Abstraktionsprinzip abgeschafft? (OLG Köln, Beschl. v. 5.8.2019, 2 Wx 220/19)

  • ....Im vorliegenden Fall war jedoch die Auflassung zu prüfen. Diese kann man nicht gegenüber einem Nichts erklären und ein Nichts kann sie auch nicht annehmen.

    Es gibt keinen „Nichts“. Wie oben ausgeführt, entsteht eine Stiftung nach § 80 Abs. 1 BGB zweiaktig, nämlich durch einen Privatrechtsakt (Stiftungsgeschäft) sowie durch einen privatrechtsgestaltenden und konstitutiv wirkenden Verwaltungsakt (Anerkennung). Eine Beurkundungsform für die Errichtung ist nicht vorgesehen. Die BT-Drs. 14/8277, 7 führt zu § 81 BGB aus:
    http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/14/082/1408277.pdf
    „Der Vorschlag des Absatzes 1 behält die angeordnete Schriftform für das Stiftungsgeschäft bei und legt darüber hinaus bundeseinheitlich und abschließend die inhaltlichen Anforderungen an das Stiftungsgeschäft fest. Es erfordert nach Satz 2 zuerst den Stiftungsakt als solchen, in dem der Stifter verbindlich erklärt, ein Vermögen zur Erfüllung eines von ihm nach Maßgabe von § 80 Abs. 2 benannten Zweckes hinzugeben“

    Wie Schwalm/Thiele in der Abhandlung „Die Form des Stiftungsgeschäfts unter Lebenden: Ausnahmsloser „Vorrang“ des § 81 Abs. 1 S. 1 BGB“, ZEV 2020, 523 ff. ausführen, gab es im Vorgriff auf die Stiftungsreform 2002 zahlreiche Stimmen zur Befürwortung der Einführung einer notariellen Form Der Gesetzgeber habe sich aber wiederholt klar abschließend und vermögensartunabhängig zugunsten des Schriftformerfordernisses positioniert. Der Vorwurf der Gegenansicht, aus dem verlautbarten Willen des historischen Gesetzgebers auf eine abschließende Regelung zu schließen, sei „Spekulation und [könne] sich nicht auf belegbare historische Tatsachen stützen“, sei seinerseits eine bloße unbelegte Behauptung.

    Und völlig zurecht geht Litzenburger in seiner Anmerkung zum Beschluss des OLG Köln vom 05.08.2019, 2 Wx 220/19, in der FD-ErbR 2020, 426303
    https://beck-online.beck.de/Dokument?vpath…os=2&hlwords=on

    davon aus, dass das Grundbuchamt die Wirksamkeit des Stiftungsgeschäfts überhaupt nicht zu prüfen hatte. Der Senat des OLG Köln habe übersehen, dass das Grundbuchamt eigentlich nur die Vorlage der Auflassungsurkunde gemäß § 20 GBO verlangen könne, nicht aber des zugrundeliegenden Rechtsgeschäfts. Eine Pflicht des Grundbuchamts zur Überprüfung des Kausalgeschäfts würde dem Abstraktionsprinzip des deutschen Zivilrechts widersprechen (Zitat: OLG München BeckRS 2014, 20762; OLG Schleswig SchlHA 1960, 341; MüKoBGB/Ruhwinkel, 8. Aufl. 2020, BGB § 925a Rn. 5; Hügel, BECKOK GBO § 20 Randnummer 64; Kössinger in Bauer/von Oefele, § 20 Rdnr. 232; vgl. auch OLG Hamm Rpfleger 1959, 127). Für den Vollzug der Eigentumsumschreibung genügt folglich die Vorlage eines formgerechten Auszugs aus der notariellen Urkunde, in der die Auflassungserklärung enthalten ist (BayObLG Rpfleger 1981, 233).

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Zitat von Prinz


    Es gibt keinen "Nichts".

    Das ist noch nicht einmal streitig.

    Im übrigen hatten die Beteiligten im Ausgangsfall selbst auf die erheblichen Umstände hingewiesen, so daß sich hier auch die Frage nach der Prüfungskompetenz des Grundbuchamtes nicht stellt.

    Wer würde denn wegen "ich weiß es nicht", "kann mir egal sein" und "habe ich nicht zu prüfen" Alois Wachtel und Hugo Stieglitz eintragen, wenn die Eigentümerin ausdrücklich mitteilt, daß es sich hierbei um ihre Kanarienvögel handelt?

  • Mit Deinen Kanarienvögeln hat das nicht das Geringste zu tun:teufel:. Es gibt auch keinen Ausgangsfall. Das, was Du als Ausgangsfall bezeichnest ist Dein Zitat in #9 aus dem Beschluss des OLG Köln „Auf ersteres haben die Beteiligten selbst aufmerksam gemacht, nochmals aus der genannten Entscheidung: "In der Vorbemerkung der Urkunde hat sie angegeben, sie habe am 13.04.2018 durch privatschriftliche Erklärung die Beteiligte zu 2. gegründet.

