Benennung mehrerer Vormünder durch Testament

  • Ich habe ein Testament, welches wie folgt lautet:

    “Es entspricht meinem ausdrücklichen Wunsch, dass meine Eltern Hans Huber und Erna Huber nach deren Möglichkeiten meinen Kindern mit Rat und Tat bis zu deren Volljährigkeit und darüber hinaus auch bis zum Abschluss der Berufsausbildung zur Seite stehen.

    Weitere Personen, die dafür zur Verfügung stehen würden sind:

    Mein Bruder Rene

    Meine Freundin Charlotte

    Meine Schwiegermutter Claudia


    Es entspricht weiter meinem ausdrücklichen Willen, dass meine Schwiegermutter Claudia meinen Kindern in allen finanziellen Belangen mit Rat und Tat zur Seite steht“


    Ich lege das Testament so aus, dass die Eltern Hans und Erna gemeinschaftliche Vormünder sein sollen und die übrigen Personen lediglich ersatzweise benannt sind.

    In Übrigen wäre die Schwiegermutter als Ergänzungspflegerin für Vermögenssorge benannt.


    Vorliegend begehren sowohl die Schwiegermutter Claudia als auch die Eltern Hans und Erna die Vormundschaft.

    Nunmehr habe ich vom Anwalt der Schwiegermutter Claudia einen Befangenheitsantrag wegen falscher Auslegung des Testaments bekommen.


    Wie legt Ihr das Testament aus?

  • Eine Falschauslegung könnte vorliegen, wenn das Gericht das Testament so auslegt, als habe der Testierende einen Vormund im Sinn des § 1776 BGB benannt. Der Testierende hat mit aller Sorgfalt vermieden, die Begriffe Pflegschaft, Vormundschaft oder Sorgerecht zu verwenden. Deshalb wird die Auswahl der gesetzlichen Vertreter wie in jedem anderen Fall durchzuführen sein. Die Stellungnahme des Testierenden liegt ja bereits vor. Ob d. Waise für das Verfahren einen Beistand oder vorübergehend einen Pfleger bekommen sollte?

  • Sehe ich etwas anders als Moosi. Auch wenn die Begriffe Vormundschaft, Pflegschaft usw. nicht verwendet wurden, ist für mich klar, dass die Erblasserin hier etwas verbindlich regeln wollte. Für einen allgemeinen Wunsch nach familiärer Unterstützung sind die Anordnungen zu detailliert.

    Ich würde, wie du, davon ausgehen, dass Rene, Charlotte und Claudia nur ersatzweise benannt wurden (ich mache das insbesondere an dem "würden" fest).

    Hans und Erna sollen grundsätzlich die Vormundschaft gemeinschaftlich führen, das ist denke ich, unstreitig.

    Die Claudia soll wohl keine Vormundin ohne Beschränkung des Aufgabenkreises werden. Sonst wäre es sinnlos, sie gleichzeitig als Ersatzvormund zu benennen.
    Dass die die Vermögenssorge übernehmen soll, ist eindeutig. Daher wäre ich bei § 1797 Abs. 2 BGB und würde die nur für den Aufgabenkreis "Vermögenssorge" zu Vormund bestellen (mit Ergänzungspflegschaft kann ich mich nicht so richtig anfreunden).

    Die Frage ist, ob Hans und Erna die Vermögenssorge auch haben sollen... § 1797 Abs. 2 BGB spricht ja nur von einer Teilung des Aufgabenkreises. Eine "Doppelbelegung" (Vermögenssorge durch Hans und Erna gemeinsam und gleichzeitig durch Claudia) kann ich nicht recht mit dem Gesetzeswortlaut vereinbaren.

    Daher würde ich bestellen:
    Hans und Erna gemeinschaftlich für alles außer Vermögenssorge und Claudia beschränkt auf Vermögenssorge.

    Wobei man da trefflich darüber streiten kann. Das Testament taugt wirklich nichts, da wäre das Geld für einen Notar gut angelegt gewesen. :(

  • Ich sehe es wie Moosi.

    Die Formulierung "nach deren Möglichkeiten ... mit Rat und Tat zur Seite stehen" lässt nicht erkennen, dass die benannten Personen gesetzliche Vertreter der Waise werden sollen.

    Dafür spricht m. E. auch, dass bei Hans und Erna vom Erblasser formuliert wurde "...bis zu deren Volljährigkeit und darüber hinaus auch bis zum Abschluss der Berufsausbildung...". Vormünder können nur bis zur Volljährigkeit amtieren.

