Kontopfändung, Freigabe Eingänge Dritter

  • Hallo,

    ich habe hier folgenden Fall auf dem Tisch liegen:


    Der Gläubiger hat einen Titel gegen Eheleute, genaugenommen wurde gegen beide Eheleute ein Vollstreckungsbescheid in Gesamtschuldnerschaft erwirkt.

    Gegen den Ehemann erfolgte eine Arbeitslohnpfändung, ausgezahlt wird daher nur der unpfändbare Anteil des Lohnes.

    Gegen die Ehefrau erfolgte eine Kontopfändung.

    Der Ehemann hat bislang kein eigenes Konto geführt, der ihm zustehende (unpfändbare) Arbeitslohn wurde daher auf das nunmehr gepfändete Konto der Ehefrau gezahlt.
    Auf dem gepfändeten Konto geht zusätzlich noch die Rente der Ehefrau ein.

    Die Eingänge auf dem Konto liegen deutlich über dem Sockelbetrag, die Rente der Ehefrau beträgt gut 900 Euro, der Arbeitslohn des Ehemannes 2300 Euro (inklusive Weihnachtsgeld).

    Es stellt sich daher die Frage, ob eine Freigabe und wenn ja in welcher Höhe erfolgen kann.

    Ich persönlich würde nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofes VII ZB 32/07 hier eine vollständige Freigabe des eingegangenen Arbeitslohnes des Ehemannes beschließen.

    Im Kollegenkreis wird jedoch eingewendet, die Entscheidung des Bundesgerichtshofes sei durch die Reform der Kontopfändung überholt, Vollstreckungsschutz kann nur durch die Erhöhung des Sockelbetrages der Schuldnerin inklusive einer unterhaltsberechtigten Person erfolgen.

    Dies hat dann zur Folge, dass die das an sich unpfändbare Arbeitseinkommen des Schuldners erneut gepfändet wird.

    Wie wird dies hier gesehen?
    Ist die Entscheidung des BGH überholt oder weiterhin anwendbar?

    Danke für Ihre Beiträge!

  • Die Ausgangskonstellation ist schon denkbar krude.

    § 850k ZPO geht nicht davon aus, dass 2 Schuldner ihre jeweiligen Einkommen einem Konto gutschreiben.
    Der Paragraph geht von einem Einzelverdiener aus, d. h. die vorliegende Konstellation passt da schon nicht.

    Auch der Gedanke, die Unterhaltspflicht der Kontoinhaberin zu erhöhen geht fehl; der Mann hat eigenes Einkommen,
    sie ist ihm nicht zum Unterhalt verpflichtet.
    Möge er ein eigenes Konto eröffnen und dort Antrag nach § 850k Abs. 4 ZPO stellen.
    Alles andere wäre mir zu schwurbelig (auch wenn der BGH das mal so sah).

    Kann anders aussehen, wenn der Ehemann mir schildert, kein Konto eröffnen zu können.

    "Ändere die Welt, sie braucht es." Brecht

    K. Schiller: "Genossen, lasst die Tassen im Schrank"


    "Zu sagen, man müsste was sagen, ist gut. Abwägen ist gut, es wagen ist besser." Lothar Zenetti

  • Bekommt man es mit der Gläubigeranhörung vom Eis/aus dem Brunnen?

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  • Ich würde erstmal etwas aufdröseln:
    Da es um die Kontenpfändung geht, ist allein die Ehefrau Schuldnerin des Verfahrens.
    Der Ehemann ist nicht verfahrensbeteiligt und kann weder Anträge stellen noch zulässig Rechtsmittel einlegen.

    Schuldrechtlich hat der Mann gegen seine Frau einen Anspruch auf Auskehr des Guthaben, welches aus seinem Arbeitseinkommen herrührt.
    Dass die Ehefrau diesen Anspruch aufgrund der Pfändung nicht erfüllen kann, tangiert den Gl. und das Vollstreckungsgericht nicht.

  • Ich würde erstmal etwas aufdröseln:
    Da es um die Kontenpfändung geht, ist allein die Ehefrau Schuldnerin des Verfahrens.
    Der Ehemann ist nicht verfahrensbeteiligt und kann weder Anträge stellen noch zulässig Rechtsmittel einlegen.

    Schuldrechtlich hat der Mann gegen seine Frau einen Anspruch auf Auskehr des Guthaben, welches aus seinem Arbeitseinkommen herrührt.
    Dass die Ehefrau diesen Anspruch aufgrund der Pfändung nicht erfüllen kann, tangiert den Gl. und das Vollstreckungsgericht nicht.


    :daumenrau

    Sehe ich auch so.

    Und wegen des ständig vorgebrachten Arguments "Ich hätte ja gerne ein eigenes Girokonto, aber die Bank gibt mir keines":

    Damit müssen Schuldner in Zeiten des § 31 ZKG nicht mehr kommen. Wer ein Girokonto will, bekommt eins ;)

  • Die Antworten gehen leider ein wenig an der ursprünglichen Fragestellung vorbei:

    der BGH hatte eine Freigabe über § 765 a ZPO ausdrücklich zugelassen.

