Lohnpfändung und öff.-rechtl. Verstrickung

  • Heute weigert sich eine Behörde, mir als Verwalter die pfändbaren Bezüge des Angestellten auszuzahlen. Begründung: Die öff.-rechtl. Verstrickung aufgrund einer vor 10 Jahren angebrachten Lohnpfändung würde entgegenstehen. Auszahlung erfolgt erst, wenn die Verstrickung förmlich durch Beschluss aufgehoben wurde. Das ist bekanntlich die Problematik bei Kontopfändungen. Aber hier wurde mir doch der pfändbare Anteil mit IE abgetreten. Ich denke, da benötige ich keinen Beschluss oder?

  • Die Pfändung war doch sicherlich zuerst da? Dann geht die Pfändung vor.

    Ich finde den Gedanken gut, das auch auf Lohnpfändungen zu übertragen. Ist letztlich dasselbe. Also m. E. Erinnerung gegen die Pfändung einlegen und die Aufhebung der Verstrickung für den Zeitraum EÖ bis RSB-Erteilung (oder -Versagung) beantragen.

    Macht irgendwie Sinn......

  • Die Pfändung geht erst einmal vor, jedoch:

    Die Forderung aus der Lohnpfändung ist nunmehr eine Insolvenzforderung, die Lohnpfändung daher für den Forderungsinhaber als Insolvenzgläubiger unzulässig. Dieser hat diese meines Erachtens ruhend zu stellen, tut der Gläubiger diese nicht ist meines Erachtens eine Entscheidung des Inso-Gerichts (nach 89 Absatz 3 Inso?) herbeizuführen...

    Hilft es- bin kein Inso-Fachmann, aber denke so oder so ähnlich läuft es.

  • Der Gläubiger hat erstmal gar nix..... er hat wirksam gepfändet und muss auf seine Rechte nicht verzichten.

    Es ist am Insolvenzverwalter, hier die Verstrickung durch geeignete Mittel aufzuheben. Das ist eben ganz genauso wie bei der Kontopfändung.

    Dem Gläubiger muss aber die Möglichkeit gegeben werden, zu erreichen, dass die Pfandverstrickung nur für den Zeitraum wie oben schon geschrieben aufgehoben wird und nicht fälschlicherweise komplett. Für den Fall, dass das Ziel RSB eben nicht erreicht wird. Ansonsten verliert der seinen Rang.

  • BGH, Urteil vom 21. September 2017 - IX ZR 40/17

    a) Eine durch Zwangsvollstreckung im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnungdes Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag erlangte Sicherung führt zur öffentlich-rechtlichenVerstrickung des Vermögensgegenstandes. Verstrickung trittauch ein bei einer während der Dauer des Insolvenzverfahrens durchgeführtenZwangsvollstreckung.

    b) Die Wirkungen der Verstrickung dauern im Insolvenzverfahren fort, bis sie auf einemdafür vorgesehenen Weg beseitigt worden sind.

    c) Der Drittschuldner kann sich gegenüber dem Auszahlungsverlangen des Insolvenzverwaltersdamit verteidigen, dass die Verstrickung der Vermögenswerte fortbesteht.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Heute weigert sich eine Behörde, mir als Verwalter die pfändbaren Bezüge des Angestellten auszuzahlen. Begründung: Die öff.-rechtl. Verstrickung aufgrund einer vor 10 Jahren angebrachten Lohnpfändung würde entgegenstehen. Auszahlung erfolgt erst, wenn die Verstrickung förmlich durch Beschluss aufgehoben wurde. Das ist bekanntlich die Problematik bei Kontopfändungen. Aber hier wurde mir doch der pfändbare Anteil mit IE abgetreten. Ich denke, da benötige ich keinen Beschluss oder?

    Die Abtretung wirkt aber erst nach Aufhebung des Verfahrens.

  • Coverna hat Recht.

    Die Abtretung wird nur deshalb benötigt, weil für den Treuhänder in der Wohlverhaltensperiode keine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis besteht und das pfändbare Einkommen ab diesem Zeitpunkt nicht mehr dem originären Insolvenzbeschlag unterfällt.

