Testamentauslegung Wiederverheitungsklausel, Öffnungsklausel Neutestierung?

  • Ich habe ein handschriftliches Ehegattentestament vorliegen, der 2. Erbfall ist zu bearbeiten. Die Ehefrau ist vorverstorben. Hier wurde ein Erbschein mit Vor- und Nacherbfolge erteilt.

    In dem Testament heißt es: Wir setzen uns gegenseitig zu Alleinerben ein. Der Längstlebende soll über den ganzen Nachlass unter Lebenden und von Todes wegen verfügen können, wenn keine Wiederverheiratung oder anderweitige Verbindung des Ehemannes erfolgt. In diesem Fall sollen alle persönlichen Dinge und Bankguthaben der Ehefrau an die Schwestern der Ehefrau P und G gehen.

    Schlusserben sind P und G, ersatzweise D.

    Der Ehemann geht eine anderweitige Verbindung ein und schreibt kurz vor seinem Tod ein weiteres Testament zu Gunsten seiner LAG und vermacht ihr darin ca. die Hälfte des vorhandenen Vermögens.

    Nun meine Fragen:

    Ist die anderweitige Verbindung der klassischen Wiederverheiratungsklausel in ihrer Wirkung gleichzusetzen?
    Wenn dem nicht so ist heißt der vorhergehend Halbsatz dann, dass der Längstlebende neu testieren kann mit dem Resultat, dass das spätere Einzeltestament wirksam ist und zumindest ein Vermächtnis, wenn schon keine Erbeinsetzung darstellt?


    Ich tu mich schwer mit der Formulierung anderweitige Verbindung, ohne jetzt dem Alter irgend etwas absprechen zu wollen. Der EL war vor 1930 geboren, 2014 seine Frau verstorben, heißt er war schon betagt als er seine anderweitige Verbingung einging.


  • Ist die anderweitige Verbindung der klassischen Wiederverheiratungsklausel in ihrer Wirkung gleichzusetzen?

    Nach dem Testament ja, was sich aus dem "oder" im Text ergibt.

    Die Frage ist dürfte eher dahin zu stellen sein, ob das, was der Überlebende da "eingegangen" ist, der im Testament beschriebenen "anderweitigen Verbindung" entspricht. Trifft das zu, hat es die gleichen Wirkungen wie eine Wiederheirat. Was das Alter des Erblassers damit zu tun haben soll, erschließt sich mir allerdings nicht.

    Im übrigen bitte den mitgeteilten Sachverhalt überprüfen: Wo kommt die Schlußerbeneinsetzung her?

  • Du schreibst, dass du den 2. Erbfall bearbeitest. Meine Frage betrifft aber zuerst den 1. Erbfall: So wie du den Sachverhalt schilderst, müsste es sich um eine bedingte Vor- und Nacherbfolge handeln, die Bedingung Wiederverheiratung bzw. anderweitige Beziehung müsste im Erbschein aufgenommen sein. Wenn der Überlebende keine neue Verbindung eingeht, durfte er ja sowohl unter Lebenden als auch von Todes wegen frei verfügen. Das hätte zur Folge, dass jetzt beide Erbfälle zu prüfen sind. Falls keine neue Verbindung, dann steht jetzt fest, dass er Vollerbe war und er konnte neu verfügen, falls neue Verbindung, war er nur Vorerbe und konnte nicht neu verfügen.

    Deine Bedenken zum Alter des Testierers und neue Beziehung teile ich übrigens nicht. Daher ermitteln, ob es sich bei der Dame um eine anderweitige Beziehung gehandelt hat, z.B. wurde sie vom Testierer unterhalten, wohnten sie zusammen etc. Nur so kommt man zu einem korrekten Ergebnis.

  • Du schreibst, dass du den 2. Erbfall bearbeitest. Meine Frage betrifft aber zuerst den 1. Erbfall: So wie du den Sachverhalt schilderst, müsste es sich um eine bedingte Vor- und Nacherbfolge handeln, die Bedingung Wiederverheiratung bzw. anderweitige Beziehung müsste im Erbschein aufgenommen sein. Wenn der Überlebende keine neue Verbindung eingeht, durfte er ja sowohl unter Lebenden als auch von Todes wegen frei verfügen. Das hätte zur Folge, dass jetzt beide Erbfälle zu prüfen sind. Falls keine neue Verbindung, dann steht jetzt fest, dass er Vollerbe war und er konnte neu verfügen, falls neue Verbindung, war er nur Vorerbe und konnte nicht neu verfügen.


