Löschung Wohnrecht - Schenkung oder nicht?

  • Hallo, ich greife mal das leidige Thema Löschung eines Wohnrechts durch den Betreuer auf. Folgende Konstellation: Zugunsten der Betreuten ist ein Wohnrecht eingetragen, der Eigentümer (=Sohn) möchte die Immobilie nun veräußern, nachdem die Betreute, die dort bislang gewohnt hat, ins Heim gezogen ist. Es liegt ein ärztliches Attest vor, dass die Betreute nicht mehr in der Immobilie leben kann, sondern vollstationäre Pflege braucht. Meine Anhörung hat dies bestätigt, die Betreute ist bettlägerig und äußerst dement und kann sich zu der ganzen Sache nicht mehr äußern. In der Urkunde, in welcher das Wohnrecht bestellt wurde, heißt es sinngemäß: "Das Wohnrecht erlischt, wenn die Betreute dieses dauerhaft nicht mehr ausüben kann." Bislang habe ich immer gedacht, dass dies zweifelsfrei bedeutet, dass eine Genehmigung der Aufhebungsvereinbarung erfolgen kann, auch wenn keine Ablösesumme vereinbart wird, da ja eben der Erlöschenstatbestand festgehalten wurde. Seht ihr das auch so?
    Ich hatte kürzlich ein Gespräch mit einem Sachbearbeiter eines Sozialamts, der mich auf die Entscheidung des BGH vom 17.04.2018, X ZR 65/17, hingewiesen hat. Es geht da um die Höhe eines Schenkungsrückforderungsanspruchs bei Verarmung des Schenkers. In dem dort verhandelten Fall hatte die Berechtigte auf ein Wohnungsrecht verzichtet und war Jahre später "verarmt", konnte ihre Heimkosten nicht mehr zahlen. Der Sachbearbeiter beim Sozialamt war der Meinung, der BGH würde mit dieser Entscheidung eindeutig zum Ausdruck bringen, dass jede Löschung eines Wohnrechts eine Schenkung darstelle, welche der Betreuer wegen des Schenkungsverbots nicht vornehmen dürfe. Der BGH wäre hier also von der Entscheidung vom 25.01.2012, XII ZB 479/11 (Verzicht auf wertloses Wohnrecht), abgerückt und würde nun nicht mehr die Meinung vertreten, dass ein Wohnrecht unter Umständen auch entschädigungslos gelöscht werden kann. Tatsächlich spricht der BGH in der Entscheidung aus 2018 die ganze Zeit von Schenker und Beschenktem. Die Annahme des Berufungsgerichts, die unentgeltliche Aufgabe des Wohnungsrechts sei eine Schenkung gewesen (Rn. 5), wird - soweit ich das gesehen habe - kommentarlos befürwortet. Kennt ihr die Entscheidung und wie beurteilt ihr sie im Vergleich zu der Entscheidung aus 2012?

  • Eine unentgeltliche Aufgabe eines Wohnungsrechts ist Schenkung. Aber in deinem Fall ist es keine unentgeltliche Aufgabe, weil das Wohnungsrecht schon so bestellt wurde, dass es aufzugeben ist, wenn man es dauerhaft nicht ausüben kann. Daher ist lediglich zu prüfen, ob der Umzug ins Heim dauerhaft ist und das dürfte durch das Attest und durch persönliche Anhörung festzustellen sein. Daher keine Abstandszahlung, der Eigentümer hat Anspruch auf Löschung

  • Die ausnahmslose Schlußfolgerung des Sozialamtes sehe ich nicht durch die angeführte BGH-Entscheidung gedeckt, worauf es hier aber wie von uschi zutreffend festgestellt nicht mehr ankommt.

    Beginne den Tag mit einem Lächeln. Dann hast Du es hinter Dir. (Nico Semsrott)

    "Das Beste an der DDR war der Traum, den wir von ihr hatten." Herrmann Kant in einem Fernsehinterview