    Die Abtretung erfolgt ihrem Wortlaut zwar bereits ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens zeitlich unbegrenzt (so man es de facto mal darauf ankommen lassen könnte), aber die frühere Pfändung dürfte einer Wirksamkeit von dieser ebenfalls entgegen stehen.

    Es bleibt wohl dabei, den Gläubiger zu einer Erklärung aufzufordern, dass er für die Dauer aus der Pfändung keine Rechte herleitet. Kommt er der wohlgemeinten Bitte nicht nach, ist das Insolvenzgericht zu bemühen.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • [quote='Jamie','RE: Lohnpfändung und öff.-rechtl. Verstrickung Gläubiger hat erstmal gar nix..... er hat wirksam gepfändet und muss auf seine Rechte nicht verzichten.

    Es ist am Insolvenzverwalter, hier die Verstrickung durch geeignete Mittel aufzuheben. Das ist eben ganz genauso wie bei /QUOTE]

    Es ist aber schon im Interesse des Gläubigers hier außergerichtlich eine Erklärung abzugeben, das könnte für ihn billiger sein als es in so einem klaren Fall zu einem gerichtlichen Verfahren kommen zu lassen und unnötige Kosten zu haben

  • [quote='Jamie','RE: Lohnpfändung und öff.-rechtl. Verstrickung Gläubiger hat erstmal gar nix..... er hat wirksam gepfändet und muss auf seine Rechte nicht verzichten.

    Es ist am Insolvenzverwalter, hier die Verstrickung durch geeignete Mittel aufzuheben. Das ist eben ganz genauso wie bei /QUOTE]

    Es ist aber schon im Interesse des Gläubigers hier außergerichtlich eine Erklärung abzugeben, das könnte für ihn billiger sein als es in so einem klaren Fall zu einem gerichtlichen Verfahren kommen zu lassen und unnötige Kosten zu haben

    https://lexetius.com/2006,1940
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    herrschendes Recht ist das Recht der herrschenden
    Die Philosophen haben die Welt nur unterschiedlich interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern! (K.M.)
    Ich weiß, dass ich nicht weiß (Sokrates zugeschrieben); jeder der mein Wissen erfolgreich erweitert, verbreitert mein Haftungsrisiko (nicht sokrates, nur ich)
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  • Es ist aber schon im Interesse des Gläubigers hier außergerichtlich eine Erklärung abzugeben, das könnte für ihn billiger sein als es in so einem klaren Fall zu einem gerichtlichen Verfahren kommen zu lassen und unnötige Kosten zu haben

    Der BGH ist da sehr klar in seiner Aussage: Es bedarf eines gerichtlichen Beschlusses, die Verstrickung aufzuheben. Der Drittschuldner darf sich nicht mehr auf "Zuruf" verlassen, weder vom Verwalter noch vom Pfändungsgläubiger. Er steht in der Haftung - bis das Gericht über die Verstrickung entschieden hat.

  • Es ist aber schon im Interesse des Gläubigers hier außergerichtlich eine Erklärung abzugeben, das könnte für ihn billiger sein als es in so einem klaren Fall zu einem gerichtlichen Verfahren kommen zu lassen und unnötige Kosten zu haben

    Der BGH ist da sehr klar in seiner Aussage: Es bedarf eines gerichtlichen Beschlusses, die Verstrickung aufzuheben. Der Drittschuldner darf sich nicht mehr auf "Zuruf" verlassen, weder vom Verwalter noch vom Pfändungsgläubiger. Er steht in der Haftung - bis das Gericht über die Verstrickung entschieden hat.

    Genauso ist es und so machen wir das auch.

    Frage in die Runde: Das Urteil des BGH bezieht sich nur auf das laufende Verfahren.
    Wie geht ihr in der Wohlverhaltensphase damit um?

  • Meines Erachtens wird hier grad einiges vermischt.


    Der Ausgangsfall drehte sich doch um die Frage, ob die Verstrickung entsprechend der vielzitierten BGH-Rechtsprechung auch bei einer alten Lohnpfändung durch Beschluss zu beseitigen ist. Oder ich hab den Ausgangsfall falsch verstanden, zumindest hatte ich das Problem noch nie, weil die Lohnpfändung sich doch mit Eröffnung erledigt hat (anders früher nach § 114 InsO).


