P-Konto Freigabe von Corona Sonderzahlung

  • Wir hatte heute die erste Nachfrage hinsichtlich der Freigabe der Corona Sonderzahlung für Selbstständige auf einem P-Konto. Laut unserem Vollstreckungsgericht werden sie diese Zahlung freigeben. Wie wird dies von anderen Gerichten gehandhabt?

  • Die Sonderzahlung soll Einkünfte ersetzen/deren Verlust ersetzen, sie dürfte -genau wie diese Einkünfte selbst- pfändbar sein.

    Sollte der Betrag für mehrere Monate gezahlt worden sein, so ist dies zu belegen und die Pfändung anzupassen, wie es auch bei Abfindungen etc. gemacht wird.

    Ist dies nicht ersichtlich wird die Zahlung wohl -mangels anderweitiger gesetzlicher Regelung- voll pfändbar sein.

  • Sinn und Zweck der Zahlung ist doch, dem Schuldner geeignete Mittel zur Verfügung zu stellen, seinen Unterhalt zu decken.
    Ich lehne mich mal aus dem Fenster und sage, dass diese (Sozial)Leistung nicht dafür gedacht war, den Gläubiger mit Staatsknete zu pampern.

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  • Sinn und Zweck der Zahlung ist doch, dem Schuldner geeignete Mittel zur Verfügung zu stellen, seinen Unterhalt zu decken.
    Ich lehne mich mal aus dem Fenster und sage, dass diese (Sozial)Leistung nicht dafür gedacht war, den Gläubiger mit Staatsknete zu pampern.

    So wird das aber kommen. Zumal der Antragsteller in dem Antragsformular versichern muss, dass die finanziellen Engpässe nicht schon vor
    dem 01.03.2020 bestanden haben. Würde aus meiner Sicht bedeuten, dass jemand mit Pfändungen gar kein Anrecht auf die Soforthilfe hätte

    Nur, wer will das später nochmal prüfen

  • Also komplett freigeben wird man das nicht können (mangels gesetzlicher Grundlage).

    Gerade bei ein-Mann-Selbstständigen würde ich allerdings § 850i ZPO in Erwägung ziehen. Letztlich soll die Soforthilfe ja den Einkommensausfall kompensieren. Der Schuldner darf wegen des Erhalts dieser Corona-Zahlungen meiner Meinung nach weder besser noch schlechter als andere Schuldner gestellt werden. Würde man die ganze Leistungen z.B. über § 765a ZPO komplett freigeben, stünde dem Schuldner mehr Geld zur Verfügung, wie wenn er normal arbeiten könnte. Das kann definitiv nicht sein. Umgekehrt kann man die Leistungen auch nicht komplett der Pfändung unterwerfen, da er bei seiner normalen selbstständigen Tätigkeit ja auch einen § 850i ZPO Antrag stellen könnte.

  • Ich sehe hier auch einen Fall des § 850 i ZPO. Wegen der darin aufgestellten Hürden (Darlegungspflichten des Schuldners) und der gebotenen Gläubigeranhörung und Interessensabwägung habe ich so meine Zweifel, ob das den betroffenen Schuldnern so auf die Schnelle nützt und so im Sinne des Corona-Gesetzgebers ist, wenn es im Zweifel beim Gläubiger landet.

    Auf der einen anderen Seite: Wenn Selbständige mit Kontopfändungen in die Corona-Krise gestartet sind, waren es wohl nicht sonderlich wirtschaftlich gesunde Unternehmungen, die dann auch nicht von öffentlichen Corona-Hilfen unterstützt werden sollten.

    Ich persönlich würde solche Anträge strikt nach dem üblichen § 850 i ZPO-Verfahren behandeln.

  • Wir haben hier mit den Kollegen ebenfalls dieses Thema besprochen. Wir stellen uns auf den Standpunkt, dass der Gläubiger, der die staatliche Soforthilfe an der "Wurzel" pfänden will, die Billigkeit der Pfändung nachweisen muss, § 54 Abs. 2 SGB I.

    Bei einem Pfändungsschutzantrag würde ich vermutlich ähnlich vorgehen und tendenziell die komplette Soforthilfe freigeben, da diese zweckgebunden ist und der Existenzsicherung dient.

