§ 34 Abs. 3 AO - Einkommenssteuererklärung

  • Ich beschäftige mich gerade nochmals damit, welche Pflichten den Insolvenzverwalter bezüglich ausstehender Einkommenssteuererklärungen des Schuldners treffen.

    Fakt ist, dass für ausstehende Erklärungen, welche Veranlagungszeiträume vor der Insolvenzeröffnung betreffen, gemäß § 155 InsO der Insolvenzverwalter zuständig ist. Dies ist aber ein Umstand, der in der Regel unproblematisch "in den Griff zu kriegen ist".

    Fraglich ist eher, welche Pflichten den Insolvenzverwalter für Veranlagungszeiträume nach Insolvenzeröffnung treffen.

    § 34 Abs. 3 AO sagt, dass den Vermögensverwalter die Pflichten insoweit treffen, wie seine Verwaltung reicht. Ähnlich auch § 155 Abs. 1 und 2 InsO.

    Führt der Insolvenzverwalter den Geschäftsbetrieb auf Kosten der Masse fort, dürften ihn die damit verbundenen steuerlichen Pflichten treffen?

    Was ist bei freigegebenen Geschäftsbetrieb und reinen Arbeitnehmern (ehemals Selbständigen)?

    Reicht es, den Schuldnern die Aufforderung des Finanzamtes, die Einkommenssteuererklärung für das Jahr … einzureichen, mit der strengen Aufforderung zu übersenden, die Steuererklärung zeitnah beim Finanzamt einzureichen?

    Inwieweit kommt es darauf an, ob seitens des Insolvenzverwalters pfändbares Einkommen zur Insolvenzmasse vereinnahmt wird?

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Der AEAO zu § 251, Tz. 4.2 hierzu:

    4.2 Stellung und steuerliche Pflichten des Insolvenzverwalters

    Der Insolvenzverwalter hat als Vermögensverwalter (§ 34 Abs. 3 AO) die steuerlichen Pflichten des Schuldners zu erfüllen. Er ist daher u.a. gem. § 149 Abs. 1 AO i. V. m. den Einzelsteuergesetzen verpflichtet, Steuererklärungen für den Schuldner abzugeben. Die Steuererklärungspflicht besteht sowohl für Besteuerungszeiträume nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als auch für Besteuerungszeiträume vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens, soweit der Schuldner noch keine Steuererklärungen abgegeben hat.

    Der Insolvenzverwalter hat die steuerlichen Pflichten des Schuldners jedoch nur insoweit zu erfüllen, als seine Verfügungsbefugnis reicht. Soweit Besteuerungsgrundlagen den insolvenzfreien Bereich betreffen, insbesondere Umsätze bzw. Einkünfte aus dem nach § 35 Abs. 2 InsO freigegebenen oder pfändungsfreien Vermögen, ist daher nicht der Insolvenzverwalter, sondern der Schuldner zur Erklärung verpflichtet, z.B. zur Abgabe von Umsatzsteuererklärungen für das freigegebene Unternehmen. Entsprechendes gilt für die Erklärung zu Besteuerungsgrundlagen, die den mit dem Schuldner zusammenveranlagten Ehegatten/Lebenspartner betreffen. Soweit die Steuergesetze die eigenhändige Unterzeichnung einer Steuererklärung vorschreiben, muss die Steuererklärung vom Insolvenzverwalter eigenhändig (mit-)unterschrieben werden; dies gilt auch im Fall einer Antragsveranlagung gem. § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG.