  • Hallo, ich greife mal das leidige Thema Löschung eines Wohnrechts durch den Betreuer auf. Folgende Konstellation: Zugunsten der Betreuten ist ein Wohnrecht eingetragen, der Eigentümer (=Sohn) möchte die Immobilie nun veräußern, nachdem die Betreute, die dort bislang gewohnt hat, ins Heim gezogen ist. Es liegt ein ärztliches Attest vor, dass die Betreute nicht mehr in der Immobilie leben kann, sondern vollstationäre Pflege braucht. Meine Anhörung hat dies bestätigt, die Betreute ist bettlägerig und äußerst dement und kann sich zu der ganzen Sache nicht mehr äußern. In der Urkunde, in welcher das Wohnrecht bestellt wurde, heißt es sinngemäß: "Das Wohnrecht erlischt, wenn die Betreute dieses dauerhaft nicht mehr ausüben kann." Bislang habe ich immer gedacht, dass dies zweifelsfrei bedeutet, dass eine Genehmigung der Aufhebungsvereinbarung erfolgen kann, auch wenn keine Ablösesumme vereinbart wird, da ja eben der Erlöschenstatbestand festgehalten wurde. Seht ihr das auch so?
    Ich hatte kürzlich ein Gespräch mit einem Sachbearbeiter eines Sozialamts, der mich auf die Entscheidung des BGH vom 17.04.2018, X ZR 65/17, hingewiesen hat. Es geht da um die Höhe eines Schenkungsrückforderungsanspruchs bei Verarmung des Schenkers. In dem dort verhandelten Fall hatte die Berechtigte auf ein Wohnungsrecht verzichtet und war Jahre später "verarmt", konnte ihre Heimkosten nicht mehr zahlen. Der Sachbearbeiter beim Sozialamt war der Meinung, der BGH würde mit dieser Entscheidung eindeutig zum Ausdruck bringen, dass jede Löschung eines Wohnrechts eine Schenkung darstelle, welche der Betreuer wegen des Schenkungsverbots nicht vornehmen dürfe. Der BGH wäre hier also von der Entscheidung vom 25.01.2012, XII ZB 479/11 (Verzicht auf wertloses Wohnrecht), abgerückt und würde nun nicht mehr die Meinung vertreten, dass ein Wohnrecht unter Umständen auch entschädigungslos gelöscht werden kann. Tatsächlich spricht der BGH in der Entscheidung aus 2018 die ganze Zeit von Schenker und Beschenktem. Die Annahme des Berufungsgerichts, die unentgeltliche Aufgabe des Wohnungsrechts sei eine Schenkung gewesen (Rn. 5), wird - soweit ich das gesehen habe - kommentarlos befürwortet. Kennt ihr die Entscheidung und wie beurteilt ihr sie im Vergleich zu der Entscheidung aus 2012?

    Das klingt nach einer auflösenden Bedingung, so dass sich die Frage einer Abfindung gar nicht stellt.

  • Vielen Dank schon mal für die Antworten, ihr habt mich in meiner Auffassung bestärkt. Ich schiebe aus aktuellem Anlass direkt mal eine Abwandlung meiner Ausgangsfrage hinterher: In der Urkunde zum Wohnrecht findet sich wieder der Passus: „Das Wohnrecht erlischt, wenn die Betreute dieses dauerhaft nicht mehr ausübt“ (nicht: ausüben kann). Diesmal findet sich aber der Zusatz: „Das Wohnrecht lebt wieder auf, wenn die Betreute wieder dauerhaft in die Räumlichkeiten einzieht“. Ich habe da ne Menge Fragezeichen. Das Recht soll erlöschen, dann aber wieder aufleben können? Wenn ich das wörtlich auslege, dürfte ein Wiederaufleben gar nicht möglich sein, wenn es einmal durch Eintritt der Bedingung erloschen ist. Oder lege ich das eher so aus, dass das Recht „ruht“, de facto also eben nicht erloschen ist (die Betreute lebt auch in diesem Fall im Heim und wird dort auch bleiben), und somit eben eine entschädigungslose Löschung nicht möglich ist? Die Formulierung ist in meinen Augen nicht wirklich gelungen.

  • Bitte Sachverhalt vollständig einstellen und nicht 'Abwandlungen' (sind wir in der Klausur oder in der Praxis?) nachschieben. Sonst machen sich alle Gedanken, die dann schlimmstenfalls für den A*** sind. Nur so eine Anregung, nicht böse gemeint :)

  • Bitte Sachverhalt vollständig einstellen und nicht 'Abwandlungen' (sind wir in der Klausur oder in der Praxis?) nachschieben. Sonst machen sich alle Gedanken, die dann schlimmstenfalls für den A*** sind. Nur so eine Anregung, nicht böse gemeint :)

    Sorry, es ist aber tatsächlich so, dass ich in einer anderen Betreuungssache, die ich heute auf dem Tisch habe, im Grunde die gleiche Konstellation wie in meinem Ausgangsfall habe, nur mit dem kleinen aber feinen Unterschied dieser Formulierung in der Urkunde. Deswegen habe ich es als "Abwandlung" bezeichnet.

  • Zurück zur Ausgangsfrage:

    Ich sehe es nicht so, dass jede Löschung eines Wohnrechts eine Schenkung darstellt und/oder einen Entschädigungsanspruch auslöst. Zunächst ist der Fall der Schenkung von dem Fall der Zahlung eines Ablösebetrages zu unterscheiden.

