"Corona"zulage und 850a ZPO ?

  • Die nächste Frage im Zusammenhang mit Corona:
    Wie verhält es sich mit vom Arbeitgeber gezahlten Sonderzulagen in systemrelevanten Berufen (Verkäufer*in, etc.). Können diese nach 850a ZPO als "...Gefahrenzulagen sowie Schmutz- und Erschwerniszulagen) verstanden werden?

  • nein, weil es weder eine Zulage wegen einer Gefahr noch einer Erschwernis ist. Damit soll lediglich "der unermüdliche Einsatz in diesen harten Zeiten auch finanziell honoriert werden".

    Also n bissl bauchmiezeln durch die Arbeitsgeber, um in der Öffentlichkeit gut dazustehen. Aber bestimmt nicht unpfändbar.

    Auch wenn ein Beamter schnell und unbürokratisch handelt, kann eine amtliche Tätigkeit vorliegen.
    (LG Bielefeld, Urteil vom 28. Januar 2003 – 2 O 634/02 –, juris)

    Ein Narr ist viel bemüht; des Weisen ganzes Tun,
    Das zehnmal edeler, ist Lieben, Schauen, Ruhn.
    Angelus Silesius (1624 - 1677)

  • kann man durchaus auch so sehen, halte ich persönlich jedoch für falsch.

    Denn: Es wird vom Arbeitgeber gezahlt um eine Erschwernis auszugleichen (strengere Hygienevorschriften, Schutzkleidung tragen etc.) bzw. eine Gefahr (durch den Kontakt mit eventuellen Infizierten durch den Publikumsverkehr, dem sich das Personal nicht entziehen kann).

    Zitat aus einem bekannten Kommentar: "Es sind die Zahlungen des Arbeitgebers zusätzlich zum Arbeitslohn zur Abgeltung der bei Bemessung des Arbeitsentgeltes nicht berücksichtigten Erschwernisse der Arbeit, die unter ungünstigen Bedingungen verrichtet werden muss oder für den Arbeitnehmer eine besondere Gefährdung mit sich bringt."

    Zahlung des Arbeitgebers: Ja
    zusätzlich zum Arbeitslohn: Ja
    bei Bemessung des Arbeitsentgeltes nicht berücksichtigt: Ja (sofern Arbeitsvertrag vor Corona)
    Erschwernis der Arbeit: Ja (neue Hygienevorschriften, Desinfektionsaufgaben, Schutzkleidung, Zusatzaufgaben: Auf Abstände hinweisen, Verkaufseinschränkungen (nur 1x pro Kunde) , dies auch durchsetzen könnte auch unter besondere Gefährdung fallen, da Beleidigungen und Körperverletzungen durchaus schon vorgekommen sein sollen)
    ungünstige Bedingungen: Ja (unter Schutzkleidung, Schutzvorschriften)
    besondere Gefährdung: Ja- die mit Publikum arbeitenden Berufe sind einer besonderen Gefährdung ausgesetzt, da sie Kontakte zu Menschen hinnehmen müssen die andere aufgrund der Ausgangsbeschränkungen nicht einmal haben dürfen.

    Ggf. werde ich eine Bescheinigung des Arbeitgebers verlangen, in der dieser bestätigt die Zulage wegen erschwerter Arbeitsbedingungen oder aufgrund der erhöhten Gefährdung zu zahlen.

    Ich stehe dazu, werde das freigeben und habe auch keine Angst vom Landgericht aufgehoben zu werden.

    Sollte ich vom Landgericht aufgehoben werden, werde ich dies hier mitteilen.

  • Darüber könnte man sich natürlich trefflich streiten... ;)

    In den gegoogleten Quellen finde ich kein Wort darüber, dass die Zulage aufgrund einer besonderen Gefahr bzw. Erschwernis im Sinne von § 850a ZPO gezahlt wird. Vielmehr soll diese Zulage (sofern sie denn überhaupt in Geld und nicht lediglich in Warengutscheinen gezahlt wird) unisono als Anerkennung für den unermüdlichen Einsatz derer dienen, die "den Laden am laufen halten".