  • Es ist aber keine Sozialleistung i.S.d. § 54 Abs. 2 SGB I, sondern zumindest in Niedersachsen eine freiwillige Billigkeitsleistung ohne Rechtsanspruch. Daraus eine Unpfändbarkeit herzuleiten, scheint mir etwas gewagt.

  • Wir haben hier mit den Kollegen ebenfalls dieses Thema besprochen. Wir stellen uns auf den Standpunkt, dass der Gläubiger, der die staatliche Soforthilfe an der "Wurzel" pfänden will, die Billigkeit der Pfändung nachweisen muss, § 54 Abs. 2 SGB I.

    Bei einem Pfändungsschutzantrag würde ich vermutlich ähnlich vorgehen und tendenziell die komplette Soforthilfe freigeben, da diese zweckgebunden ist und der Existenzsicherung dient.

    Gewagt?

    Ist doch egal, dafür gibt`s die Beschwerdekammer am LG. Sollen die sich Gedanken machen, ob das noch im Rahmen des vertretbaren ist, oder nicht.
    Dann hat man im Hinblick auf Corona schon mal eine Grundsatzentscheidung zu diesem Thema.

  • Wir haben hier mit den Kollegen ebenfalls dieses Thema besprochen. Wir stellen uns auf den Standpunkt, dass der Gläubiger, der die staatliche Soforthilfe an der "Wurzel" pfänden will, die Billigkeit der Pfändung nachweisen muss, § 54 Abs. 2 SGB I.

    Bei einem Pfändungsschutzantrag würde ich vermutlich ähnlich vorgehen und tendenziell die komplette Soforthilfe freigeben, da diese zweckgebunden ist und der Existenzsicherung dient.

    Gewagt?

    Ist doch egal, dafür gibt`s die Beschwerdekammer am LG. Sollen die sich Gedanken machen, ob das noch im Rahmen des vertretbaren ist, oder nicht.
    Dann hat man im Hinblick auf Corona schon mal eine Grundsatzentscheidung zu diesem Thema.

    @ U.R.: es wäre hilfreich wenn du kenntlich machst was ein Zitat und was deine Meinung ist

  • Es ist aber keine Sozialleistung i.S.d. § 54 Abs. 2 SGB I, sondern zumindest in Niedersachsen eine freiwillige Billigkeitsleistung ohne Rechtsanspruch. Daraus eine Unpfändbarkeit herzuleiten, scheint mir etwas gewagt.

    :daumenrau volle Zustimmung

    Das ist doch keine Sozialleistung, eine Anwendung des 54 SGB nicht gegeben

    In NRW werden die Soforthilfen gemäß Bewilligungsbescheid nach der LHO (Landeshaushaltsordnung) ausgezahlt. Das sind keine Sozialleistungen.

  • Wir haben hier mit den Kollegen ebenfalls dieses Thema besprochen. Wir stellen uns auf den Standpunkt, dass der Gläubiger, der die staatliche Soforthilfe an der "Wurzel" pfänden will, die Billigkeit der Pfändung nachweisen muss, § 54 Abs. 2 SGB I.

    Bei einem Pfändungsschutzantrag würde ich vermutlich ähnlich vorgehen und tendenziell die komplette Soforthilfe freigeben, da diese zweckgebunden ist und der Existenzsicherung dient.

    Gewagt?

    Ist doch egal, dafür gibt`s die Beschwerdekammer am LG. Sollen die sich Gedanken machen, ob das noch im Rahmen des vertretbaren ist, oder nicht.
    Dann hat man im Hinblick auf Corona schon mal eine Grundsatzentscheidung zu diesem Thema.

    § 54 II SGB I heranzuziehen ist gewagt, denn die "Corona-Soforthilfe" ist keine Sozialleistung. Auf eine Sozialleistung besteht unter en gesetzlichen Voraussetzungen ein Rechtsanspruch, auf die "Corona-Soforthilfe" nicht. Eine Unpfändbarkeit könnte allenfalls über § 851 ZPO in Betracht kommen (BeckOK ZPO/Riedel, 36. Ed.1.3.2020, ZPO § 851 Rn. 10), § 54 SGB I ist hingegen unanwendbar.

  • Es ist aber keine Sozialleistung i.S.d. § 54 Abs. 2 SGB I, sondern zumindest in Niedersachsen eine freiwillige Billigkeitsleistung ohne Rechtsanspruch. Daraus eine Unpfändbarkeit herzuleiten, scheint mir etwas gewagt.

