Erstattungsfähigkeit von Reisekosten bei Umzug

  • Hallo ihr Lieben J
    Vielleicht könnt ihr mit helfen. Ich habe gerade das Pensum eines Kollegen übernommen und bin auf folgendes Problem gestoßen:

    K = 100% der Kosten
    In der Klageschrift ist B mit Wohnort am Prozessgericht (X) aufgeführt. B beauftragte einen Rechtsanwalt aus Y.

    Der Rechtsanwalt aus Y macht nunmehr Reisekosten zum Prozessgericht in X geltend und trägt vor, dass B (selber RA) zum Zeitpunkt der Klageerhebung eine Kanzlei in X und eine Nebenstelle der Kanzlei in Y hatte. Nach Vortrag seines PB ist B bereits vor Klageerhebung aus privaten Gründen nach Y gezogen.

    In dem Zuge hat B auch seine Organisationsstrukturen der Kanzleien intern so gestaltet, dass er sich hauptsächlich in Y und nur noch gelegentlich in X aufgehalten hat. Dies hat mitlerweile auch Niederschlag darin gefunden, dass B auch berufsrechtlich die Kanzlei in Y zu seiner Hauptstelle gemacht hat.


    KV hat nichts dazu gesagt.


    Mein Vorgänger hat die beantragten Reisekosten antragsgemäß festgesetzt.


    Nunmehr hab ich die Beschwerde des KV auf dem Tisch, der sich darauf beruft, dass B einen Zweitwohnsitz in X hat und somit ein ausreichender Informationsaustausch zwischen B und einem PB in X gewährleistet wäre.


    BV trägt zur Beschwerde nur vor, dass B keinen Zweitwohnsitz in X hat.


    Bevor ihr euch von meiner Meinung beeinflussen lasst, frage ich euch lieber direkt: Wie würdet ihr das sehen?


    Vielen Dank im Voraus J

  • Gegenfragen: Liegen X und Y im selben Gerichtsbezirk? Ist die Entfernung zwischen X und Y größer als die größtmögliche Entfernung im Gerichtsbezirk?

  • Gegenfragen: Liegen X und Y im selben Gerichtsbezirk? Ist die Entfernung zwischen X und Y größer als die größtmögliche Entfernung im Gerichtsbezirk?

    Nein, X und Y liegen nicht im selben Gerichtsbezirk und die Entfernung zwischen X und Y ist auch größer als die größtmögliche Entfernung im Gerichtsbezirk.

  • Ich halte die antragsgemäße Entscheidung für vertretbar und würde nicht abhelfen. Jede Partei ist berechtigt an ihrem (Haupt-)Wohnsitz einen Rechtsanwalt zu beauftragen. Die unterlegene Partei hat die entsprechenden Reisekosten zu tragen.

  • Man könnte jedoch auch argumentieren, dass B zumindest verpflichtet gewesen wäre, mitzuteilen, dass sein (Haupt-)Wohnsitz in Y liegt. Da ihm die Klage jedoch wohl in X zugestellt werden konnte, muss er sich meines Erachtens jetzt darauf "festnageln" lassen. Eine ähnliche Regelung gibt es ja auch bei Zeugen - diese sind auch verpflichtet mitzuteilen, wenn sie von einem anderen als den in der Ladung genannten Ort zum Termin anreisen.

    Ein Problem hätte ich vielleicht mit dem Rechtsschutzbedürfnis des Klägers - warum war es ihm nicht möglich, die Einwendung direkt im KF-Verfahren vorzubringen?