    Zudem erkenne ich nicht, dass die von dir aufgeführten Erschwernisgründe derart ins Gewicht fallen, dass sie die Bezeichnung als solche auch verdient hätten. Beleidigungen/Bedrohungen kamen im Einzelhandel mit Sicherheit auch schon vor der Krise des Öfteren vor. Unter ungünstigen Bedingungen muss im Moment zudem so gut wie jeder arbeiten.

    Auch wenn ein Beamter schnell und unbürokratisch handelt, kann eine amtliche Tätigkeit vorliegen.
    (LG Bielefeld, Urteil vom 28. Januar 2003 – 2 O 634/02 –, juris)

    Ein Narr ist viel bemüht; des Weisen ganzes Tun,
    Das zehnmal edeler, ist Lieben, Schauen, Ruhn.
    Angelus Silesius (1624 - 1677)

  • sehe ich ähnlich

  • Ich bin hier bei Insulaner. Wenn sich bestimmte Personen in dieser schweren Zeit zur Verfügung stellen und ihre Gesundheit auf Spiel setzen, dann sollte hier diese Ausnahme greifen. Finden tut man natürlich noch nichts.

    Der Arbeitgeber zahlt diese Beträge zum Ausgleich für tatsächliche Aufwendungen des Arbeitnehmers oder dafür, dass dieser besonders unangenehme Tätigkeiten für ihn ausübt.
    (Saenger, Zivilprozessordnung, ZPO § 850a Rn. 5, beck-online)

    Unter Gefahrenzulagen fallen die besonderen Vergütungen, die der Arbeitnehmer für Arbeiten erhält, die den Umgang mit Sprengstoffen, Giften u. dgl. erfordern.
    (MüKoZPO/Smid, 5. Aufl. 2016, ZPO § 850a Rn. 15)

  • Der Arbeitgeber zahlt diese Beträge zum Ausgleich für tatsächliche Aufwendungen des Arbeitnehmers oder dafür, dass dieser besonders unangenehme Tätigkeiten für ihn ausübt.
    (Saenger, Zivilprozessordnung, ZPO § 850a Rn. 5, beck-online)

    Unter Gefahrenzulagen fallen die besonderen Vergütungen, die der Arbeitnehmer für Arbeiten erhält, die den Umgang mit Sprengstoffen, Giften u. dgl. erfordern.
    (MüKoZPO/Smid, 5. Aufl. 2016, ZPO § 850a Rn. 15)

    Ich halte es für zu weitgehend, diese Tätigkeiten in Corona-Zeiten als "besonders unangenehm" zu bezeichnen oder mit dem Umgang mit Gift oder Sprengstoffen gleichzusetzen. Die Leute machen ihre Arbeit, wie eh und je. Mehr nicht. Die Berufsgruppen stehen jetzt eben mehr im Fokus der Öffentlichkeit. Zuzahlungen, die sie aufgrund ihres Einsatzes evtl. erhalten, verdienen dadurch aber nicht automatisch das Privileg der Unpfändbarkeit.

    Wie ist das dann mit LKW-Fahrern oder den Mitarbeitern in Spedition und Logistik, die diese Zulagen ebenfalls erhalten (sollen)? Auf die treffen die bislang genannten Erschwernisgründe und Gefahren wohl eher weniger zu. Sollen diese auch den Schutz von 850a ZPO genießen dürfen? Oder muss dann mit zweierlei Maß gemessen werden?

    Auch wenn ein Beamter schnell und unbürokratisch handelt, kann eine amtliche Tätigkeit vorliegen.
    (LG Bielefeld, Urteil vom 28. Januar 2003 – 2 O 634/02 –, juris)

    Ein Narr ist viel bemüht; des Weisen ganzes Tun,
    Das zehnmal edeler, ist Lieben, Schauen, Ruhn.
    Angelus Silesius (1624 - 1677)

  • Verkäufer sind durch den vielfachenKundenkontakt einer erhöhten Gefahr ausgesetzt sich anzustecken. Und auch sonstist die Arbeit durch den direkten Kontakt mit Kunden, die jetzt teilweise nochschwieriger sind (Hamsterkäufer), tatsächlich erschwert.

    Möglicherweise muss man die Unpfändbarkeit von Zulagen fürdie verschiedenen Berufe einzeln prüfen.

