim GBA gestellt wurde, kann § 878 BGB nicht zur Anwendung kommen (s. den Beispielsfall 5 unter 2.3 bei Becker, ZfIR 2019, 253/258). Dann bliebe nur noch die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs; s. hier
    https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…999#post1178999

    Ansonsten bleibt bei der geschilderten Reihenfolge der Antragstellung („Der Notar beantragt aber, erst die Eigentumsumschreibung vorzunehmen, danach die Erbteilspfändung als unwirksam zu löschen und sodann die Auflassungsvormerkung zu löschen“) natürlich auch die Möglichkeit, den Pfändungsvermerk nach Eigentumsumschreibung auf Unrichtigkeitsnachweis hin zu löschen.

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  • Ansonsten ...

    Wie schon geschrieben -> ohne wirksamen Erwerb kommt man nicht zur Gegenstandslosigkeit des Pfändungsvermerks. Dann wäre auch die beantragte Chronologie zur Antragstellung nicht machbar. Ist die Pfändung vor Eintragung der Vormerkung bereits bewirkt worden und diese zum Zeitpunkt der Eintragung der Vormerkung dem Käufer bekannt, führt auch kein Weg zum § 888 BGB.

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