    Bei dem zuletzt angeführten Beschluss des AG Essen ging es wieder (ganz klassisch) um die Frage der Kontopfändung. Hier teile ich die Auffassung, dass die Verstrickung förmlich zu beseitigen ist und nicht per Beschluss ruhend gestellt werden kann (sieht das Gesetz schlicht nicht vor). Bei uns gibt es Banken, die das formlose Ruhendstellen durch Gläubiger wegen der BGH-Entscheidung nicht mehr akzeptieren, dann bleibt halt nur der Weg der Erinnerung.


    In der WVP ist das Insolvenzgericht meines Erachtens komplett raus, da mit Aufhebung des Verfahrens das P-Konto nicht mehr dem Insolvenzbeschlag unterliegt. Dann muss sich der Schuldner ausschließlich ans Vollstreckungsgericht halten und dort den entsprechenden Beschluss (bzw. die Abhilfe) erwirken.

    "Es ist nicht möglich, den Tod eines Steuerpflichtigen als dauernde Berufsunfähigkeit im Sinne von § 16 Abs. 1 Satz 3 EStG zu werten und demgemäß den erhöhten Freibetrag abzuziehen." (Bundessteuerblatt) :D

  • Wenn man auf die BGH-Rechtsprechung zum Konto verweist, heißt das, dass sich eigentlich keine einzige Pfändung auf Grund EÖ erledigt, auch nicht die Lohnpfändung oder Pfändung von Lohnersatzbliblablubb. Die Pfändungen sind zwar sämtlichst unzulässig für den Zeitraum, aber die Verstrickung ist ja noch da.

    Der PfÜB war ein gerichtlicher Beschluss, also braucht´s auch einen gerichtlichen Beschluss zur Aufhebung der Verstrickung, egal was und wann gepfändet wurde. Also "wann" natürlich nur, wenn außerhalb der Sperrfristen wirksam gepfändet wurde. Die Pfändung löst sich eben nicht einfach auf, auch wenn sie unzulässig ist.

  • Die Pfandverstrickung muss für den Zeitraum "EÖ bis RSB-Erteilung bzw. Ende der WVP" aufgehoben werden.

    Das ist vom BGH für die WVP nicht gedeckt. Es gibt Amtsgerichte die eine Aussetzung trotz BGH grundsätzlich ablehnen, z.B.

    AG Essen 163 IK 206/15, vom 01.08.18

    Das ist aber ziemlich unfair gegenüber dem Pfändungsgläubiger, da beißt sich ja wieder die Katze in den eigenen Schwanz. Eigentlich ist die Pfändung wirksam und eigentlich würde sie wieder aufleben, wenn das Ziel der RSB nicht erreicht wird, aber uneigentlich verliert der Gläubiger seinen Schutz und seinen Rang. Ist doch zum Ko.... Was soll das nun wieder? Letztlich hat der BGH das in seiner Entscheidung nicht ausgeschlossen. Hoffentlich geht da noch jemand weiter.

  • tja, das hat der BGH uns nun beschert; meine damalige Auffassung, die Überweisungswirkungen einstweilen auszusetzen, was praktikabel war, hat der BGH ja offenbar doof gefunden. Eine Verstrickung einstweilen "auszusetzen" geht m.E. nicht. Man vergleich das mal mit dem Pfandsiegel an einem körperlichen Gegenstand: es klebt, es klebt nicht, es klebt, es klebt nicht.....

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  • IX ZB 217/08 besagt aber

    "Werden fortlaufende Bezüge des Schuldners vor Eröffnung des Verfahrens gepfändet,ist das Pfändungspfandrecht danach nur so weit und so lange unwirksam, als die
    Zwecke des Insolvenzverfahrens und der möglichen Restschuldbefreiung dies
    rechtfertigen."

    Kann man die beiden Entscheidungen nicht kompatibel machen? Ich meine, sie müssen zusammengebracht werden. Weil mit vollständiger Aufhebung der Pfandverstrickung wäre ein Vorgehen nach dieser Entscheidung ja hinfällig. Darf es aber nicht, weil das den Gläubiger unzumutbar benachteiligt. Er hat ja zulässig gepfändet und soll nun sämtlicher Rechte beraubt werden?

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