  • Ich halte es für zu weitgehend, diese Tätigkeiten in Corona-Zeiten als "besonders unangenehm" zu bezeichnen oder mit dem Umgang mit Gift oder Sprengstoffen gleichzusetzen. Die Leute machen ihre Arbeit, wie eh und je. Mehr nicht. Die Berufsgruppen stehen jetzt eben mehr im Fokus der Öffentlichkeit. Zuzahlungen, die sie aufgrund ihres Einsatzes evtl. erhalten, verdienen dadurch aber nicht automatisch das Privileg der Unpfändbarkeit.

    Wie ist das dann mit LKW-Fahrern oder den Mitarbeitern in Spedition und Logistik, die diese Zulagen ebenfalls erhalten (sollen)? Auf die treffen die bislang genannten Erschwernisgründe und Gefahren wohl eher weniger zu. Sollen diese auch den Schutz von 850a ZPO genießen dürfen? Oder muss dann mit zweierlei Maß gemessen werden?

    Natürlich ist der Umgang mit Hunderten von potentiell ansteckenden Kunden, die eine lebensbedrohliche Krankheit übertragen können, dem Umgang mit Gift gleichzusetzen. Was denn sonst?

    Ja, "Die Leute machen ihre Arbeit wie eh und je. Mehr nicht." Aber auch nicht weniger. Trotz des Risikos! Und das unterscheidet sie von denen, die sich im Home-Office verstecken können und/oder den Publikumsverkehr in ihrer Behörde eingestellt haben.

  • Man sollte wahrscheinlich vor einer Bewertung abwarten, wie das Ganze überhaupt im Lohnschein ausgewiesen wird - ob als bloße Prämie oder als Erschwerniszulage.
    Eine ausgewiesene Prämie kann ich nicht aufgrund von Spekulationen meinerseits in eine Erschwerniszulage umdeuten.

  • Bayerische Verwaltungsvorschriften zum Versorgungsrecht (BayVV-Versorgung):

    Gesundheitsschädigende Verhältnisse liegen vor, wenn besondere Umstände eine akute
    Gefährdung mit sich bringen. Dies können sowohl klimatische Bedingungen (z.B.
    außergewöhnliche Hitze, Kälte, Luftdruck oder -feuchtigkeit) als auch hygienische Mängel wie
    Wassermangel, unzureichende Abfallentsorgung, Luft- oder Bodenverseuchung u. ä. sein. Bei
    sonst vom Inland wesentlich abweichenden Verhältnissen müssen Unterschiede zu den in
    Mitteleuropa üblichen Gegebenheiten vorherrschen, d.h. deutliche Defizite und
    Verschlechterungen gegenüber den im Inland gegebenen Standards vorliegen. Dies können
    sowohl bedrohliche Sicherheitsgefährdungen durch terroristische oder kriegerische Handlungen als
    auch Naturkatastrophen, Seuchengefahr, extrem unzulängliche medizinische Versorgung oder
    ähnliches sein. Der Beamte oder die Beamtin muss im Zeitpunkt der Schädigung von den
    Beschwernissen unmittelbar persönlich betroffen gewesen sein.

  • Für mich wäre interessant, ob es sich über eine vorübergehende Zulage handelt, die zeitlich auf die aktuelle Situation befristet ist oder ob es sich um eine Zulage handelt, die für immer bestehen bleibt. Das müsste schon genau ausgewiesen sein.
    Erstere würde ich frei geben, letztere nicht.

  • Wie geschrieben:

    "Ggf. werde ich eine Bescheinigung des Arbeitgebers verlangen, in der dieser bestätigt die Zulage wegen erschwerter Arbeitsbedingungen oder aufgrund der erhöhten Gefährdung zu zahlen. "


    Damit bin ich dann meines Erachtens auf der sicheren Seite und empfehle dies auch jedem.

  • Wenn man sich die in der Presse zitierten Ankündigungen von Olaf Scholz anschaut (z.B. hier), spricht m.E. einiges für eine Erschwerniszulage i.S.d. § 850a. ZPO. Es werden die erschwerten Bedingungen als Grund für die geplante Steuerfreiheit genannt.