    Für die Steuererklärungspflicht des Insolvenzverwalters ist es i.d.R. unerheblich, ob die Insolvenzmasse über ausreichende Mittel verfügt, um diese Erklärungen durch einen Dritten erstellen zu lassen (BFH-Urteil vom 23.8.1994, VII R 143/92, BStBl 1995 II S. 194). Soweit der Insolvenzverwalter verpflichtet ist, Steuererklärungen einschließlich Steueranmeldungen abzugeben, und er dieser Verpflichtung nicht nachkommt, sind Zwangsmaßnahmen (§§ 328, 329 AO) gegen ihn zulässig. Dies gilt auch, wenn aus den angeforderten Erklärungen voraussichtlich nicht mit steuerlichen Auswirkungen zu rechnen ist (sogenannte „Null-Erklärungen“ vgl. BFH-Urteil vom 6.11.2012, VII R 72/11, BStBl 2013 II S. 141) . In massearmen Verfahren kann jedoch regelmäßig von der Anwendung von Zwangsmitteln abgesehen werden; die Besteuerungsgrundlagen sind dann zu schätzen.

    Erkennt der Insolvenzverwalter während des Verfahrens, dass der Schuldner für die Zeit vor Insolvenzeröffnung unrichtige oder unvollständige Erklärungen abgegeben hat und dass es dadurch zu einer Verkürzung von Steuern kommen kann oder bereits gekommen ist, ist er nach § 153 Abs. 1 AO verpflichtet, die unrichtigen oder unvollständigen Steuererklärungen zu berichtigen oder zu vervollständigen.

    Die Steuererklärungspflicht des Insolvenzverwalters endet grundsätzlich mit Aufhebung des Insolvenzverfahrens. Soweit Steuererklärungen vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens vom Insolvenzverwalter abzugeben waren, besteht diese Verpflichtung über diesen Zeitpunkt hinaus fort, soweit der frühere Insolvenzverwalter dieser Verpflichtung noch tatsächlich nachkommen kann (§§ 34, 36 AO).

    Für Zeiträume nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens obliegen die steuerlichen Pflichten dem Schuldner.

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6

  • 1. Was ist bei freigegebenen Geschäftsbetrieb und reinen Arbeitnehmern (ehemals Selbstständigen)? Reicht es, den Schuldnern die Aufforderung des Finanzamtes, die Einkommenssteuererklärung für das Jahr ... einzureichen, mit der strengen Aufforderung zu übersenden, die Steuererklärung zeitnah beim Finanzamt einzureichen?

    2. Inwieweit kommt es darauf an, ob seitens des Insolvenzverwalters pfändbares Einkommen zur Insolvenzmasse vereinnahmt wird?

    1. Freigegebener Geschäftsbetrieb geht den Verwalter nichts an, da gibt es auch keine"strenge" Aufforderung. Das Finanzamt teilt dem Schuldner hierfür eine neue Steuernummer mit. Da möge er sich dann drum kümmern.

    2. Was verstehst Du als pfändbares Einkommen? Wenn pfändbare Gehaltsanteile bei einem Unselbstständigen zur Masse gezahlt werden, ist das doch bereits durch den Arbeitgeber steuerlich berücksichtigt.

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  • @ LFdC: Es kann sich auch für den Arbeitnehmer eine Pflicht zur Abgabe von Einkommenssteuererklärungen ergeben. Unabhängig davon, ob durch den Arbeitgeber Lohnsteuer einbehalten und abgeführt wurde.

    @ Exec: Danke für die ausführliche Beschreibung. Heißt das, solange ich am Arbeitseinkommen wegen pfändbaren Bestandteilen partizipiere, bin ich als Insolvenzverwalter mit im Boot. Allerdings nur, sofern der Schuldner mit dem Ehepartner nicht gemeinsam veranlagt wird oder ledig ist?

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • M.E. gar keine Frage der AO.

    Der Einkommensteuererstattungsanspruch ist unzweifelhaft Masse. Der Verwalter hat die Masse zu verwerten, also auch den Anspruch zu ermitteln, zu belegen und geltend zu machen.

    Beim Forderungseinzug kommt auch kein Verwalter auf die Idee den Sch klagen zu lassen...