    Ganz genau so:daumenrau

  • Danke erst einmal. Der 1. ES enthält eine bedingte VE/NE auf den Fall der Wiederheirat. Ich habe natürlich beide Akten auf dem Tisch und prüfe nun den Bedingungseintritt.

    Die Schlusserben und die Ersatzerben sind im Testament namentlich benannt, zum Zug kommt der Ersatzerbe, da die anderen bereits vorverstorben sind.

    Es gibt bereits ein Schreiben eines Angehörigen der vorverstorbenen Ehefrau, der auf den Umstand hingewiesen hat und die Lebenspartnerin der letzten Jahre bekannt gegeben hat.
    Dann kam das handschriftliche Testament nach mit der Zuwendung an diese Frau.

    Also werde ich Sie erst einmal zu den Umständen hören.

  • Danke erst einmal. Der 1. ES enthält eine bedingte VE/NE auf den Fall der Wiederheirat. Ich habe natürlich beide Akten auf dem Tisch und prüfe nun den Bedingungseintritt.

    Die Schlusserben und die Ersatzerben sind im Testament namentlich benannt, zum Zug kommt der Ersatzerbe, da die anderen bereits vorverstorben sind.

    Es gibt bereits ein Schreiben eines Angehörigen der vorverstorbenen Ehefrau, der auf den Umstand hingewiesen hat und die Lebenspartnerin der letzten Jahre bekannt gegeben hat.
    Dann kam das handschriftliche Testament nach mit der Zuwendung an diese Frau.

    Also werde ich Sie erst einmal zu den Umständen hören.

    Der Erbschein enthält nur eine Nacherbfolge für den Fall der Wiederheirat? Dann wäre der Erbschein ohnehin ursprünglich unrichtig gewesen.

  • Du meinst die "anderweitige Verbindung" hätte genau wie die Wiederheirat mit aufgenommen werden müssen??

    Aber was ist eine anderweitige Verbindung, kann es ein Pflegeverhältnis sein, muss eine eingetragene Lebenspartnerschaft sein?. Ich kann mit dem Begriff nichts anfangen.
    Selbst wenn ich jetzt eine Antwort von der Frau der letzten 6 Jahre des Lebens des EL bekomme wird es mir schwer fallen das einzuordnen.

  • Du meinst die "anderweitige Verbindung" hätte genau wie die Wiederheirat mit aufgenommen werden müssen??

    Aber was ist eine anderweitige Verbindung, kann es ein Pflegeverhältnis sein, muss eine eingetragene Lebenspartnerschaft sein?. Ich kann mit dem Begriff nichts anfangen.
    Selbst wenn ich jetzt eine Antwort von der Frau der letzten 6 Jahre des Lebens des EL bekomme wird es mir schwer fallen das einzuordnen.

    Ja, das sehe ich auch so. Und es kommt nicht darauf an, was du unter anderweitige Verbindung verstehst, sondern, was die Erblasser damit meinten. Ein Pflegeverhältnis wird sicher nicht darunter fallen. Letztendlich, wenn es Meinungsverschiedenheiten darüber gibt, wird das auf dem Rechtsweg entschieden werden.

  • Naja ich muss ja den Bedingungseintritt prüfen und wegen der unter 1) genannten Formulierung die Alternativvarianten im Testament beachten. Es gibt ja das 2. einseitige TES des EL mit einer Zuwendung an die LAG in Höhe der Hälfte des Nachlasses. Die Beträge sind nicht unerheblich.

    ((In dem Testament heißt es: Wir setzen uns gegenseitig zu Alleinerben ein. Der Längstlebende soll über den ganzen Nachlass unter Lebenden und von Todes wegen verfügen können, wenn keine Wiederverheiratung oder anderweitige Verbindung des Ehemannes erfolgt. In diesem Fall sollen alle persönlichen Dinge und Bankguthaben der Ehefrau an die Schwestern der Ehefrau P und G gehen))

  • Das Nachlassgericht hat im Erbscheinsverfahren zu prüfen, welche Art von Verbindung den Nacherbfall auslösen soll und hat dementsprechend den Erbscheinsinhalt zu gestalten. Dies ist im vorliegenden Fall offensichtlich unterblieben, sodass man dies nunmehr wohl oder übel im Rahmen des zweiten Sterbefalls nachholen muss. Der aktuelle Erbschein ist ja ohnehin einzuziehen, weil er in jedem Fall unrichtig geworden ist (entweder Vollerbschaft, weil keine Nacherbfolge eingetreten ist oder die Nacherbfolge ist eingetreten).

    Nach allem, was bislang bekannt ist, gehe ich davon aus, dass die bedingte Nacherbfolge eingetreten ist und nicht neu testiert werden konnte.

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!