Abstraktionsprinzip abgeschafft? (OLG Köln, Beschl. v. 5.8.2019, 2 Wx 220/19)

  • Liebe Leute, ich habe Schwierigkeiten zu verstehen, wie es zu der o.g. Entscheidung ( https://dejure.org/dienste/vernet…2%20Wx%20220/19 ) kommen konnte. Leitsatz u.a.: "Ein Stiftungsgeschäft zur Errichtung einer Stiftung des Privatrechts, in dem der Stifter die Übertragung des Eigentums an einem Grundstück zusichert, bedarf der notariellen Beurkundung." Seit wann prüfen wir als Grundbuchamt den schuldrechtlichen Vertrag? Kann mich bitte kurz jemand erleuchten?

  • Seit wann prüfen wir als Grundbuchamt den schuldrechtlichen Vertrag? Kann mich bitte kurz jemand erleuchten?


    Nach doch hoffentlich seit dem 01. Januar 1900. Allein schon zur Prüfung, ob die Formvorschriften, insbesondere § 311 b BGB (bzw. seine Vorgänger) eingehalten wurden.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Seit wann prüfen wir als Grundbuchamt den schuldrechtlichen Vertrag? Kann mich bitte kurz jemand erleuchten?


    Nach doch hoffentlich seit dem 01. Januar 1900. Allein schon zur Prüfung, ob die Formvorschriften, insbesondere § 311 b BGB (bzw. seine Vorgänger) eingehalten wurden.

    Seit 1900 prüft das Grundbuchamt das, was die GBO vorschreibt. Nicht mehr und hoffentlich auch nicht weniger!

    "Auf hoher See und vor Gericht UND IN DER KLAUSUR ist man in Gottes Hand."
    Zitat Josef Dörndorfer

  • Seit wann prüfen wir als Grundbuchamt den schuldrechtlichen Vertrag? Kann mich bitte kurz jemand erleuchten?


    Nach doch hoffentlich seit dem 01. Januar 1900. Allein schon zur Prüfung, ob die Formvorschriften, insbesondere § 311 b BGB (bzw. seine Vorgänger) eingehalten wurden.

    Seit 1900 prüft das Grundbuchamt das, was die GBO vorschreibt. Nicht mehr und hoffentlich auch nicht weniger!

    Eben, und da ist doch nichts entsprechendes normiert? :oops:

  • Abstraktionsprinzip abgeschafft?

    Niemals nicht!

    Aber wenn die Errichtung einer Stiftung wegen Formmangels nichtig ist, kann man schlechterdings ein Grundstück per formgültiger Auflassung einbringen.

    Das ist ja auch eine weitere Frage. Die Errichtung ist doch nicht zwingend insgesamt nichtig, nur weil die Verpflichtung zur Einbringung nichtig ist. Zumal die Nichtigkeit streitig ist (a. A. OLG Schleswig).

  • Hierzu:

    … Diese Rechtsfrage ist umstritten.

    Nach einer Ansicht genügt die Schriftform des § 81 BGB auch dann, wenn das Stiftungsgeschäft eine Verpflichtung zur Übertragung von Grundeigentum enthält (OLG Schleswig, …)

    Die Gegenauffassung hält eine Anwendung des § 311b BGB für geboten (Palandt/ Ellenberger, BGB, 78. Aufl. 2019, § 81 Rz 3; Palandt/Grüneberg, BGB, § 311b Rz 16; Staudinger/Schumacher, BGB, Neubearbeitung 2018, § 311b Rz. 59; MünchKomm/Ruhwinkel, a.a.O., § 311b Rz. 32; Schwake, Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, 5. Aufl. 2016, § 79 Rz. 146; Schwarz, DStR 2002, 1718, 1721; A, DNotz 1996, 770 ff.).

    Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an.

  • Hierzu:

    … Diese Rechtsfrage ist umstritten.

    Nach einer Ansicht genügt die Schriftform des § 81 BGB auch dann, wenn das Stiftungsgeschäft eine Verpflichtung zur Übertragung von Grundeigentum enthält (OLG Schleswig, …)

    Die Gegenauffassung hält eine Anwendung des § 311b BGB für geboten (Palandt/ Ellenberger, BGB, 78. Aufl. 2019, § 81 Rz 3; Palandt/Grüneberg, BGB, § 311b Rz 16; Staudinger/Schumacher, BGB, Neubearbeitung 2018, § 311b Rz. 59; MünchKomm/Ruhwinkel, a.a.O., § 311b Rz. 32; Schwake, Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, 5. Aufl. 2016, § 79 Rz. 146; Schwarz, DStR 2002, 1718, 1721; A, DNotz 1996, 770 ff.).

    Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an.

    Schon klar welche Meinung das OLG Köln vertritt, wobei bei der kurzen Entscheidung leider keinerlei Aussage dazu getriffen wird, warum die gesamte Errichtung nichtig sein soll. Aber vom Grundbuchamt mutig ist es allemal, eine Eintragung auf Grund einer streitigen Rechtsfrage bezüglich einer bei Beachtung des Trennungsprinzips nicht zu prüfenden Urkunde abzulehnen.

    Lustig hier ist, dass die Beschwerdeführer Recht bekommen, weil keine ZV hätte erlassen werden dürfen. Das GBA muss nun von seinem Standpunkt aus zurückweisen was m. E. aber -trotz der vom OLG Köln geteilten Auffassung hinsichtlich 311b- wegen des Abstraktionsprinzips gar nicht zulässig ist.

  • Mutig vielleicht, auf jeden Fall folgerichtig. Und auch zulässig.

    Wenn man weiß, daß es den Grundstückserwerber gar nicht gibt, darf man ihn nicht eintragen.

    Auf ersteres haben die Beteiligten selbst aufmerksam gemacht, nochmals aus der genannten Entscheidung: "In der Vorbemerkung der Urkunde hat sie angegeben, sie habe am 13.04.2018 durch privatschriftliche Erklärung die Beteiligte zu 2. gegründet, ..."

  • Ich denke, Zimmer bringt es in seiner Anmerkung in der ZfIR 2020, 26, 28 ff.
    https://www.juris.de/perma?d=jzs-ZFIR-2020-01-0026-01-R-02
    auf den Punkt:
    „Prüfungsmaßstab für das Grundbuchamt ist hier allein die Verfahrensvorschrift des § 20 GBO. Das Grundbuchamt prüft im Rahmen von § 20 GBO, ob die begehrte Eintragung den Gegenstand der Auflassung betrifft. Das schuldrechtliche Verhältnis ist für das Grundbuchamt in den meisten Fällen schon deshalb nicht von Bedeutung, weil ihm das Grundgeschäft gar nicht bekannt sein muss… Eine Überprüfung des Kausalgeschäfts würde vor allem zum Abstraktionsprinzip des deutschen Zivilrechts im Widerspruch stehen (vgl. ….“)

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Alles richtig im Verhältnis zwischen A und B, hier haben wir aber eins zwischen A und 0.

    Wobei man dann aber in einen lustigen Konflikt kommt. Nach § 311 b I S.2 BGB wird der Vertrag (oder die Stiftungserklärung - wenn man schon § 311 b BGB darauf anwendet, dann ganz) mit Auflassung und Eintragung wirksam. Der Rechtspfleger könnte dann also entscheiden, ob er die Stiftung wirksam werden oder platzen lässt, je nachdem ob er einträgt oder zurückweist...
    Das erscheint mir dann aber doch etwas merkwürdig. Die Stiftung hätte damit in etwa das Schicksal von Schrödingers Katze und der Rechtspfleger ist derjenige, der die Kiste öffnet...
    Naja, hat das OLG Köln eben Schrödingers Stiftung erfunden...:D

  • Alles richtig im Verhältnis zwischen A und B, hier haben wir aber eins zwischen A und 0.

    Wobei man dann aber in einen lustigen Konflikt kommt. Nach § 311 b I S.2 BGB wird der Vertrag (oder die Stiftungserklärung - wenn man schon § 311 b BGB darauf anwendet, dann ganz) mit Auflassung und Eintragung wirksam. Der Rechtspfleger könnte dann also entscheiden, ob er die Stiftung wirksam werden oder platzen lässt, je nachdem ob er einträgt oder zurückweist...Das erscheint mir dann aber doch etwas merkwürdig. Die Stiftung hätte damit in etwa das Schicksal von Schrödingers Katze und der Rechtspfleger ist derjenige, der die Kiste öffnet...Naja, hat das OLG Köln eben Schrödingers Stiftung erfunden...:D

    Exakt, Zimmer (s.o.) hat die Entscheidung ja schön auseinander genommen und dem ist nichts hinzufügen.

