Wertermittlungsgutachten / notwenige Kosten im Sinne des § 788 ZPO?

  • Wegen einer Forderung von ursprünglich etwa 10.000,00 EUR betreibt ein Gläubiger die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner. Der Schuldner leistet unregelmäßig Teilzahlungen. In der Forderungsaufstellung zum PfÜB werden Kosten einer Immobilienbewertung als Vollstreckungskosten im Sinne des § 788 ZPO aufgeführt, Höhe ca. 600,00 EUR. Diese sollen nun im Rahmen einer Forderungspfändung mit beigetrieben werden. Begründung: Die Kosten für die Wertermittlung des Grundbesitzes des Schuldners seien notwendig im Sinne des § 788 ZPO gewesen, weil der Immobilienwert maßgeblich für die Entscheidung war, welche weiteren Vollstreckungsmaßnahmen betrieben werden sollen.

    Sind diese Kosten als "Vorbereitungskosten" notwendig im Sinne des § 788 ZPO?

  • Schwierig zu sagen. Bei der Höhe der Forderung könnte das evtl. schon gerechtfertigt sein.
    Im Beck-OK habe bei § 91 Rdnr. 144 zu Gutachten folgendes gefunden:
    "Die Kosten eines Privatgutachtens, das lediglich die Prozessaussichten hat beurteilen sollen, sind im Allgemeinen nicht erstattungsfähig (KG BeckRS 2019, BECKRS Jahr 9649; OLG Nürnberg BeckRS 2016, BECKRS Jahr 09460). Eine Notwendigkeit kann sich hinsichtlich sog. prozessvorbereitender Privatgutachten vor allem aus dem Grundsatz eines fairen Zugangs zum Verfahren ergeben und aus dem Gebot der verfahrensrechtlichen Chancen- und Waffengleichheit. ... Abzustellen ist auf die Sicht einer verständigen und wirtschaftlich vernünftig handelnden Partei. Es gilt der Grundsatz, dass eine Partei die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Maßnahmen ergreifen darf. Bei Beantwortung der Frage nach der Notwendigkeit ist eine eigene bzw. spezielle Sachkunde der Partei beachtlich (BGH NJW 2017, NJW Jahr 2017 Seite 1397). Es soll unerheblich sein, ob die Partei ihren Gegner über die voraussichtlichen Privatgutachterkosten unterrichtet hat oder nicht, weil die gebotene Einschränkung der Erstattungsfähigkeit über das Tatbestandsmerkmal der Notwendigkeit hinreichend sei (BGH NJW 2007, NJW Jahr 2007 Seite 1532 (NJW Jahr 2007 1533)). Die Frage der Notwendigkeit beantwortet sich nach der Sachlage im Zeitpunkt der kostenauslösenden Beauftragung (sog. ex ante Betrachtung), weshalb es keine Rolle spielt, ob das Gutachten den weiteren Prozess dann tatsächlich gefördert hat oder auch nur vorgelegt worden ist (BGH NJW 2013, NJW Jahr 2013 Seite 1823; BeckRS 2012, BECKRS Jahr 06072)."

    Lasst ja die Kinder viel lachen, sonst werden sie böse im Alter. Kinder, die viel lachen, kämpfen auf der Seite der Engel.
    Hrabanus Maurus


    Nach manchen Gesprächen mit einem Menschen hat man das Verlangen, eine Katze zu streicheln, einem Affen zuzunicken oder vor einem Elefanten den Hut zu ziehen.
    Maxim Gorki



  • Aus meiner Sicht liegt eher keine Erstattungsfähigkeit vor, gerade auch wegen der im Hinblick auf Grundstückswerte eher niedrigen Forderung.
    Was sollte denn der Sinn des Gutachtens konkret gewesen sein? :gruebel: Hilfe zur Entscheidung, ob die Eintragung einer Zwasihyp und die folgende Zwangsversteigerung zum Ziel führt?

    Bei einer Forderung von 10.000 € sollte eine Realisierung dieser im Rahmen der Zwangsversteigerung mit großer Wahrscheinlichkeit möglich sein, auch ohne vorherige Einholung eines Gutachtens durch den Gläubiger. Anders würde ich das bei einer Forderung von 50.000 € und mehr sehen. Da sollte man den Grundstückswert dann schon genauer kennen.

    Der Gläubiger sollte daher den Sinn und das Ergebnis des Gutachtens (weshalb jetzt doch Pfüb-Antrag?) näher erläutern. Derzeit gehe ich nicht davon aus, dass es sich um notwendige Kosten handelt.