    Ich verstehe die ewige Diskussion nicht warum das bei der Einkommensteuer anders sein soll

  • Weil Einkommenssteuererklärungen auch dann abgegeben werden müssen, wenn keine Steuererstattung zu erwarten ist. Letzteres ist dann auch in den meisten Insolvenzverfahren der Fall. In Summe ein erheblicher Aufwand für den Insolvenzverwalter ohne Nutzen für die Insolvenzmasse.

    Beim Forderungseinzug kommt auch niemand auf die Idee, dass der Insolvenzverwalter Forderungen, die erkennbar wirtschaftlich wertlos sind, verfolgen muss.

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  • okay, dann sind das völlig verschiedene Diskussionsebenen.

    Als Insolvenzgericht bin ich mit der Antwort zufrieden, wenn mir dargelegt wird, dass gar kein werthaltiger Anspruch existiert (leider wird da zu oft geschrieben, dass keine Verpflichtung zur Abgabe bestünde)

    Ggü dem FA dann schon, aber bei den reinen AN besteht doch gar nicht so oft die Pflicht zur Abgabe

  • leider wird da zu oft geschrieben, dass keine Verpflichtung zur Abgabe bestünde

    Man kann das im Vorhinein auch ein bisschen abschätzen. Wer keine oder wenig Einkommenssteuer zahlt und dann auch noch vor Ort arbeitet, bei dem macht es tatsächlich wenig Sinn.

    lGgü dem FA dann schon, aber bei den reinen AN besteht doch gar nicht so oft die Pflicht zur Abgabe

    Irgendwie habe ich das Gefühl, dass Aufforderungen des Finanzamtes sehr oft kommen. In den letzten Tagen ungelogen 10 Stück. Deshalb will ich das Ganze eben auch hinterfragen.

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  • Das Thema bzw. die Finanzämter verfolgen mich (weiterhin) :flucht:.

    Sofern sowohl der Schuldner und auch die Insolvenzmasse steuerpflichtige Einnahmen haben, ist es im Idealfall wohl möglich, eine konsilutierte Einkommenssteuererklärung abzugeben.

    Ich habe aber zunehmend Schuldner, den ich eine Mitwirkung / Zuarbeit nur mit großem Kraftaufwand abringen kann.

    Gibt es eurerseits Erfahrungen mit Teilsteuererklärungen. Wäre aus meiner Sicht nämlich eine geniale Sache, wenn ich dem Finanzamt meines Vertrauens schreiben könnte: "... wurde aus der Insolvenzanfechtung gegen den Gläubiger X eine Einnahme von ... € erzielt. Im Übrigen obliegt die Einkommenssteuererklärung dem Schuldner."

    Laut der Rechtsprechung des Finanzhofs führen Einnahmen aus Insolvenzanfechtung zu steuerpflichtigen Einnahmen. Logisch, weil damit der Aufwand, den der Schuldner vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens steuermindernd geltend gemacht hat, de facto "kompensiert" wird. Was ist aber mit Einnahmen, die aus der Anfechtung von Einkommenssteuerzahlungen (kein betrieblicher Aufwand) erfolgen?

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  • Laut der Rechtsprechung des Finanzhofs führen Einnahmen aus Insolvenzanfechtung zu steuerpflichtigen Einnahmen. Logisch, weil damit der Aufwand, den der Schuldner vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens steuermindernd geltend gemacht hat, de facto "kompensiert" wird. Was ist aber mit Einnahmen, die aus der Anfechtung von Einkommenssteuerzahlungen (kein betrieblicher Aufwand) erfolgen?

    Wenn ich die Entscheidung des BFH vom 21.10.2018, III B 77/18 richtig verstanden habe, geht es um die die "Einnahme", weniger um den betrieblichen Aufwand.

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  • Aber alles andere macht doch gerade im Hinblick auf die Anfechtung in der Verbraucherinsolvenz keinen Sinn.

    Der Schuldner nimmt Zahlungen aus seinem bereits versteuerden Einkommen vor. Werden diese im Rahmen des § 129 ff. insO rückgängig gemacht, soll es sich um steuerpflichtige Einnahmen handeln :gruebel:.

