Hälftige Anrechnung dennoch?

  • Kläger-Anwalt vertritt Kläger K vorgerichtlich wegen einer Sache A, die ein Honorar gem. Nr. 2300 VV ergibt.
    Das Honorar beträgt 1.000,00 EUR. Der künftige Beklagte B erfüllt den Anspruch A, zahlt aber die 1.000,00 EUR nicht.

    K erteilt nun sofort Klageauftrag in einer Sache B mit dem Wert von 5.000,00 EUR und Klageauftrag wegen der 1.000,00 EUR.

    Die Klage wird über 6.000,00 EUR erhoben bei GK-Vorschuss aus 6.000,00 EUR, weil hier die 1.000,00 EUR streitwerterhöhend sind.

    K obsiegt.

    Kf-Antrag des K:

    1,3 Nr. 3100 VV aus 6.000,00 EUR
    ohne Abzug 0,65?

    oder
    1,3 Nr. 3100 VV aus 6.000 EUR
    abzgl. 0,65 aus dem Wert A?

    oder
    1,3 Nr. 3100 VV aus 6.000,00 EUR
    abzgl. 0,65 aus 6.000,00 EUR?

    Die letzte Variante scheidet klar aus. Aber ist die erste oder die zweite Variante richtig? Oder gar eine ganz andere?

    DESIRE IS THE HURDLE TO SALVATION AND TIES ONE TO SAMSARA

    Einmal editiert, zuletzt von Uldis (27. November 2019 um 21:40) aus folgendem Grund: Rechtschreibfehler korrigiert

  • Hinsichtlich Sache B ist keine Geschäftsgebühr entstanden.

    Sache A wurde teilweise eingeklagt. Für Sache A war auch eine Geschäftsgebühr entstanden. Die von Sache A eingeklagten 1.000 € waren schon Gegenstand der außergerichtlichen Vertretung. Sinn und Zweck der Anrechnung ist, dass dem geringeren Aufwand des RAs durch die bereits vorherige Befassung mit dem Gegenstand Rechnung getragen wird.

    Meiner Meinung nach muss also eine Anrechnung erfolgen.Dass die 1.000 € als Nebensache nicht bei der Wertermittlung für die außergerichtliche Tätigkeit berücksichtigt wurden, ändert nichts daran.

    Die Anrechnung erfolgt aus dem wert, der Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens geworden ist (Vorbem. 3 Abs. 4 S. 5 VV RVG). Vergleiche auch: Gerold/Schmidt, RVG-Kommentar, 24. Auflage 2019, Rn. 285.

    Richtig ist somit die zweite Variante. Der Wert A ist hier 1.000 €.

    "Auf hoher See und vor Gericht UND IN DER KLAUSUR ist man in Gottes Hand."
    Zitat Josef Dörndorfer

  • Nein, das ist falsch. Es wurde nicht ein Teil von Sache A eingeklagt, sondern die Geschäftsgebühr, die für Sache A entstanden ist. Da nur noch Nebenforderung übrig ist, wird die im gerichtlichen Verfahren zur Hauptforderung. Aus dieser Gebühr, diesem Wert ist keine vorgerichtliche Gebühr entstanden. Aus diesem Wert wird auch keine vorgerichtliche Gebühr als Nebenforderung mit eingeklagt. Und deshalb kann aus diesem Wert auch nichts in der Kostenfestsetzung anzurechnen sein.

    Ich wüsste gern was im Gerold steht, das Dich zu dieser Auffassung bringt.

  • Ich schlage mich auf die Seite von Adora und jfp. Wobei sich aus meiner Sicht - vor dem Komplex der Anrechnung - bereits die Frage stellt, ob bei einer außergerichtlichen Geltendmachung der Geschäftsgebühr für die Sache A überhaupt eine weitere Geschäftsgebühr aus den 1.000,- € anfallen würde. Wohl eher nicht.

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

  • Nein, fällt nicht an. Sonst wäre man ja bei der wundersamen Gebührenvermehrung. Außergerichtlich ist es immer noch dieselbe gebührenrechtliche Angelegenheit A, zu der auch gehört, die erstattungsfähigen Kosten beim Gegner anzufordern. Ohne weitere Kosten. Genau deshalb kann aber dann im Verfahren auch nichts anzurechnen sein, weil eben nichts entstanden ist.

  • Sache A besteht aus der Hauptforderung und den Nebenforderungen. Zu den Nebenforderungen gehören unter anderem die Zinsen und die Rechtsverfolgungskosten. Der RA hat sich um das gesamte Paket gekümmert. Für die Ermittlung des kostenrechtlichen Wertes ist aber nur die Hauptforderung maßgeblich, nicht alle Forderungen mit denen sich der RA beschäftigt. Die neue Hauptforderung ist ein Teil des Gegenstands der bisherigen Tätigkeit des RAs.

    Weil er sich bereits mit derselben Sache befasst hat, ist hier eine Anrechnung vorzunehmen.

    "Auf hoher See und vor Gericht UND IN DER KLAUSUR ist man in Gottes Hand."
    Zitat Josef Dörndorfer

  • Sache A besteht aus der Hauptforderung und den Nebenforderungen. Zu den Nebenforderungen gehören unter anderem die Zinsen und die Rechtsverfolgungskosten. Der RA hat sich um das gesamte Paket gekümmert. Für die Ermittlung des kostenrechtlichen Wertes ist aber nur die Hauptforderung maßgeblich, nicht alle Forderungen mit denen sich der RA beschäftigt. Die neue Hauptforderung ist ein Teil des Gegenstands der bisherigen Tätigkeit des RAs.

