Briefaufgebot oder unbekannter Berechtigter bei Erben

  • Hallo zusammen,

    ich bearbeite seit kurzem Aufgebotssachen und habe nie ein Problem darin gesehen, wenn Erben vortragen, dass bei der Auflösung des Nachlasses der Grundpfandrechtsbrief nicht gefunden wurde.
    Ich habe dann aufgrund deren eidesstattlicher Versicherung den Brief aufgeboten.

    Ich wurde jetzt von einem Notar auf die Entscheidung des OLG Düsseldorf, 06.07.2010 - I-3 Wx 121/10 (https://dejure.org/2010,36231) hingewiesen, wonach Erben nicht ernsthaft versichern können, dass zu Lebzeiten der Erblasser keine Abtretung des Rechts vorgenommen wurde und deshalb ein Aufgebot des unbekannten Berechtigten erfolgen muss.

    Ist es dann so, dass ein Briefaufgebot nur erfolgen kann, wenn der Eigentümer auch derjenige ist, der das Recht bestellt hat und man die Versicherung von ihm und dem Buchberechtigten hat, dass keine Abtretung erfolgt ist?
    Muss ich jedem Erben sagen, dass erst einmal abgewartet werden muss, bis 10 Jahre seit der letzten das Recht betreffenden Eintragung vergangen sind, weil seine eidesstattliche Versicherung nicht als Glaubhaftmachung ausreicht?

    Viele Grüße!

  • I-25 Wx 21/13
    Rn.18
    Dem vorgelegten Anschreiben der Sparkasse W. vom 23.07.2004 (Bl. 5 GA) ist zuentnehmen, dass ihr - der Mutter des Beteiligten zu 1) als damaligerGrundstückseigentümerin - der Grundschuldbrief überlassen werde, was nahelegt,dass die Grundschuld nach Zahlung aufdas Grundpfandrecht und die Forderung zur Eigentümergrundschuld derdamaligen Eigentümerin geworden ist (§§ 1163, 1164 BGB).

    I-3 Wx 39/19
    Rn. 23
    Dann ist es aber weiter denkbar und angesichts der banküblichen Praxis auchwahrscheinlich, dass die Beteiligte in Erfüllung der Sicherungsabrede, die derBestellung der Grundschuld zugrunde gelegen hat, den Grundschuldbrief an denGrundstückseigentümer zurückgesandt hat. Rechtsfolge ist dann das Entsteheneiner Eigentümergrundschuld entsprechend § 1143 BGB (vgl. Palandt-Herrler, a.a.O.,§ 1191 Rn. 10).

    Ich muss sagen, dass mir das doch komisch vorkommt. Ich komme gerade frisch ausdem Studium und soweit ich weiß ist eine Zahlung auf die Grundschuld eineabsolute Seltenheit. Dass davon laut OLG sogar ausgegangen werden kann mitRücksendung des Briefes ist mir neu. Ich war bzw. bin der Meinung, dass durchdie Übersendung des Briefes zwar konkludent zugestimmt wird mit der Grundschuldzu verfahren wie man möchte, allerdings müsste doch für eineEigentümergrundschuld entweder ausdrücklich auf die Grundschuld gezahlt werden,was laut Eifel praktisch nie der Fall ist, oder es müsste auf die Grundschuldverzichtet werden. Zumal wird in beiden Beschlüssen mindestens erwägt, dasseine Eigentümergrundschuld gem. §§ 1163, 1164 BGB entstanden ist. § 1164 BGBist mangels Akzessorietät zwischen Grundschuld und Forderung allerdings dochgar nicht anwendbar.
    Vielleicht verstehe ich da auch einfachnur etwas falsch?

  • Die Konstellation, dass die Erben des verstorbenen Grundstückseigentümers das Aufgebotsverfahren betreiben wollen und lediglich erklären können, dass das Darlehen wohl bezahlt ist und der Brief nicht aufgefunden wurde, ist der absolute Regelfall bei mir.

