Schutzschrift des Schuldners

  • Ein Schuldner hat heute die Vermögensauskunft abgegeben.
    Er verdient als Mitarbeiter im sozialen Dienst (an älteren Menschen) ca. 700 € netto.
    Er hat vier Kinder.

    Er muss nun damit rechnen, dass sein Lohn gepfändet wird.

    Der Schuldner hat große Bedenken, dass ihm bei Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses bzgl. Lohn, eine Kündigung droht.
    Seine Betreuten genießen evtl. einen erhöhten Schutz, da er ja auch eine Vertrauensperson ist.

    Er fragt nach, ob er evtl. eine Schutzschrift einreichen könne, damit von vornherein eine aussichtslose Pfändung verhindert werden könne.
    Dadurch könne er einen eventuellen Kündigung vorbeugen. In der Schutzschrift würde er seine finanzielle und persönliche Situation darlegen.


    M.E. kann es sein, dass der Arbeitgeber, sowieso eine Schufa Auskunft beantragt,
    falls bei der Einstellung der Arbeitnehmer die finanzielle Situation des
    Schuldners maßgebliche Bedeutung hat.

    Auf der anderen Seite geht der Pfüb sowieso ins Leere, was unnötige Kosten und Wirbel verursacht.

    Gibt es hier eine Art "Schutzschrift". Kann man einen Pfänder, der von vornherein aussichtslos erscheint, evtl. "aushebeln"?

  • Grundsätzlich gibt es Schutzschriften gem. § 945a ZPO, dort ausdrücklich allerdings nur für (bzw. gegen) Arreste und einstweilige Verfügungen.

    Wenn ich mir allerdings den Sinn einmal angucke (nämlich, dass das Gericht nicht ohne mündliche Verhandlung, ergo ohne Anhörung des Schuldners, entscheidet), müsste die Vorschrift nach meinem rein persönlichen und unbelesenen Empfinden auch analog auf PfÜBse anzuwenden sein. Da liegt ja an sich die gleiche Grundkonstellation vor.
    In der Kommentierung (jedenfalls in der, die ich hier auf Arbeit habe), findet sich dazu weder positiv noch negativ etwas.

    Die nächste Frage wäre natürlich, wie die Geschäftsstelle des Vollstreckungsgerichts von dieser Schutzschrift erfährt, da sie ja bei Anträgen auf PfÜB sicher nicht jedes mal das elektronische Schutzschriftenregister prüft...

    Don't blink. Blink and you're dead. They are fast. Faster than you can believe. Don't turn your back. Don't look away. And don't blink. Good Luck. - The Doctor

  • Ich würde es bei der gesetzlichen Regelung (nur bei Arresten und einstweiligen Verfügungen) belassen und keine Schutzschrift zulassen.

    Begründung:
    Letztlich stellt der Schuldner im Voraus einen Antrag nach § 765a ZPO und trägt eine mögliche unzumutbare sittenwidrige Härte vor (die meines Erachtens nicht ohne Weiteres greift, die Pfändung würde halt ins Leere gehen, aber eine besondere Härte sehe ich nicht; wenn der Schuldner als Betreuer auftritt, sollte er auch finanziell integer sein, wenn er auch in finanzieller Hinsicht für die Betreuten handelt. Wenn er nur für arme Schlucker handelt, wird ihn der soziale Dienst wohl nicht feuern - so rosig ist der Stellenmarkt für die Anbieter ja nun nicht gerade; wenn es ein rein pflegerischer Job ist, dürfte er wohl nichts befürchten müssen; auf Belange Dritter kann sich der Schuldner grundsätzlich nicht berufen, Zöller, Rn. 3 zu § 765 a ZPO).