    In der Rechtsprechung des BAG zur Unpfändbarkeit von Nacht- und Sonntagszuschlägen war deren Steuerfreiheit nach meiner Erinnerung ein wesentliches Argument für eine Abgrenzung zu anderen (pfändbaren) Zuschlägen.

    Wenn diese Anweisung für die Steuerfreiheit offiziell raus ist, wird hoffentlich auch eine nähere Begründung dabei sein.

  • Wenn man sich die in der Presse zitierten Ankündigungen von Olaf Scholz anschaut (z.B. hier), spricht m.E. einiges für eine Erschwerniszulage i.S.d. § 850a. ZPO. Es werden die erschwerten Bedingungen als Grund für die geplante Steuerfreiheit genannt.

    In der Rechtsprechung des BAG zur Unpfändbarkeit von Nacht- und Sonntagszuschlägen war deren Steuerfreiheit nach meiner Erinnerung ein wesentliches Argument für eine Abgrenzung zu anderen (pfändbaren) Zuschlägen.

    Wenn diese Anweisung für die Steuerfreiheit offiziell raus ist, wird hoffentlich auch eine nähere Begründung dabei sein.

    Sicherlich kann man die allgemeine Begründung im Auge haben, aber nicht unbedeutend dürfte es sein, wie der Arbeitgeber die Zahlung deklariert.

    Auch dürfte aber die Steuerfreiheit der Zahlung für ihre Unpfändbarkeit sprechen.

  • Hallo,

    da habe ich vielleicht einen besonderen Fall:
    Die Schuldnerin arbeitet im Vertrieb. Lohn und P-Konto sind gepfändet. Vom Festgehalt gehen monatlich 69,- € an einen Pfändungsgläubiger. Der Restbetrag von 1577,- € geht aufs P-Konto und ist bei einer Unterhaltspflicht unter dem Sockelbetrag und somit unpfändbar. Im Monat Juni erhielt sie einmalig vom Arbeitgeber zusätzlich eine steuerfreie Corona-Beihilfe von 1.500,- € und eine zu versteuernde Erschwerniszulage-Corona von 3.500,- €. Der Arbeitgeber ist der Ansicht, dass beides unpfändbar ist, und überweist dem Pfändungsgläubiger die üblichen 69,- € und der Schuldnerin 4.916,- €.
    Sie beantragt die einmalige Erhöhung des unpfändbaren Betrags auf dem P-Konto auf diesen Betrag nach § 850 k ZPO mit der Begründung, dass beide Beträge von zusammen 5.000,- € brutto laut Arbeitgeber unpfändbar seien.

    Ich habe Bedenken, insbesondere weil der Betrag wohl den Rahmen des Üblichen nach § 850 a Nr. 3 ZPO übersteigt. Was meint Ihr ? Hatte so einen Fall schon mal jemand ?

  • Das ist einfach- das Gehalt unterlag ja beim Arbeitgeber bereits der Pfändung- entsprechend würde es hier doppelt gepfändet und das darf nicht sein.

    Die Kontofreigabe ist nicht zur Korrektur der Arbeit des Drittschuldners gedacht- daher kannst du unbesorgt den vom Arbeitgeber überwiesenen Betrag freigeben- sofern du ausschließen kannst, dass es sich um eine Restzahlung handelte und es daher so wenig ist.

    Der Gläubiger kann ggf. mit einer Drittschuldnerklage gegen den Arbeitgeber und sein evtl.- fehlerhaftes Verhalten vorgehen.

    Da musst du dir den Kopf nicht zerbrechen- du kannst freigeben. Und ja, den Fall hatte ich öfters, dass der Arbeitgeber falsch gerechnet hatte und zu wenig an den Gläubiger gab- da waren die Zahlen nur kleiner.

  • Gegenmeinung: das sind 2 getrennte pfändungen. Ich habe also bei der kontofreigabe völlig unabhängig von dem was der Arbeitgeber gemacht hat, zu ermitteln was ist m.E. unpfändbar.
    Wenn der Arbeitgeber bei sei er Rechnung einen Fehler macht, kann ich den nicht einfach über nehmen. Es können ja auch 2 verschiedene Gläubiger sein

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!