  • Alles richtig im Verhältnis zwischen A und B, hier haben wir aber eins zwischen A und 0.

    Wobei man dann aber in einen lustigen Konflikt kommt. Nach § 311 b I S.2 BGB wird der Vertrag (oder die Stiftungserklärung - wenn man schon § 311 b BGB darauf anwendet, dann ganz) mit Auflassung und Eintragung wirksam. Der Rechtspfleger könnte dann also entscheiden, ob er die Stiftung wirksam werden oder platzen lässt, je nachdem ob er einträgt oder zurückweist...
    Das erscheint mir dann aber doch etwas merkwürdig. Die Stiftung hätte damit in etwa das Schicksal von Schrödingers Katze und der Rechtspfleger ist derjenige, der die Kiste öffnet...
    Naja, hat das OLG Köln eben Schrödingers Stiftung erfunden...:D

    Voraussetzung für eine Heilung wäre die Wirksamkeit der Auflassung. Bei einem zweiseitigen Rechtsgeschäft fehlt es zum Zeitpunkt der Abgabe der Willenserklärungen an einem Gegenüber. Eine Heilung durch Eintragung im Grundbuch hat keine Rückwirkung. Auch wenn die Stiftung durch die Eintragung nachträglich entstünde, wäre das für die Auflassungserklärungen zu spät. Die Katze, die sich in den Schwanz beißt.

    Anders, wenn man ein formlose Stiftungsgeschäft auch bei einem Einbringungsversprechen für wirksam hält. Was das OLG gerade nicht tut. Und Zimmer, der Rechtspfleger offenbar nicht besonders mag, nicht für alle verbindlich klären kann. Ohne Bang-Johansen hätte ich die Einsamkeit des Stifters beim Auflassen übersehen.

  • Wachter schließt in seiner Anmerkung im Betriebs-Berater 2019, 2705-2706, eine Heilung aus.

    Der springende Punkt ist, ob die Stiftung dann, wenn in sie Grundvermögen eingebracht werden soll, tatsächlich erst entstehen kann, wenn der Einbringungsvertrag beurkundet wurde.

    Nach § 81 Absatz 1 Satz 1 BGB bedarf das Stiftungsgeschäft unter Lebenden lediglich der schriftlichen Form. Der Gesetzgeber hat davon abgesehen, eine notarielle Beurkundung vorzusehen (s. die Darstellung im Urteil des Schleswig-Holsteinisches FG vom 08.03.2012, 3 K 118/11, oder bei Wachter, aaO.). Die in schriftlicher Form (§ 126 BGB) errichtete Stiftung entsteht mit ihrer Anerkennung als Rechtsträger, wobei die Frage, ob die Auflassung auch auf eine Vorstiftung erklärt werden kann, streitig ist und überwiegend abgelehnt wird (s. die Nachweise im DNotI-Gutachten vom 09.02.2018, Abruf-Nr. 157604).
    https://www.dnoti.de/gutachten/deta…6eb10bd32494a4c

    Wenn der Gesetzgeber etwas anderes gewollt hätte, wäre es seine Sache gewesen, dies etwa durch Verweis auf die Bestimmung des § 311b BGB klarzustellen. Das Schleswig-Holsteinisches FG führt dazu aus (Hervorhebung durch mich): „Der Modernisierungsgesetzgeber hat sich jedoch – wie der ursprüngliche Gesetzgeber – gegen eine Beurkundungspflicht entschieden (vgl. die Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Stiftungsrechts vom 11. 4. 2002, BT-Drs. 14/8765). Dies mag man rechtspolitisch bedauern, ist aber de lege lata (auch vom Gericht) zu akzeptieren mit der Folge, dass der gesetzgeberischen Wertung des § 81 Abs. 1 Satz 1 BGB der Vorrang vor der allenfalls analog heranzuziehenden Formvorschrift des § 311b Abs. 1 BGB einzuräumen ist (vgl. Hüttemann/Rawert in Staudinger, BGB, 2011, § 81 Rz. 14 und 15).“…

    Und solange es keine geänderte gesetzliche Regelung gibt, ist mE von der formlosen Errichtung der Stiftung auszugehen. Da sie anerkannt war, war die Auflassung auf die rechtlich existente Stiftung möglich. Auf das Grundgeschäft kommt es nicht an. Würde die Stiftung nicht mit Grundvermögen ausgestattet, würde auch niemand auf die Idee kommen, sie sei rechtlich noch gar nicht existent.