    Und ein Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag nach § 765 a ZPO sehe ich erst bei Vorliegen einer konkreten Vollstreckungsmaßnahme, nicht schon bei Existenz eines Titels. Das sehen andere aber anders, Zöller z. B. in Rn. 20 verlagert die Zulässigkeit nach vorne, wenn eine bestimmte Vollstreckungsmaßnahme droht. Ob der Gläubiger eine Lohnpfändung ausbringt oder eher sagt, da ist eh nichts zu holen und ich werfe dem schlechten Geld nicht noch gutes hinterher - das weiß man ja jetzt nicht, weder der Schuldner noch das Vollstreckungsgericht. Ein konkretes Drohen ist das m. E nicht.

    Einmal editiert, zuletzt von Ivo (26. November 2019 um 10:41)

  • an sich finde ich, dass die Idee wahnsinnig viel Charme hat!
    Ich finde es gar nicht so unproblematisch, dass ohne Anhörung Tatsachen geschaffen werden und dass der Schuldner so unmittelbare Rechtsnachteile erleiden kann, ohne sich wirksam dagegen zur Wehr zu setzen.
    Um mal deutlichere Beispiele zu nennen: Die titulierte Forderung ist bereits beglichen. Es steht (konkret) zu befürchten, dass der Gläubiger den Titel nutzt um andere nicht titulierte Forderungen zu vollstrecken.
    Der Gläubiger vollstreckt. Die Pfändung ist erstmal in der Welt. Der Schuldner erleidet Nachteile...

    Oder: Es besteht eine zufällige Namens- und Geburtsdatumsgleichheit. Es ist schon vorgekommen, dass versehentlich gegen den Falschen vollstreckt wurde. Dieser will nicht, dass sein Konto nochmal gepfändet wird...

    Die "Pfändungsschutzschrift" wäre ein Weg, sich dagegen zu schützen.


    ABER:
    Die gegenwärtige Rechtslage gibt eine solche nicht her.
    Die Schutzschrift wurde für Arrest und einstweilige geschaffen.

    Es ist ja auch so, dass in diesen Verfahren eine Pflicht besteht, in das Register Einsicht zu nehmen.
    (Was ja auch denknotwendigerweise erforderlich ist; wie soll die Schutzschrift sonst schützen...)

    Im Vollstreckungsverfahren gibt es so eine Pflicht nicht-> wie soll die Schutzschrift - ließe man sie denn zu- schützen?

    Ich kaufe ein "I" und möchte lösen! -BOCKWURST-


    Wenn ich sterbe, sollen meine Überreste in Disneyland verstreut werden.
    Außerdem möchte ich nicht verbrannt werden.

  • Mein alter Zöller (von 2010) sagt bei § 834, dass eine Schutzschrift bei der Entscheidung über die Pfändung zu würdigen ist. Weiteres siehe dort.

  • Ich habe jetzt einen Zöller von 2016 vor mir. Rz. 3 bei § 834 ZPO beschäftigt sich mit dem Thema. Danach ist unter Hinweis auf Vogel NJW 97, 554 ein vorbeugendes Schuldnervorbringen (=Schutzschrift) bei der Entscheidung über den Pfändungsantrag zu würdigen (wobei sich die Kommentierung nicht dazu ausläßt, wie man davon erfährt). Wenn dieses Vorbringen dann den Erläß des Pfändungsbeschlusses hindern kann, sei dem Gläubiger Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben und der Beschluß ggf. zu begründen. Der Schuldner ist jedoch weiterhin nicht zu beteiligen, insbesondere bekommt er keine Gelegenheit zur Ergänzung seiner Schutzschrift.

    Beginne den Tag mit einem Lächeln. Dann hast Du es hinter Dir. (Nico Semsrott)

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  • ...wobei sich die Kommentierung nicht dazu ausläßt, wie man davon erfährt...

    Die "Schutzschrift wäre durch die Geschäftsstelle zu erfassen (wohl eher als AR-Sache) und diese müsste bei der Vorlage des PfÜB-Antrags entsprechend auf vorhandene Vorstücke prüfen.

    Da die Schutzschrift im M-Sachen doch eher ein Exot ist, traue ich der Geschäftsstelle durchaus zu, sich den Namen des Schuldners merken zu können...