    Und wenn der Erblasser sich mehrere Personen als Vormund gewünscht hätte, müsste das Testament eine Aussage enthalten, dass Hans und Erna die Vermögenssorge nicht erhalten sollen (z. B. weil sie sich nicht auskennen) und dafür Schwiegermutter Claudia.

  • Wegen dem Wortlaut des § 1909 Abs. 1 BGB.

    Ein Ergänzungspfleger wird grundsätzlich bei einem Vertretungsausschluss bestellt. Einen solchen kann ich hier nicht erkennen.
    Auch § 1909 Abs. 1 S. 2 BGB liegt meines Erachtens nicht vor, da dieser nur die Verwaltung von "Sondervermögen" betrifft (dem Kind angefallene Erbschaften und Schenkungen). Ich halte es nicht für möglich, dem Vormund die Verwaltung des gesamten Vermögens über diese Ausnahme abzunehmen.

    Daher wäre ich bei § 1797 Abs. 2 BGB und nicht bei § 1909 BGB. Wobei es für die praktische Arbeit der Vormünder / Pfleger keinen Unterschied machen dürfte....

    Frog:

    Das Argument mit der Unterstützung über die Volljährigkeit hinaus kann man nicht ganz von der Hand weisen und spricht tatsächlich für deine Auslegung. Ich bin mir aber nicht sicher, ob das nicht schlicht ein Rechtsirrtum der Erblasserin war und die einfach nicht wusste, dass man die Vormundschaft nur bis zur Volljährigkeit anordnen kann. Klar, für uns als Juristen wirkt so eine Vorstellung fernliegend, aber wenn man mit Antragstellern auf der RaSt redet, kommen da durchaus mal solche Ideen ... :(

    Ergaben die Anhörung der anderen Familienmitglieder (insbesondere jener, die keinen Vorteil aus dem Testament ziehen könnten) irgendwelche Anhaltspunkte, was die Kindsmutter hier genau anordnen wollte?

  • Hallo Corypheus,

    ob sich das Testament für eine Auslegung bzgl. des Sorgerechts eignet, bedarf mit Sicherheit einer umfangreichen Prüfung und Anhörung der Beteiligten. Dann kann man auch gleich für eine einstweilige gesetzliche Vertretung des Kindes sorgen und außerdem einen Verfahrensbeistand zu beauftragen, mit dem Kind zu reden, auch wenn das im Moment hauptsächlich telefonisch laufen dürfte.

    Damit ich von meinem Homeoffice aus weiterspinnen kann, wüsste ich gerne:

    Wie alt ist d. Waise?
    Wie alt zum Zeitpunkt des Testats?
    Hat Elternteil mit Kind darüber gesprochen?
    Wo lebt das Kind?
    Woraus besteht das Erbe?
    Gibt es Miterben?


    Freundliche Grüße
    Moosi

  • Und vielleicht noch ergänzend: Wie sieht der Rest des Testaments aus? Ist der erbrechtliche Teil auch derart ungeschickt formuliert? Sind da Sachen drin, die gar nicht ins Testament gehören (z.B. Anordnungen für den Ablauf der Bestattung?)

    (Wenn die Erbeinsetzungen usw. rechtlich sauber formuliert sind, wird man eher davon ausgehen können, dass die Erblasserin wusste, was sie tut. Das würde dann für die Auslegung von Moosi und Frog sprechen. Ist der Rest des Testaments ähnlich unsauber formuliert könnte man durchaus zum Ergebnis kommen, dass die Erblasserin rechtlich besonders unbedarft war und vielleicht doch Vormünder benennen wollte).

    Einen Verfahrensbeistand halte ich für eine gute Idee.
    Auch einer vorläufigen Bestellung eines anderen Vormunds (z.B. Jugendamt) wäre ich grundsätzlich nicht abgeneigt. Dann hätte man zumindest Zeit, das in Ruhe zu prüfen. Ich fürchte allerdings, dass man damit einen Nebenkriegsschauplatz eröffnen würde, da sich die Beteiligten wohl auch dagegen zur Wehr setzen werden.

    Von telefonischen Anhörungen halte ich nichts, da man dann nicht sieht, wer möglicherweise neben dem Kind steht und es "berät".... Da würde ich zumindest Skype oder so nehmen.

  • ......
    Von telefonischen Anhörungen halte ich nichts, da man dann nicht sieht, wer möglicherweise neben dem Kind steht und es "berät".... Da würde ich zumindest Skype oder so nehmen.

    Die Beistände scheinen mir da sehr kreativ und vor allem erfahren zu sein. Auch in Zeiten vor Corona war es schon einfacher, sich ein telefonisches Bild zu verschaffen als einen Besuch durchzuführen. Solange die Richter mit den Ergebnissen zufrieden sind, solls mich nicht stören. Der Unterschied zur teilweisen Gängelung der ehrenamtlichen Vormünder fällt schon auf. Dieses Jahr bin ich mit Beratung dran, vorige Jahre machte das noch ein Träger. Ich bin erschrocken.