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  • Aber alles andere macht doch gerade im Hinblick auf die Anfechtung in der Verbraucherinsolvenz keinen Sinn.

    Der Schuldner nimmt Zahlungen aus seinem bereits versteuerden Einkommen vor. Werden diese im Rahmen des § 129 ff. insO rückgängig gemacht, soll es sich um steuerpflichtige Einnahmen handeln :gruebel:.

    Nein, natürlich nicht, die Einkommensteuer ist ja auch keine abzugsfähige Betriebsausgabe. Also ist deren Erstattung durch das Finanzamt auch keine steuerpflichtige Einnahme. Gilt im übrigen auch für die Gewerbesteuer.

  • Zitat von Gegs

    Der Schuldner nimmt Zahlungen aus seinem bereits versteuerden Einkommen vor. Werden diese im Rahmen des § 129 ff. insO rückgängig gemacht, soll es sich um steuerpflichtige Einnahmen handeln :gruebel:.

    Nein, natürlich nicht, die Einkommensteuer ist ja auch keine abzugsfähige Betriebsausgabe. Also ist deren Erstattung durch das Finanzamt auch keine steuerpflichtige Einnahme. Gilt im übrigen auch für die Gewerbesteuer.

    Danke, ich denke doch auch, dass es so ist. Aufgrund der Tatsache, dass der Bundesfinanzhof in seinem Urteil diesbezüglich aber keine Einschränkung getroffen hat, bleibt es spannend, ob die Finanzämter meiner Meinung folgen.

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  • Die Einkommensteuer ist sogar vollständig der privaten Sphäre zuzurechnen.

    Wenn ich eine Abgrenzung zum Vorsteuerabzug aus der Verwaltervergütung vornehme, dann gehört die Steuerschuld aus der ESt. nicht zu den betrieblich veranlaßten Forderungen, sondern zu den privaten.

  • Ich muss jetzt schon wieder auf die Sache zurück kommen.

    Die Erfahrung meines Feldversuchs zeigt, dass es die meisten Finanzämter akzeptieren, wenn ich Ihnen schreibe, dass ich für die Teilsteuererklärung des Schuldners gemäß § 34 Abs. 3 AO deshalb nicht zuständig bin, weil es sich um freigegebenen Geschäftsbetrieb etc. handelt und für die Masse im Veranlagungszeitraum keine steuerbaren Einnahmen erfolgt sind.

    Bei einigen Finanzämtern besteht jedoch der Wunsch, dass ich die Steuererklärungen unbedingt unterzeichne. Die Herleitung erfolgt aus dem Urteil des FG Düsseldorf vom 28.08.2014, 8 K 3677/13, was meines Erachtens aber eine Einzelfallentscheidung geblieben ist. Auf dem amtlichen Formblatt ist dann wahlweise das Folgende anzukreuzen: "Die Einkünfte sind zutreffend und vollständig erklärt" bzw. "Ich ergänze die Steuererklärung wie folgt".

    Der Schlusssatz lautet: "Ich versichere, dass ich die Angaben wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen gemacht habe (§ 150 Abs. 2 AO)."

    Unabhängig davon, dass ich bei den meisten Schuldnern schon froh sein muss, dass diese überhaupt eine Steuererklärung abgeben, kann ich den Inhalt doch gar nicht bzw. (gerade in Fällen, in denen keine Steuererstattung erfolgt), nur mit sehr großem Aufwand prüfen. Im Hinblick auf die Haftungsgefahr und strafrechtliche Komponente bereitet es mir dann ergebliche Magenschmerzen, eine derartige Erklärung abzugeben.

    Wie kann damit umgegangen werden. Kann das Argument greifen, wo für mich nach § 34 Abs. 3 AO keine Pflicht zur Abgabe der Steuererklärung, da auch keine Pflicht zur Unterschrift (und damit Abgabepflicht durch die Hintertür)?

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