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Zimmer bringt die Dinge auf einen Punkt, der (weit) neben der Sache liegt, weil die Sache mit dem Grundgeschäft und demgemäß mit dem Abstraktionsprinzip überhaupt nichts zu schaffen hat. Es geht schlichtweg darum, ob der Erwerber existiert und wenn sich aus der Urkunde selbst ableiten lässt, dass er mangels Einhaltung der Form beim Stiftungsgeschäft nicht existieren kann, dann fällt die betreffende Prüfung - wie auch sonst - selbstverständlich unter den Anwendungsbereich des § 20 GBO. Und im Anwendungsbereich des § 19 GBO wäre es auch nicht anders, wenn das GBA weiß, dass der Erwerber nicht existiert, auch wenn er im Verfahren als Begünstiger überhaupt keine Erklärung abgibt.

    Unter Zugrundelegung der vom OLG Köln vertretenen Rechtsauffassung ist die Entscheidung also völlig in Ordnung.

  • Zimmer bringt die Dinge auf einen Punkt, der (weit) neben der Sache liegt, weil die Sache mit dem Grundgeschäft und demgemäß mit dem Abstraktionsprinzip überhaupt nichts zu schaffen hat. Es geht schlichtweg darum, ob der Erwerber existiert und wenn sich aus der Urkunde selbst ableiten lässt, dass er mangels Einhaltung der Form beim Stiftungsgeschäft nicht existieren kann, dann fällt die betreffende Prüfung - wie auch sonst - selbstverständlich unter den Anwendungsbereich des § 20 GBO. Und im Anwendungsbereich des § 19 GBO wäre es auch nicht anders, wenn das GBA weiß, dass der Erwerber nicht existiert, auch wenn er im Verfahren als Begünstiger überhaupt keine Erklärung abgibt.

    Unter Zugrundelegung der vom OLG Köln vertretenen Rechtsauffassung ist die Entscheidung also völlig in Ordnung.


    Das Grundbuchamt WEISS aber nicht, ob der Erwerber existiert oder nicht. Die Anwendung von 311b ist streitig, das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht und das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht haben gegenteilig entscheiden. (Prof. Dr. Lange hat die Argumente des OLG Köln in seiner Anmerkung [ZStV 2020, 96] auch gut entkräftet.) Das Grundbuchamt MEINT es also nur zu wissen.

    Eine Eintragung abzulehnen, weil angeblich der Erwerber VIELLEICHT nicht existiert, (wobei ich das nur annehme, weil ich ein Geschäft prüfe, dass ich nicht zu prüfen habe), halte ich für suboptimal.

  • In der Frage nach der Existenz eines Beteiligten gibt es genau zwei mögliche Antworten. "Vielleicht" gehört nicht dazu.

    Ebenso wie Schrödinger in seinen Kasten schauen mußte, um zu sehen, ob die Katze noch lebt, muß sich der Bearbeiter hier auf genau eine der Alternativen festlegen.

  • In der Frage nach der Existenz eines Beteiligten gibt es genau zwei mögliche Antworten. "Vielleicht" gehört nicht dazu.

    Ebenso wie Schrödinger in seinen Kasten schauen mußte, um zu sehen, ob die Katze noch lebt, muß sich der Bearbeiter hier auf genau eine der Alternativen festlegen.

    Du hast Möglichkeit c) vergessen: Ich weiß es nicht und es kann mir auch egal sein!

  • Das mag gelten, wenn man sich nur im Bereich des formellen Konsensprinzips bewegt. Allerdings auch dort mit der Ausnahme, daß die Nichtexistenz des Begünstigten=Einzutragenden sicher bekannt ist, da damit auch sicher bekannt ist, daß das Grundbuch mit der Eintragung sicher unrichtig wird.

    Im vorliegenden Fall war jedoch die Auflassung zu prüfen. Diese kann man nicht gegenüber einem Nichts erklären und ein Nichts kann sie auch nicht annehmen.

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