  • Naja, der Zöller (auch der 2020er) bezieht sich da auf nen Aufsatz aus 1997, also 18 Jahre bevor §945a ZPO Gesetz geworden ist.
    Ich habe jetzt keine Vorauflagen zur Hand, wäre aber nicht überrascht, wenn da in den letzten 15 Jahren keine Veränderung/Überarbeitung stattgefunden hätte, von der Ergänzung des Verweises auf §945a ZPO abgesehen...

    §945a I 2 ZPO ist m.E. im Wortlaut eindeutig...ich sehe da nicht viel Spielraum.

    Bei §945a ZPO ist auch vom Zöller keine Rede von Vollsteckungssachen.

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  • Ich habe noch in anderen ZPO-Kommentierungen geschaut. Da wird das gar nicht thematisiert.

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  • Naja, der Zöller (auch der 2020er) bezieht sich da auf nen Aufsatz aus 1997, also 18 Jahre bevor §945a ZPO Gesetz geworden ist.
    Ich habe jetzt keine Vorauflagen zur Hand, wäre aber nicht überrascht, wenn da in den letzten 15 Jahren keine Veränderung/Überarbeitung stattgefunden hätte, von der Ergänzung des Verweises auf §945a ZPO abgesehen...

    §945a I 2 ZPO ist m.E. im Wortlaut eindeutig...ich sehe da nicht viel Spielraum.

    Bei §945a ZPO ist auch vom Zöller keine Rede von Vollsteckungssachen.

    Ich würde mich allerdings nicht an dem Begriff Schutzschrift aufhängen. Die von mir erwähnte Kommentierung im Zöller benutzt ihn auch nicht. Da ist von vorbeugendem Vorbringen des Schuldners die Rede. Das kann ja in vielfältiger Form zu verschiedensten Zeiten geschehen.

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  • mhhh dann wurd der Zöller doch überarbeitet
    jetzt wird mehrfach und ausdrücklich und unter Verweis auf §945a ZPO von der Schutzschrift gesprochen.

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    Außerdem möchte ich nicht verbrannt werden.

  • Ok, jetzt komme ich auch nicht mehr mit. :confused:

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  • Die "Schutzschrift wäre durch die Geschäftsstelle zu erfassen (wohl eher als AR-Sache) und diese müsste bei der Vorlage des PfÜB-Antrags entsprechend auf vorhandene Vorstücke prüfen.

    Da die Schutzschrift im M-Sachen doch eher ein Exot ist, traue ich der Geschäftsstelle durchaus zu, sich den Namen des Schuldners merken zu können...

    So haben wir es mit eingegangenen Schutzschriften gehalten. Eine Einsichtnahme ins Zentrale Schutzschriftenregister erfolgt durch die Geschäftsstelle bei PfÜB-Anträgen nicht.

    Im Übrigen halte ich den Antrag des Schuldners für unbegründet.

    Die Pfändung des Arbeitseinkommen ist nicht per se aussichtslos. Zwar liegt das Einkommen derzeit unterhalb der Pfändungsfreigrenze. Das kann sich aber in der Zukunft möglicherweise ändern.

    Außerdem darf der Arbeitgeber wegen Lohnpfändung gewöhnlich nicht kündigen.
    Dies wäre evtl. zulässig, wenn die Pfändung für den Arbeitgeber einen unverhältnismäßig hohen Arbeitsaufwand bedeuten würde (Bundesarbeitsgericht, 04.11.1981 – 7 AZR 264/79). Ansonsten käme eine Kündigung wegen der besonderen Vertrauensstellung des Arbeitnehmers in Betracht (Bundesarbeitsgericht, 15.10.1992 - 2 AZR 188/92). In beiden Fällen sind die Hürden für den Arbeitgeber aber relativ hoch.
    Allein die Befürchtung des Schulders, es könne zu einer Kündigung kommen, genügt daher m.E. nicht zur Begründung eines Antrags nach § 765 a ZPO.

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