  • Aus meiner Sicht liegt eher keine Erstattungsfähigkeit vor, gerade auch wegen der im Hinblick auf Grundstückswerte eher niedrigen Forderung.
    Was sollte denn der Sinn des Gutachtens konkret gewesen sein? :gruebel: Hilfe zur Entscheidung, ob die Eintragung einer Zwasihyp und die folgende Zwangsversteigerung zum Ziel führt?

    Exakt diese Fragestellung ist der häufigste Grund für Gutachtenerstellungen überhaupt.

    Zudem ist der Immobilienbesitz von Schuldnern oft stark belastet und nur über ein Gutachten kann sich der Gläubiger Gewissheit darüber verschaffen, ob eine Vollstreckung angesichts der Belastungssituation sinnvoll ist. 600,00 EUR sind dabei für ein bebautes Grundstück doch sehr wenig.

    Ich bin Weinkenner. Wenn ich Wein trinke, merke ich sofort: aah, Wein. (Han Twerker)

  • Übrigens: was soll der Gläubiger denn alternativ machen?

    Wenn er ohne vorhergehendes Privatgutachten die Versteigerung anordnen lässt holt das Gericht das Gutachten ein. Dann sind die Kosten aber schnell bei 3.000,00 EUR oder höher.

    Wenn sich dann im Verfahren herausstellt, dass die ZV aufgrund wertausschöpfender Beleihung erfolglos ist, wer wird wohl dann die Kosten des Verfahrens tragen?

    Ich bin Weinkenner. Wenn ich Wein trinke, merke ich sofort: aah, Wein. (Han Twerker)

  • Aus meiner Sicht liegt eher keine Erstattungsfähigkeit vor, gerade auch wegen der im Hinblick auf Grundstückswerte eher niedrigen Forderung.
    Was sollte denn der Sinn des Gutachtens konkret gewesen sein? :gruebel: Hilfe zur Entscheidung, ob die Eintragung einer Zwasihyp und die folgende Zwangsversteigerung zum Ziel führt?

    Exakt diese Fragestellung ist der häufigste Grund für Gutachtenerstellungen überhaupt.

    Zudem ist der Immobilienbesitz von Schuldnern oft stark belastet und nur über ein Gutachten kann sich der Gläubiger Gewissheit darüber verschaffen, ob eine Vollstreckung angesichts der Belastungssituation sinnvoll ist. 600,00 EUR sind dabei für ein bebautes Grundstück doch sehr wenig.


    Der Betrag wird so niedrig sein, weil die Begutachtung nur von außen erfolgte. Welchen Wert das hat, wenn man den Zustand des Hauses im Inneren nicht kennt, kann sich vermutlich jeder vorstellen.

  • Aus meiner Sicht liegt eher keine Erstattungsfähigkeit vor, gerade auch wegen der im Hinblick auf Grundstückswerte eher niedrigen Forderung.
    Was sollte denn der Sinn des Gutachtens konkret gewesen sein? :gruebel: Hilfe zur Entscheidung, ob die Eintragung einer Zwasihyp und die folgende Zwangsversteigerung zum Ziel führt?

    Exakt diese Fragestellung ist der häufigste Grund für Gutachtenerstellungen überhaupt.

    Zudem ist der Immobilienbesitz von Schuldnern oft stark belastet und nur über ein Gutachten kann sich der Gläubiger Gewissheit darüber verschaffen, ob eine Vollstreckung angesichts der Belastungssituation sinnvoll ist. 600,00 EUR sind dabei für ein bebautes Grundstück doch sehr wenig.


    Der Betrag wird so niedrig sein, weil die Begutachtung nur von außen erfolgte. Welchen Wert das hat, wenn man den Zustand des Hauses im Inneren nicht kennt, kann sich vermutlich jeder vorstellen.

    Mehr als die Hälfte aller Verkehrswertgutachten bei Gericht dürften auf einer Außenbesichtigung beruhen.

    Dennoch kosten die Gutachten auch in solchen Fällen meist mehrere tausend Euro und sind problemlos zu verwenden.

    Insofern halte ich das für kein durchgreifendes Argument.

    Ich bin Weinkenner. Wenn ich Wein trinke, merke ich sofort: aah, Wein. (Han Twerker)

  • Zumindest den Gutachten in Betreuungs- und Nachlassverfahren gehen in nahezu allen Fällen auch Innenbesichtigungen voraus.


  • Zumindest den Gutachten in Betreuungs- und Nachlassverfahren gehen in nahezu allen Fällen auch Innenbesichtigungen voraus.

    … was vielleicht daran liegt, dass in diesen Verfahren die Parteien, die sich sonst streiten, gleichlaufende Interessen am Verkauf haben ...


    Aus Sicht der Zwangsversteigerung kann ich mitteilen, dass von Gläubigern/Parteien eingeholte Gutachten (unabhängig ob Innenbesichtigung oder nicht) meist nicht den Anforderungen für ein Versteigerungsverfahren genügen.