  • Hallo Moosi,

    die Waisen sind 10 und 13 (wobei der Junge am 04.04.2020 14 wird und dann der Benennung im Testament, sollte es wirklich eine Benennung sein, widersprechen könnte). Die Kinder hatte ich im Januar bereits angehört. Die Anhörung der Erwachsenen ist bisher gescheitert da der Anwalt der Schwiegermutter auf Zeit spielt und wartet bis der Junge 14 wird. Ich wollte den Termin und die Entscheidung Mitte März durchdrücken. Auch deshalb der Befangenheitsantrag.

    Im Zeitpunkt des Testats waren die Kinder 9 und 12.

    Elternteil hat nicht mit Kindern darüber gesprochen, Kinder wissen aber dass Opa und Oma mütterlicherseits von der Mutter gewollt gewesen wären.

    Die Kinder lebten erst, seit Oktober, bei der Schwiegermutter, da diese direkt neben dem Elternhaus wohnte. Sodann gab es im Dezember einen Vorfall Konflikt mit dem vorläufigen Vormund (JA) worauf die Schwiegermutter sagte sie stehe erst wieder für die Betreuung der Kinder zur Verfügung, wenn sie die Vormundschaft habe. Nunmehr wohnen die Kinder bei den anderen Großeltern.

    Erbe sind die Kinder je zur Hälfte. Jeder hat 160.000€. Außerdem gibt es 2 Firmen die aber fast nichts wert sind und jetzt von einem Ergänzungspfleger den ich eingesetzt habe für Vermögenssorge abgewickelt werden.

    Zum Thema separate Anhörungen habe ich gestern einen gesonderten Thread gemacht. Wenn der Befangenheitsantrag abgelehnt wird würde ich am liebsten separat die Beteiligten anhören.

  • Übrigens haben sich Verfahrensbeiständin und Jugendamt für die Eltern mütterlicherseits ausgesprochen. Der restliche Teil des TESTAMENTS ist weniger stümperhaft formuliert. Jedoch ist die Erbeinsetzung in einem Satz abgehandelt und der Rest dreht sich um die Benennung.

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    Auch einer vorläufigen Bestellung eines anderen Vormunds (z.B. Jugendamt) wäre ich grundsätzlich nicht abgeneigt. Dann hätte man zumindest Zeit, das in Ruhe zu prüfen. Ich fürchte allerdings, dass man damit einen Nebenkriegsschauplatz eröffnen würde, da sich die Beteiligten wohl auch dagegen zur Wehr setzen werden.

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    Aus meiner Sicht ist es - gerade in diesem Fall - dringend geboten, zunächst das Jugendamt zum Vormund zu bestellen.

    Die Vertretung des Kindes muss sichergestellt werden. Ehe eine Prüfung der Geeignetheit der möglichen ehrenamtlichen Vormünder/Pfleger abgeschlossen ist, vergeht einige Zeit.

  • Froh, das Jugendamt hatte ich als erste Maßnahme per einstweiliger Anordnung schon im November als vorläufigen Vormund eingesetzt. (Siehe oben)

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    Von telefonischen Anhörungen halte ich nichts, da man dann nicht sieht, wer möglicherweise neben dem Kind steht und es "berät".... Da würde ich zumindest Skype oder so nehmen.

    Die Beistände scheinen mir da sehr kreativ und vor allem erfahren zu sein. Auch in Zeiten vor Corona war es schon einfacher, sich ein telefonisches Bild zu verschaffen als einen Besuch durchzuführen. Solange die Richter mit den Ergebnissen zufrieden sind, solls mich nicht stören. Der Unterschied zur teilweisen Gängelung der ehrenamtlichen Vormünder fällt schon auf. Dieses Jahr bin ich mit Beratung dran, vorige Jahre machte das noch ein Träger. Ich bin erschrocken.

    Bei uns im Bezirk sind persönliche Gespräche eigentlich absolut üblich. Dass ein Kind telefonisch angehört wurde, habe ich nur extrem selten gelesen.

    Ich bin in erster Linie für Betreuung zuständig und muss daher recht oft anhören. Mir hilft es extrem die Leute zu sehen. Gerade die Körpersprache und optische Gesamteindruck helfen mir das gehörte zu bewerten. Schaut der Betroffene z.B. bei jeder Frage zu der Tür, aus der gerade der ehrenamtliche Betreuer verschwunden ist, prüfe ich die Bestellung eines Verfahrenspflegers genauer.

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