    Na und ? Das war doch genau richtig. Die Errichtung der Stiftung ist nach der gesetzgeberischen Wertung formfrei möglich. Um rechtlich existent zu sein, bedarf es lediglich der Anerkennung. Deine Ausführungen „Aber wenn die Errichtung einer Stiftung wegen Formmangels nichtig ist, kann man schlechterdings ein Grundstück per formgültiger Auflassung einbringen“ geht daher fehl, weil mit der formlosen Errichtung und der Anerkennung die Stiftung als solche rechtlich existent ist. Und wenn es noch nicht einmal streitig sein soll, dass es kein "Nichts"! gibt, dann verstehe ich die ganzen vorangegangen Ausführungen nicht.

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Mit Deinen Kanarienvögeln hat das nicht das Geringste zu tun:teufel:. Es gibt auch keinen Ausgangsfall.

    Wie einmal ein hiesiger Anwalt in einer Verhandlung zu seinem Kollegen sagte: "Sie werden wohl auch noch bestreiten, daß heute Mittwoch ist.":teufel:

    Zitat von Prinz


    Das, was Du als Ausgangsfall bezeichnest ist Dein Zitat in #9 aus dem Beschluss des OLG Köln …

    Ich darf Dir auf die Sprünge helfen:

    Zitat von ryker


    Liebe Leute, ich habe Schwierigkeiten zu verstehen, wie es zu der o.g. Entscheidung kommen konnte.


    Zitat von Prinz

    Na und? Das war doch genau richtig.

    Gleichfalls na und - Auf der angenommenen Richtigkeit dieser Angabe beruht die ganze Entscheidung!

    Zitat von Prinz


    Die Errichtung der Stiftung ist nach der gesetzgeberischen Wertung formfrei möglich. …

    Und das ist eben in Fällen wie dem D.A.n. hier nicht existierenden streitig. Man mag aus guten Gründen der einen oder aus anderen guten Gründen der anderen Auffassung sein. Man muß sich aber für eine Variante entscheiden. Was man nicht kann, ist sich "zurückzulehnen".

    Ist die Stiftung wirksam errichtet, kann sie fraglos erwerben. Ist sie es nicht, gibt es sie nicht.

    Zitat


    Und wenn es noch nicht einmal streitig sein soll, dass es kein "Nichts"! gibt, dann verstehe ich die ganzen vorangegangen Ausführungen nicht.

    Ein Nichts, das es gibt, wäre kein Nichts, sondern ein Etwas. Deshalb kann die Nichtexistenz eines Nichts eben nicht streitig sein.

  • s. dazu auch die Begründung im Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz Entwurf eines Gesetzes zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts vom 28. SEPTEMBER 2020
    https://www.bmjv.de/SharedDocs/Ges…icationFile&v=2
    auf Seite 46 (Hervorhebung durch mich):

    „§ 81 Absatz 3 BGB-neu entspricht inhaltlich dem bisherigen § 81 Absatz 1 Satz 1 BGB, soweit dort geregelt ist, dass das Stiftungsgeschäft, mit dem ein Stifter eine Stiftung zu seinen Lebzeiten errichten will, der schriftlichen Form bedarf. Dies gilt auch, wenn der Stifter sich im Stiftungsgeschäft verpflichtet, das Eigentum an einem Grundstück oder sein gesamtes Vermögen auf die Stiftung zu übertragen. Das Stiftungsgeschäft unterfällt nicht dem Wortlaut des § 311b Absatz 1 Satz 1 oder Absatz 3 BGB, der direkt nur auf Verträge anzuwenden ist. Deshalb muss die Anwendbarkeit der Vorschrift für das Stiftungsgeschäft nicht ausgeschlossen werden. Auch eine Klarstellung, dass ein Stiftungsgeschäft auch dann schriftlich errichtet werden kann, wenn sich der Stifter dadurch verpflichtet, Eigentum an einem Grundstück oder sein gegenwärtiges Vermögen oder einen Bruchteil seines gegenwärtigen Vermögens auf die Stiftung zu übertragen, erscheint nicht erforderlich. Eine entsprechende Anwendung des § 311b Absatz 1 oder Absatz 3 BGB auf das Stiftungsgeschäft lässt sich entgegen verbreiteter Auffassung in der Literatur nicht mit Blick auf den Sinn und Zweck dieser Beurkundungserfordernisse begründen. Der historische Gesetzgeber hatte von einem Beurkundungserfordernis für das Stiftungsgeschäft bewusst abgesehen, weil er der Auffassung war, dass die Beurkundungsfunktionen schon durch das Genehmigungserfordernis gewährleistet seien (Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Band 1, Seite 962). Mit Blick auf die behördliche Anerkennung des Stiftungsgeschäfts ist deshalb eine Beurkundung des Stiftungsgeschäfts auch mit Blick auf § 311b Absatz 1 und 3 BGB nicht erforderlich. ….

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