    Auch wenn ein Beamter schnell und unbürokratisch handelt, kann eine amtliche Tätigkeit vorliegen.
    (LG Bielefeld, Urteil vom 28. Januar 2003 – 2 O 634/02 –, juris)

    Ein Narr ist viel bemüht; des Weisen ganzes Tun,
    Das zehnmal edeler, ist Lieben, Schauen, Ruhn.
    Angelus Silesius (1624 - 1677)

  • B ist doch selbst RA und hätte einen RA mit Sitz am Ort des PG beauftragen können/müssen. Daher würde ich die RK in Höhe eines RA mit Sitz am weitesten vom Ort des PG entfernten Ortes innerhalb des Gerichtsbezirks festsetzen

  • B ist doch selbst RA und hätte einen RA mit Sitz am Ort des PG beauftragen können/müssen. Daher würde ich die RK in Höhe eines RA mit Sitz am weitesten vom Ort des PG entfernten Ortes innerhalb des Gerichtsbezirks festsetzen


    Weshalb das denn? Wenn B hätte fiktiv einen RA am Sitz des PG beauftragen könne, wären überhaupt keine Reisekosten entstanden.

    Unabhängig davon sehe ich es auch so, dass es das Problem der Partei ist, wenn sie während des laufenden Verfahrens umzieht und ihre Wahl des RA bereits daran festmacht. Warum sollte der Gegner diese Mehrkosten tragen? :gruebel:

  • B ist doch selbst RA und hätte einen RA mit Sitz am Ort des PG beauftragen können/müssen. Daher würde ich die RK in Höhe eines RA mit Sitz am weitesten vom Ort des PG entfernten Ortes innerhalb des Gerichtsbezirks festsetzen


    Weshalb das denn? Wenn B hätte fiktiv einen RA am Sitz des PG beauftragen könne, wären überhaupt keine Reisekosten entstanden.


    Hier stellt sich die Frage, ob in Anbetracht der neueren Rspr. des BGH (NJW 2019, 681 = Rpfleger 2019, 225) zu den Reisekosten innerhalb des Gerichtsbezirks (auf den Wohnsitz der Partei kommt es nicht an, es findet keine Notwendigkeitsprüfung statt) die tatsächlich entstandenen erstattungsrechtlich bis zur Höhe der fiktiven am weitentferntesten Ort erstattbar sind. Dahinter steht für den vorliegenden Fall ja die Frage, ob andernfalls nicht eine Ungleichbehandlung mit einer am Prozeßort ansässigen Partei eintritt, die erstattungsrechtlich einen RA innerhalb des Gerichtsbezirks beauftragen darf, dessen Reisekosten voll erstattungsfähig sind. Deshalb denke ich, wird der BGH früher oder später seine Rechtsprechung zu der rechtskundigen Person, bei der ein eingehendes mündliches Beratungsgespräch an ihrem Wohnort oder Geschäftssitz ex ante gar nicht notwendig war, weil sie in der Lage ist, einen RA am Prozeßort schriftlich zu instruieren, auf den Prüfstand stellen.

    Was den Prozeßort X und die ehemals geschäftliche Zweigstelle und jetzt Haupt- und Wohnsitz Y angeht: Auch die Partei, die sich gelegentlich am Prozeßort aufhält, darf grds. einen an ihrem Geschäfts- oder Wohnort oder in der Nähe ansässigen RA beauftragen (Kostenfestsetzung/Hellstab, 22. Aufl., B 526; BGH, NJW-RR 2004, 1216). Zum Zeitpunkt der Klagezustellung war der Umzug von K schon erfolgt. Dem hat der B auch nicht widersprochen (§ 138 III ZPO), sich jetzt nur auf den Zweitwohnsitz in X zur Notwendigkeit eines eingehenden persönlichen Mandantengespräches ("Informationsaustausch") berufen. Das Argument "Zweitwohnsitz" ist aber im Ergebnis keines (s. vorstehende Rspr. des BGH). Entscheidend dürfte wohl vielmehr sein, daß er (ex ante gesehen) sich überwiegend in X aufhielt und daher (will man ihm - was der B aber gar nicht macht - nicht vorwerfen, er hätte einen RA am Gerichtsort schriftlich instruieren können) in dessen Nähe einen RA zum eingehenden persönlichen Mandantengespräch aufsuchen und beauftragen durfte.

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