    Weil er sich bereits mit derselben Sache befasst hat, ist hier eine Anrechnung vorzunehmen.

    Das ist nicht richtig, weil hier die vorgerichtliche Gebühr HAUPTFORDERUNG ist. Darum entsteht ja auch die Nr. 3100 VV aus der Summe beider Gegenstandswerte, also aus 6.000,00 EUR.

    Man könnte also als 4. Meinung denken, dass die 1.000,00 EUR, die ja bei Obsiegen tituliert sind, den Abzug von 0,65 erzwingen, also nicht der Wert A (aus dem die 1.000,00 EUR entstanden), sondern die 1.000,00 EUR selbst. Wie immer bei "Kosten aus Kosten": Die Gebühr wird selbst zum Gegenstandswert für die nächste Gebühr. Wallenstein: "Der Krieg muss den Krieg ernähren". Oder das Zwiebelgleichnis in "Peer Gynt" von Ibsen: Nach Ablösung der ersten Zwiebelhaut wird die bisher innere Haut zur neuen äußeren.

    Ich meine nach Lektüre Eurer Beiträge, dass die hier vorgestellte 4. Lösung die richtige sei.

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  • Sache A besteht aus der Hauptforderung und den Nebenforderungen. Zu den Nebenforderungen gehören unter anderem die Zinsen und die Rechtsverfolgungskosten. Der RA hat sich um das gesamte Paket gekümmert. Für die Ermittlung des kostenrechtlichen Wertes ist aber nur die Hauptforderung maßgeblich, nicht alle Forderungen mit denen sich der RA beschäftigt. Die neue Hauptforderung ist ein Teil des Gegenstands der bisherigen Tätigkeit des RAs.

    Weil er sich bereits mit derselben Sache befasst hat, ist hier eine Anrechnung vorzunehmen.

    Das ist nicht richtig, weil hier die vorgerichtliche Gebühr HAUPTFORDERUNG ist. Darum entsteht ja auch die Nr. 3100 VV aus der Summe beider Gegenstandswerte, also aus 6.000,00 EUR.

    Man könnte also als 4. Meinung denken, dass die 1.000,00 EUR, die ja bei Obsiegen tituliert sind, den Abzug von 0,65 erzwingen, also nicht der Wert A (aus dem die 1.000,00 EUR entstanden), sondern die 1.000,00 EUR selbst. Wie immer bei "Kosten aus Kosten": Die Gebühr wird selbst zum Gegenstandswert für die nächste Gebühr. Wallenstein: "Der Krieg muss den Krieg ernähren". Oder das Zwiebelgleichnis in "Peer Gynt" von Ibsen: Nach Ablösung der ersten Zwiebelhaut wird die bisher innere Haut zur neuen äußeren.

    Ich meine nach Lektüre Eurer Beiträge, dass die hier vorgestellte 4. Lösung die richtige sei.

    Ich bin der Meinung, dass es nur darauf ankommt, ob etwas bereits Gegenstand der außergerichtlichen Tätigkeit des RAs war oder nicht. Fakt ist, dass sich der RA außergerichtlich mit der Geltendmachung der Geschäftsgebühr befasst hat und, dass er das auch im Gerichtsverfahren gemacht hat. Insoweit handelt es sich also um den selben Gegenstand seiner Tätigkeit. Ob es bereits damals für die Ermittlung des kostenrechtlichen Werts eine Rolle gespielt hat, ist meiner Meinung nach irrelevant.

    "Auf hoher See und vor Gericht UND IN DER KLAUSUR ist man in Gottes Hand."
    Zitat Josef Dörndorfer

  • Die 1. Var. ist die richtige. :daumenrau

    Ich bin der Meinung, dass es nur darauf ankommt, ob etwas bereits Gegenstand der außergerichtlichen Tätigkeit des RAs war oder nicht.


    Schon der Wortlaut der Anrechnungsvorschrift Vorb. 3 Abs. 4 VV schließt das aus ("Soweit wegen desselben Gegenstands eine Geschäftsgebühr nach Teil 2 entsteht..."). Gegenstand der Klage ist aber die Geschäftsgebühr selbst. Sie kann nicht „aus sich selbst heraus entstanden“ sein (habe ich hier mal so formuliert). Daher findet also im Falle des isolierten Einklagens der Geschäftsgebühr keine Anrechnung statt (vgl. z. B. LG Saarbrücken, AGS 2007, 291; Onderka/N. Schneider in: AnwK-RVG, 8. Aufl., Vorb. 3 VV Rn. 230)

    Wobei sich aus meiner Sicht - vor dem Komplex der Anrechnung - bereits die Frage stellt, ob bei einer außergerichtlichen Geltendmachung der Geschäftsgebühr für die Sache A überhaupt eine weitere Geschäftsgebühr aus den 1.000,- € anfallen würde. Wohl eher nicht.

    Nein, fällt nicht an. Sonst wäre man ja bei der wundersamen Gebührenvermehrung. Außergerichtlich ist es immer noch dieselbe gebührenrechtliche Angelegenheit A, zu der auch gehört, die erstattungsfähigen Kosten beim Gegner anzufordern. Ohne weitere Kosten. Genau deshalb kann aber dann im Verfahren auch nichts anzurechnen sein, weil eben nichts entstanden ist.

    D'accord.

    Genau so! :daumenrau (s. auch AG Gütersloh, AGS 2019, 93).

    » Die meisten Probleme entstehen bei ihrer Lösung. «
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