    :daumenrau volle Zustimmung

    Das ist doch keine Sozialleistung, eine Anwendung des 54 SGB nicht gegeben

    In NRW werden die Soforthilfen gemäß Bewilligungsbescheid nach der LHO (Landeshaushaltsordnung) ausgezahlt. Das sind keine Sozialleistungen.

    In Niedersachsen auch nach der LHO

  • […] Eine Unpfändbarkeit könnte allenfalls über § 851 ZPO in Betracht kommen (BeckOK ZPO/Riedel, 36. Ed.1.3.2020, ZPO § 851 Rn. 10), § 54 SGB I ist hingegen unanwendbar.

    Vielen Dank für die Fundstelle!

    Nach Auswertung der bisher vorgetragenen Argumente werde ich, im Falle entsprechender Anträge, den gesamten Corona-Soforthilfe-Betrag freigeben.

    Auf § 851 ZPO wird in § 850k Abs. 4 ZPO zwar nicht verwiesen. Nach der Kommentierung kommt aber kommt aber eine Freigabe "entsprechend dem Rechtsgedanken des § 850k ZPO" von Guthaben in Betracht , die sich aus zweckgebundenen und damit nach § 851 ZPO unpfändbaren Beträgen ergeben (s. Vorwerk/Wolf/Riedel, BeckOK ZPO, 36. Edition, Stand: 01.03.2020, § 850k Rn 27.1 m.w.N.).

  • Hat noch jemand Ideen wie man das ganze praktisch umsetzt ?
    Vorausgesetzt man würde grundsätzlich von der Freigabemöglichkeit nach §§ 850k, 851 ZPO ausgehen, welche Unterlagen fordert ihr an bzw. prüft ihr auch ob der Schuldner die Corona-Soforthilfe überhaupt hätte beantragen dürfen ?
    Hier am Vollstreckungsgericht ist man sich noch etwas uneinig, ein "Nachbargericht" (beides NRW) hat ein Hinweisblatt für Antragsteller aufgehängt das zwei DinA4 Seiten lang ist und fordert umfangreiche Unterlagen und Erklärungen, es wird auch darauf hingewiesen, dass bei Verdacht von Falschangaben die Staatsanwaltschaft informiert wird.

    Persönlich tendiere ich eigentlich eher dazu , dass es als Vollstreckungsgericht nicht wirklich meine Aufgabe ist zu prüfen ob der Schuldner die Leistung zu Recht erhalten hat.

    Leider habe ich auf meinem Schreibtisch jetzt aber den ersten "Antrag" (= die von der Bank an den Schuldner ausgehändigte Bescheinigung nach §850k ZPO auf der unten einfach "9.000,- Euro Corona Hilfe" eingetragen wurde...)
    Der Schuldner hat die Gewerbeanmeldung beigefügt, aus der sich ergibt, dass das ganze nur im Nebengewerbe ausgeübt wird um erst zum 01.03.2020 angemeldet wurde. Laut den FAQs der Internetsete des Wirtschaftsministeriums führen beide Punkte alleine dazu, dass kein Anspruch auf die Soforthilfe besteht. So etwas kann ich dann doch nicht wirklich guten Gewissens freigeben.
    Nur den Antrag zurückweisen bringt aber auch nichts, dann geht das Geld an den Gläubiger...
    Ich hatte überlegt, das ganze einstweilen einzustellen und dem Schuldner die Gelegenheit zu geben das mit dem Finanzamt oder der bewilligenden Stelle zu klären, aber wer weiß wie lange das dauert...

  • Hat noch jemand Ideen wie man das ganze praktisch umsetzt ?

    Persönlich tendiere ich eigentlich eher dazu , dass es als Vollstreckungsgericht nicht wirklich meine Aufgabe ist zu prüfen ob der Schuldner die Leistung zu Recht erhalten hat.

    Leider habe ich auf meinem Schreibtisch jetzt aber den ersten "Antrag" (= die von der Bank an den Schuldner ausgehändigte Bescheinigung nach §850k ZPO auf der unten einfach "9.000,- Euro Corona Hilfe" eingetragen wurde...)
    Der Schuldner hat die Gewerbeanmeldung beigefügt, aus der sich ergibt, dass das ganze nur im Nebengewerbe ausgeübt wird um erst zum 01.03.2020 angemeldet wurde. Laut den FAQs der Internetsete des Wirtschaftsministeriums führen beide Punkte alleine dazu, dass kein Anspruch auf die Soforthilfe besteht. So etwas kann ich dann doch nicht wirklich guten Gewissens freigeben.
    .