    Essentiell für eine Schenkung ist, dass der Schenkende entreichert ist, also einen Vermögenswert weg gibt. Das hat auch der BGH in der Entscheidung vom 25.01.2012 hervorgehoben. :

    Zitat

    Voraussetzung ist jedoch, dass die Rechtsposition, die der Betreuer weg gibt, einen realen Vermögenswert des Betreuten darstellt. Eine Rechtsposition, die keinen Vermögenswert darstellt, und deren Weggabe dem Betreuten keinen Nachteil zufügt, untersteht nicht dem Schutz des § 1804 BGB.

    Die Betroffene war in dem Fall 77 Jahre alt und an Demenz erkrankt. Das Gericht unterstellte dabei, dass die Betroffene das Wohnungsrecht gar nicht mehr ausüben konnte. Es war also wertlos.



    Daran dürfte sich auch mit der neuen Entscheidung des X. Senats nichts geändert haben. Denn im Unterschied dazu, handelte es sich um einen echten Verzicht. Pflegebedürftig wurde laut Tatbestand die Mutter erst ca. 9 Jahre nach dem Verzicht.


    Eine Schenkung ist übrigens bei der Löschung des Wohnungsrechts vorrangig gar nicht zu prüfen. Vielmehr kommt es insgesamt auf drei Dinge an:

    1. Zunächst einmal ob nach der Bewilligungsurkunde eine Regelung für den Fall der vorzeitigen Löschung erfolgt ist. Ist dies nicht der Fall,
    2. ob eine Entschädigungszahlung im Rahmen einer ergänzenden Vertragsauslegung in Betracht kommt. Auch hierzu kann ein Blick in die Bewilligungsurkunde Aufschluss geben. Einer solchen Verpflichtung wird angesichts des Charakters des Wohnungsrechts als eines im Grundsatz höchstpersönlichen Nutzungsrechts der hypothetischen Parteiwille im Zweifel allerdings nicht entsprechen (BGH v. 09.01.2009, V ZR 168/07).
    3. eventuell noch, ob eine Entschädigungszahlung im Wege der Vertragsanpassung nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage in Betracht kommt. Allerdings fehlt es nach meiner Erfahrung in der Regel an der notwendigen Voraussetzung der unvorhergesehen Änderung der Umstände, die die Geschäftsgrundlage waren, weil bei der Vereinbarung eines lebenslangen Wohnungsrechts jeder Vertragsteil damit rechnen muss, dass der Berechtigte sein recht wegen Krankheit und Pflegebedürftigkeit nicht bis zu seinem Tod ausüben kann (BGH v. 19.01.2007, V ZR 163/06).

    Wenn man nach diesen drei Punkten nicht zu einer Werthaltigkeit des Wohnrechts kommt, kann es sich bei der Aufgabe des Rechts mangels Entreicherung auch nicht um eine Schenkung handeln. Richtig ist aber, dass die Genehmigung der Aufgabe eines tatsächlich noch werthaltigen Wohnungsrechts an § 1804 BGB automatisch scheitern dürfte.

  • Vielen Dank schon mal für die Antworten, ihr habt mich in meiner Auffassung bestärkt. Ich schiebe aus aktuellem Anlass direkt mal eine Abwandlung meiner Ausgangsfrage hinterher: In der Urkunde zum Wohnrecht findet sich wieder der Passus: „Das Wohnrecht erlischt, wenn die Betreute dieses dauerhaft nicht mehr ausübt“ (nicht: ausüben kann). Diesmal findet sich aber der Zusatz: „Das Wohnrecht lebt wieder auf, wenn die Betreute wieder dauerhaft in die Räumlichkeiten einzieht“. Ich habe da ne Menge Fragezeichen. Das Recht soll erlöschen, dann aber wieder aufleben können? Wenn ich das wörtlich auslege, dürfte ein Wiederaufleben gar nicht möglich sein, wenn es einmal durch Eintritt der Bedingung erloschen ist. Oder lege ich das eher so aus, dass das Recht „ruht“, de facto also eben nicht erloschen ist (die Betreute lebt auch in diesem Fall im Heim und wird dort auch bleiben), und somit eben eine entschädigungslose Löschung nicht möglich ist? Die Formulierung ist in meinen Augen nicht wirklich gelungen.

    In diesem Fall würde ich auch quasi von einem Ruhen des Wohnrechts ausgehen.

    Auf die objektiven Gegebenheiten ("kann nicht mehr ausüben") kommt bei der Formulierung in der Abwandlung nicht an, sondern auf das tatsächliche Verhalten des Berechtigten bzw. dessen Erklärungen ("übt dauerhaft nicht mehr aus").

    Aber die Formulierung ist schon merkwürdig. Wenn man "dauerhaft" (also maximal bis zum Tod) wieder einzieht, kann man nicht davon sprechen, dass das Wohnrecht zuvor "dauerhaft" nicht mehr ausgeübt worden wäre.

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