    Gerade bei Grundschuldbriefen finde ich das aber gar nicht so problematisch:

    Antragsberechtigt wird grundsätzlich die Bank sein, da es sich in aller Regel auch bei Zahlung des Darlehens (mangels Akzessorietät) weiterhin um eine Fremdgrundschuld handelt, § 467 FamFG. Aus diesem Grund willst du eine Löschungsbewilligung sehen, da die h.M. darin die Genehmigung der Bank sieht, das Aufgebotsverfahren in gewillkürter Prozessstandschaft zu betreiben (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13. Dezember 2012 – I-3 Wx 247/12). Im Zweifelsfall wird dir die Bank auch versichern können, dass sie nur eine Löschungsbewillung erteilt, das Recht aber nie abgetreten hat. Daher ist alles "halb so wild". (Ungünstig wird es allerdings bei Briefhypotheken, da die ja akzessorisch sind und somit nach Zahlung auf den Eigentümer kraft Gesetzes übergehen. Gerade bei verstorbenen Erblassern lässt sich oft nicht so genau ermitteln, ob diese über das so entstandene Eigentümerrecht verfügt haben => Antragsberechtigung ist unklar).

    Das Antragsrecht und der Briefverlust müssen dir glaubhaft gemacht werden, § 444 FamFG.
    Jedenfalls beim Antragsrecht funktioniert das ganz gut, wenn die Bank eine verwertbare Erklärung abgibt (s.o.).

    Die Glaubhaftmachung des Briefverlusts ist schon etwas schwieriger. Der Briefverlust gilt als glaubhaft gemacht, wenn du den Vortrag des Antragstellers für überwiegend wahrscheinlich hältst (vgl. BeckOK FamFG/Burschel, § 31, Rn.10). Wenn dir die Bank jetzt erklärt, dass die den Brief an den Eigentümer geschickt haben und dessen Erben erklären, dass die weder den Brief noch einen Hinweis auf eine Abtretung gefunden haben, kann dies zur Glaubhaftmachung ausreichen.

    Insbesondere wenn der Erbfall schon Jahre her ist hätte sich ein neuer Grundpfandrechtsgläubiger sicher gemeldet (die Erben wussten ja nicht von der Abtretung und hätten daher ja keine Zahlungen an den neuen Gläubiger geleistet). In diesen Fällen hielt ich es für überwiegend wahrscheinlich, dass der Brief tatsächlich beim Erblasser verloren ging und habe das Aufgebot erlassen (und in jedem 5. Fall wird er dann während des laufenden Verfahrens hinter einem Schrank oder in einem Geigenkasten o.ä. gefunden :teufel:).

    Und ganz zum Schluss noch der Hinweis, dass die Meinung des OLG Düsseldorf nicht unumstritten ist. Die Gegenmeinung (BeckOGK/Volmer, 1.11.2019, BGB § 1162 Rn. 36- 38) hat in meinen Augen auch ein paar überzeugende Argumente für sich.

  • Ich habe hier folgenden Sachverhalt, der mich etwas grübeln lässt:

    A-GmbH verkauft ihr Grundstück an B-GmbH. Im Grundbuch ist eine Briefgrundschuld für eine Privatperson (nennen wir ihn Herrn XX) eingetragen. Der Gläubiger ist verstorben. Der anwaltliche Vertreter der Verkäufer-GmbH hat das Aufgebotsverfahren zur Kraftloserklärung des GS-Briefes in die Wege geleitet, dieser Ausschließungsbeschluss liegt zwischenzeitlich vor. Darin heisst es: "Der GS-Brief über die ..... für den Gläubiger A-GmbH (vormals Herr XX) eingetragene GS ... wir für kraftlos erklärt." Ich habe nun nochmals an die Bekanntgabe der Erbenadressen erinnert, damit diese die Löschung bewilligen können.

    Der anwaltliche Vertreter der Verkäuferin ist nun der Meinung, dass die Grundschuld allein durch Vorlage des Ausschließungsbeschlusses und des Löschungsantrages des Eigentümers gelöscht werden kann. Er führt dazu aus: "Es ist zu sehen, dass die Erben ggf. nie zur Löschungsbewilligung berechtigt waren oder heute gar nicht mehr sind. Denkbar ist, dass der frühere Grundstückseigentümer [Anm.: Gläubiger Herr XX war selber mal Eigentümer des betroffenen Grundstücks] selbst noch vor seinem Tod die Rechte aus dem Grundschuldbrief abgetreten hat, § 1155 BGB. Denkbar ist aber auch, dass seine Erben die Rechte aus dem Grundschuldbrief an Dritte abgetreten haben. Diese Dritten wären dann aus der Urkunde bis zur Kraftloserklärung vom 12.06.2020 berechtigt. Mit der Kraftloserklärung der Briefgrundschuld, deren Wirksamkeit zwingende Voraussetzung für die Rechtsposition eines Dritten ist, gibt es jedoch heute außer dem Eigentümer selbst keinen mehr, der noch die Löschung der Grundschuldeintragung bewilligen kann." :confused::gruebel:

    Ich bin der Meinung, dass die Vorlage der Löschungsbewilligung (des/der Erben) erforderlich ist oder ein Ausschlussbeschluss gem. § 1170 ZPO (Ausschluss des Gläubigers) vorgelegt werden muss. Liege ich richtig?

    *Auf der Suche nach Hilfe*

  • Wie kommt das Gericht dazu, die A-GmbH im Ausschließungsbeschluss als Grundschuldgläubigerin zu bezeichnen?

    Das weiss ich leider nicht, da wir mit dem Aufgebot ja nicht betraut waren.
    ich gehe davon aus, dass der Anwalt wie in meinem Eingangspost entsprechend argumentiert und das Gericht sich darauf eingelassen hat, ohne eine weitere Prüfung vorzunehmen.

  • Das "Mit der Kraftloserklärung der Briefgrundschuld" gefällt mir auch sehr an der Argumentation.

    Beginne den Tag mit einem Lächeln. Dann hast Du es hinter Dir. (Nico Semsrott)

    "Das Beste an der DDR war der Traum, den wir von ihr hatten." Herrmann Kant in einem Fernsehinterview

  • Ich würde mir die Akten des Ausschließungsverfahrens beiziehen und nachsehen, ob dort eine eine (formgerechte) Abtretungserklärung an die angebliche Gläubigerin (A-GmbH) vorgelegt wurde. Falls nein, steht fest, dass der entsprechende Passus in der Begründung des Ausschließungsbeschlusses den rechtlichen Gehalt eines bloßen Geschwätzes hat.

    Über das Vorbringen des Anwalts braucht man ohnehin nicht lange zu diskutieren. Er stellt die Abtretung der Rechte aus dem Grundschuldrief (!) zur Diskussion - die es gar nicht geben kann - und verwechselt die Aufbietung des Rechts mit der Aufbietung des Briefs. Außerdem erhebt er "Denkbarkeiten" zur tauglichen Eintragungsgrundlage.

    Manchmal kommt man sich vor wie der einzig Sehende unter Blinden.

  • Ich würde mir die Akten des Ausschließungsverfahrens beiziehen und nachsehen, ob dort eine eine (formgerechte) Abtretungserklärung an die angebliche Gläubigerin (A-GmbH) vorgelegt wurde. Falls nein, steht fest, dass der entsprechende Passus in der Begründung des Ausschließungsbeschlusses den rechtlichen Gehalt eines bloßen Geschwätzes hat.

    Über das Vorbringen des Anwalts braucht man ohnehin nicht lange zu diskutieren. Er stellt die Abtretung der Rechte aus dem Grundschuldrief (!) zur Diskussion - die es gar nicht geben kann - und verwechselt die Aufbietung des Rechts mit der Aufbietung des Briefs. Außerdem erhebt er "Denkbarkeiten" zur tauglichen Eintragungsgrundlage.

    Manchmal kommt man sich vor wie der einzig Sehende unter Blinden.

    Danke! Ich habe Herrn RA bereits gestern mal freundlich darauf verwiesen, dass er einen Gläubigerausschluss hätte beantragen müssen, da ich nicht glaube, dass das Recht an die Verkäuferin (A-GmbH) abgetreten wurde. Seitdem herrscht Ruhe. Ich harre mal der Dinge, die da noch so kommen werden. Wenn die Unterlagen tatsächlich so dem Grundbuchamt eingereicht wurden, dürfte eine Zwischenverfügung zu erwarten sein. Ist wirklich ärgerlich, denn unser KV ist so natürlich nicht weiter vollziehbar. [Anm.: ich habe bereits im April 2019 das genaue Vorgehen erläutert]

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