    Was aber trotzdem nicht heißt, dass das 600-€-Gutachten für die Gläubigerin im vorliegenden Fall nicht notwendig gewesen sein soll.
    Hätte denn der Gläubiger (z.B. aus anderen Vollstreckungen) die Erfahrung haben müssen, die Einschätzung zum Wert des Objektes und seine weiteren Vollstreckungsmaßnehmen auch ohne die Wertermittlung treffen zu können?


  • Zudem ist der Immobilienbesitz von Schuldnern oft stark belastet und nur über ein Gutachten kann sich der Gläubiger Gewissheit darüber verschaffen, ob eine Vollstreckung angesichts der Belastungssituation sinnvoll ist. 600,00 EUR sind dabei für ein bebautes Grundstück doch sehr wenig.

    Das bekommt man aber nicht mit einem Gutachten raus, sondern mit dem Blick ins Grundbuch.
    Und ein Gutachten für 600,00 € ist ein Angebot von manchen Sachverständigen, die da Komplettpakete anbieten. Das kann aber nicht gut sein, weil das meiste Geld für den Sachverständigen geht für seine Zeit drauf, die er zur Besichtigung und Berechnung braucht. ( und oT meine Sachverständige kommen zu ca. 90% in die Häuser.)

    Lasst ja die Kinder viel lachen, sonst werden sie böse im Alter. Kinder, die viel lachen, kämpfen auf der Seite der Engel.
    Hrabanus Maurus


    Nach manchen Gesprächen mit einem Menschen hat man das Verlangen, eine Katze zu streicheln, einem Affen zuzunicken oder vor einem Elefanten den Hut zu ziehen.
    Maxim Gorki




  • Zudem ist der Immobilienbesitz von Schuldnern oft stark belastet und nur über ein Gutachten kann sich der Gläubiger Gewissheit darüber verschaffen, ob eine Vollstreckung angesichts der Belastungssituation sinnvoll ist. 600,00 EUR sind dabei für ein bebautes Grundstück doch sehr wenig.

    Das bekommt man aber nicht mit einem Gutachten raus, sondern mit dem Blick ins Grundbuch.
    Und ein Gutachten für 600,00 € ist ein Angebot von manchen Sachverständigen, die da Komplettpakete anbieten. Das kann aber nicht gut sein, weil das meiste Geld für den Sachverständigen geht für seine Zeit drauf, die er zur Besichtigung und Berechnung braucht. ( und oT meine Sachverständige kommen zu ca. 90% in die Häuser.)

    Also sorry, diese Argumentation verstehe ich nicht.

    Wenn ich als Gläubiger einen Titel über 10.000,00 EUR habe und ein Blick in das Grundbuch mir eine Verschuldung von z.B. 200.000,00 EUR anzeigt, wie soll ich da erkennen, dass die Immobilie 190.000,00 EUR oder 210.000,00 EUR bei einem Verkauf erbringen könnte?

    Ich bin Weinkenner. Wenn ich Wein trinke, merke ich sofort: aah, Wein. (Han Twerker)


  • Zudem ist der Immobilienbesitz von Schuldnern oft stark belastet und nur über ein Gutachten kann sich der Gläubiger Gewissheit darüber verschaffen, ob eine Vollstreckung angesichts der Belastungssituation sinnvoll ist. 600,00 EUR sind dabei für ein bebautes Grundstück doch sehr wenig.

    Das bekommt man aber nicht mit einem Gutachten raus, sondern mit dem Blick ins Grundbuch.
    Und ein Gutachten für 600,00 € ist ein Angebot von manchen Sachverständigen, die da Komplettpakete anbieten. Das kann aber nicht gut sein, weil das meiste Geld für den Sachverständigen geht für seine Zeit drauf, die er zur Besichtigung und Berechnung braucht. ( und oT meine Sachverständige kommen zu ca. 90% in die Häuser.)

    Wenn man aber den Wert des Grundstücks nicht kennt, hat der Blick ins Grundbuch keinen großen Nutzen. Nur mit beidem kann man das von Bukowski genannte Ziel erreichen.

    "Auf hoher See und vor Gericht UND IN DER KLAUSUR ist man in Gottes Hand."
    Zitat Josef Dörndorfer


  • Zudem ist der Immobilienbesitz von Schuldnern oft stark belastet und nur über ein Gutachten kann sich der Gläubiger Gewissheit darüber verschaffen, ob eine Vollstreckung angesichts der Belastungssituation sinnvoll ist. 600,00 EUR sind dabei für ein bebautes Grundstück doch sehr wenig.