    Tenor der og. Entscheidung:

    "Pfändet der Gläubiger den einer Mitschuldnerin und Ehefrau zustehenden Auszahlungsanspruch aus Girokontovertrag gegen einen Drittschuldner, können die Schuldner und Eheleute zwar nicht nach § 850 k ZPO, jedoch unter den Voraussetzungen des § 765 a ZPO Vollstreckungsschutz beanspruchen, soweit das Guthaben auf dem Girokonto aus der Überweisung von unpfändbarem Arbeitseinkommen des Ehemannes herrührt."

    Ich wüsste nicht, weshalb dies so nicht mehr anwendbar sein sollte, da dieses Problem (Geld eines Dritten auf dem gepfändeten Konto) durch die Einführung des Pfändungsschutzkontos nicht beseitigt wurde.
    M.E. ist dieser Fall durch den Gesetzgeber nicht eindeutig geregelt.

  • ....
    gelöscht, da Murks

    Meine Hauptantwort war:
    Antrags- und Beschwerdeberechtigt wäre nur die Schuldnerin=Ehefrau.

    Ob man einen Antrag nach § 765a ZPO für begründet erachten würde, muss man im Einzelfall entscheiden und da muss die Schuldnerin erstmal entsprechend vortragen.
    Maßgeblich wäre für mich hierbei, ob die Eheleute auf den Betrag, welcher den nach § 850k möglichen Freibetrag unter Berücksichtigung einer Unterhaltspflicht übersteigt, existenziell angewiesen sind.

  • Urteil des BVerfG: Passt nicht hundert Prozent zum Sachverhalt und ist (leider) für den Schuldner nachteilig.
    https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Ent…1bvr016315.html

    Danke für die Verlinkung, diese Entscheidung war mir noch nicht bekannt.

    Dennoch: sie trifft in meinen Augen nicht die hier geschilderte Konstellation.
    Das BVerfG hatte die Entscheidung des involvierten Landgerichts aufgehoben, da dort mit einer sittenwidrigen Schädigungsabsicht nach § 826 BGB argumentiert wurde.
    Eine solche würde ich jetzt auch nicht sehen.

    Davon losgelöst denke ich aber, dass eine Freigabe über § 765 a ZPO möglich ist (das wird auch in der verlinkten Entscheidung des BVerfG erwähnt).
    Es leuchtet mir einfach nicht ein, warum an sich unpfändbares Einkommen nun doch an den Gläubiger gehen soll.

    Ja, ich sehe ein, dass der Schuldner sich nicht wirklich glücklich verhalten hat.
    Mit einem eigenen Pfändungsschutzkonto wären diese Probleme gar nicht erst entstanden.
    Ich wäre auch gegen eine dauerhafte Freigabe.
    Eine einmalige Freigabe hingegen fände ich gerechtfertigt.

  • Das BVerfG hat sich in der Entscheidung auch zu § 765a ZPO ausgelassen und Maßstäbe für die Hürde einer Begründetheit festgelegt.
    Exemplarisch:

    Dem Schuldner steht in dieser Konstellation der Weg über ein (eigenes)Pfändungsschutzkonto offen, wenn er Gelder auf Konten vor Pfändung schützen will.Denn seit dem 1. Januar 2012 wird Kontopfändungsschutz für den Schuldner - abgesehenvon der Generalklausel des § 765a ZPO - durch ein Pfändungsschutzkontogewährt (...). Diesem Schutz entzieht sich der Schuldner selbst, indem er esunterlässt, dafür Sorge zu tragen, dass die Zahlungen auf seinem Pfändungsschutzkonto.eingehen, und er allein aufgrund des fehlenden Pfändungsschutzkontos den

    Fall einer besonderen Härte im Sinne des § 765a ZPO herbeizuführen sucht....

    Ist aber egal: Wenn du aufgrund eines Rechtsmittels der Schuldnerin beabsichtigst, dem Beschluss im Wege der Abhilfe aufzuheben und einmalig einen Betrag freizugeben, kannst du das doch gerne machen und dich zur Begründung das Passenden aus VII ZB 32/07 nehmen.
    Da die Entscheidung nur über § 765a ZPO laufen kann, wäre die teilweise Aufhebung der Pfändung von der Rechtskraft abhängig zu machen (§ 765a Abs. 5 ZPO).
    Wenn der Gl. deine Rechtsauffassung nicht teilt (und nur auf deine Rechtsauffassung kommt es gerade an), kann er die Entscheidung durch das Beschwerdegericht überprüfen lassen.

  • können die Schuldner und Eheleute zwar nicht nach § 850 k ZPO, jedoch unter den Voraussetzungen des § 765 a ZPO Vollstreckungsschutz beanspruchen

    Also Antrag von beiden nötig? :gruebel:


    Gute Frage.

    Aus meiner Sicht scheitert der § 765a ZPO an der nötigen sittenwidrigen Härte der Pfändung. Seit Einführung des P-Kontos war für den Ehemann (oder die Ehefrau) lange genug Zeit, sich ein eigenes einzurichten.

    Falls man aber zu einer positiven Entscheidung über §765a ZPO kommt und den auf dem Konto eingegangenen unpfändbaren Teil des Arbeitslohns vollständig freigibt, wird die Bank wegen der auch gegen die Ehefrau bestehenden Kontopfändung wohl dennoch nicht auszahlen (müssen).

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