    Für die Finanzverwaltung NRW gilt folgendes:

    Die FÄ sind nicht verpflichtet, aktiv zu ermitteln, ob ein Steuerpflichtiger NRW-Soforthilfe 2020 erhalten / beantragt hat oder ihm diese berechtigterweise zusteht.
    Sollte im FA aber bekannt sein, dass ein Steuerpflichtiger eine NRW-Soforthilfe 2020 beantragt hat oder beantragen will, und sich im Rahmen der regulären Fallbearbeitung in Einzelfällen tatsächlich Hinweise auf eine mutmaßlich unrechtmäßige Beantragung ergeben, so ist dies der jeweiligen Bezirksregierung als bewilligender Stelle mitzuteilen. Die Verpflichtung zur Offenbarung ergibt sich insoweit aus § 31a Abs. 1 Nr. 1 b) bb) AO und § 31a Abs. 2 Satz 1 AO.
    Die Mitteilungspflicht der FÄ bezieht sich nur auf die konkret vorhandenen Anhaltspunkte, die FÄ sind nicht zu zusätzlichen Ermittlungen verpflichtet. Die Mitteilungspflicht besteht nicht, soweit deren Erfüllung mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden wäre (§ 31a Abs. 2 Satz 3 AO).

    Keine Ahnung ob es eine ähnliche Verpflichtung auch für Gerichte gibt, aber eventuell ist das mal ein Ansatzpunkt.

    Gruß
    Ash

  • Eine materielle Prüfung, ob die Corona-Soforthilfe zu recht bezogen wurde, dürfte die Kompetenz des Vollstreckungsgerichts überschreiten. Allenfalls könnte derartiges -wenn überhaupt- auf Vortrag des Gläubigers bei einer Entscheidung von Relevanz sein. Daher vorherige Anhörung des Gläubigers und bei Freigabe die Wirksamkeit des Beschlusses von der Rechtskraft abhängig machen.

  • […] Eine Unpfändbarkeit könnte allenfalls über § 851 ZPO in Betracht kommen (BeckOK ZPO/Riedel, 36. Ed.1.3.2020, ZPO § 851 Rn. 10), § 54 SGB I ist hingegen unanwendbar.

    Vielen Dank für die Fundstelle!

    Nach Auswertung der bisher vorgetragenen Argumente werde ich, im Falle entsprechender Anträge, den gesamten Corona-Soforthilfe-Betrag freigeben.

    Auf § 851 ZPO wird in § 850k Abs. 4 ZPO zwar nicht verwiesen. Nach der Kommentierung kommt aber kommt aber eine Freigabe "entsprechend dem Rechtsgedanken des § 850k ZPO" von Guthaben in Betracht , die sich aus zweckgebundenen und damit nach § 851 ZPO unpfändbaren Beträgen ergeben (s. Vorwerk/Wolf/Riedel, BeckOK ZPO, 36. Edition, Stand: 01.03.2020, § 850k Rn 27.1 m.w.N.).

    Nur mal eine Rückfrage zu der zitierten Kommentarstelle:

    Schreibt irgendeine Fundstelle warum die Corona Soforthilfen unter § 851 ZPO fallen sollen ?

    Ich habe ehrlich gesagt meine Schwierigkeiten damit, das darunter zu packen. Nach § 851 ZPO sind ja Forderungen nur soweit unpfändbar, wie sie nicht übertragbar sind.

    Mich bringt das Wort "Forderung" hier ins Grübeln. Wenn es sich bei der Corona Soforthilfe um eine Forderung handeln würde, müsste der Antragsteller doch einen Zahlungsanspruch gegen das Land haben. :gruebel:

    Das ist jedenfalls bei uns in BW wohl nicht der Fall. Im hiesigen Antragsvordruck steht:

    " (…) Ich nehme zur Kenntnis, dass die Soforthilfe als Einnahme steuerbar ist und kein Rechtsanspruch auf die Gewährung der Soforthilfe besteht. Im Falle einer Überkompensation ist die zu viel erhaltene Soforthilfe zurückzuzahlen."

    Übersehe ich hier etwas oder hat der Kommentar den Forderungsbegriff hier einfach sehr weit auslegt? :gruebel:

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