    Das bekommt man aber nicht mit einem Gutachten raus, sondern mit dem Blick ins Grundbuch.
    Und ein Gutachten für 600,00 € ist ein Angebot von manchen Sachverständigen, die da Komplettpakete anbieten. Das kann aber nicht gut sein, weil das meiste Geld für den Sachverständigen geht für seine Zeit drauf, die er zur Besichtigung und Berechnung braucht. ( und oT meine Sachverständige kommen zu ca. 90% in die Häuser.)

    Also sorry, diese Argumentation verstehe ich nicht.

    Wenn ich als Gläubiger einen Titel über 10.000,00 EUR habe und ein Blick in das Grundbuch mir eine Verschuldung von z.B. 200.000,00 EUR anzeigt, wie soll ich da erkennen, dass die Immobilie 190.000,00 EUR oder 210.000,00 EUR bei einem Verkauf erbringen könnte?

    Vielleicht hängt es auch von der Gegend ab, in der der Schuldner wohnt.

    Wenn dort die Grundstückswerte generell nicht so hoch sind und das Grundbuch diverse Belastungen in entsprechender Höhe ausweist, kann ich mir als Gläubiger die Kosten für so ein Gutachten sparen.

    Selbst wenn man den entsprechenden Betrag als notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung berücksichtigt, ist ja noch nicht gesagt, dass der Gläubiger die Gutachterkosten betreiben kann.

  • Die Notwendigkeit iSd § 788 ZPO haben wir im Rahmen eines PÜ mE nicht zu prüfen. Soll sich der Schuldner dagegen wehren.

    Hätte der Gläubiger die Versteigerung betrieben, wäre zusätzlich dazu, dass das im Verfahren einzuholende Gutachten selbst bei einer überwiegend vorkommmenden Außenbesichtigung vermutlich mehr als doppelt so teuer geworden wäre, noch die Verfahrenskosten dazu gekommen.
    Stellt man sich auf die formale Seite und verneint die Notwendigkeit, treibt man den Gläubiger in die Versteigerung. Die Kosten dafür wären zwar wohl unstreitig notwendig, aber auch ebenso unstreitig deutlich höher, was letztlich dem Schudner schaden würde.

    "Just 'cos you got the power, that don't mean you got the right!" ((c) by Mr. Kilmister, passt zum Job)

    "Killed by Death" (ebenfalls (c) by Lemmy, passt eigentlich immer)

  • Die Notwendigkeit iSd § 788 ZPO haben wir im Rahmen eines PÜ mE nicht zu prüfen.

    .

    Oh doch,, denn nur notwendige können mit vollstreckt werden.

    Und was zur Zwangsvollstreckung gehört regelt das 8. Buch der ZPO. M.E. ist ein derartiges Gutachten keinesfalls notwendig und kann damit keinesfalls mit vollstreckt werden

  • Das ist natürlich richtig. ABER:

    Es gibt mittlerweile mehrere obergerichtliche Entscheidungen, ich meine sogar auch vom BGH, die besagen, dass die Prüfung der Forderungsaufstellung unter die Prüfung materiellen Rechts fällt. Wir prüfen aber kein materielles Recht.
    Die Prüfung der Notwendigkeit ist aber die Überprüfung der Forderungsaufstellung.

    "Just 'cos you got the power, that don't mean you got the right!" ((c) by Mr. Kilmister, passt zum Job)

    "Killed by Death" (ebenfalls (c) by Lemmy, passt eigentlich immer)

  • Die Frage ist nicht, ob es gegen das Gesetz verstößt, sondern wer es zu prüfen hat.
    Das Vollstreckungsgericht prüft kein materielles Recht.

    In Juris findet man bestimmt das eine oder andere. Am Wochenende habe ich aber keinen Zugang und unter der Woche aktuell keine Zeit.

    "Just 'cos you got the power, that don't mean you got the right!" ((c) by Mr. Kilmister, passt zum Job)

    "Killed by Death" (ebenfalls (c) by Lemmy, passt eigentlich immer)

  • Ich kann mich an eine BGH-Entscheidung erinnern, die was dazu sagt, ob das Gericht die Verrechnungen von Zahlungen des Schuldners zu prüfen hat. Ob das korrekt ist, hat der Schuldner selbst zu prüfen und ist nicht Aufgabe des Gerichts. Das erfolgt dann der Verweis auf materielles Rechts. Andere Entscheidungen sind mir jetzt nicht geläufig.

    Lasst ja die Kinder viel lachen, sonst werden sie böse im Alter. Kinder, die viel lachen, kämpfen auf der Seite der Engel.
    Hrabanus Maurus


    Nach manchen Gesprächen mit einem Menschen hat man das Verlangen, eine Katze zu streicheln, einem Affen zuzunicken oder vor einem Elefanten den Hut zu ziehen.
    Maxim Gorki



Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!