Hallo an alle Forenmitglieder,
die folgende Angelegenheit beschäftigt mich derzeit: die fragliche Person war bereits zum Antritt der Jugendstrafe (nach Widerruf der Aussetzung) geladen, als in Erfahrung gebracht wurde, dass sich diese Person aufgrund einer Anordnung nach § 126 a StPO in einem Zentrum für Psychiatrie (künftig kurz ZfP genannt) befindet. Der Vollstreckungsleiter meinte bei meiner Aktenvorlage, dass die Vollstreckung der Jugendstrafe "z.Zt. nicht erfolgen sollte". Eine förmliche Entscheidung (z.B. Unterbrechung, Strafaufschub o.ä) ist nicht erfolgt, lediglich ein kurzer Vermerk in die Akte. Die Ladung zum Strafantritt habe ich sodann zurückgenommen, zumal dies auch vom Haftstaatsanwalt aus der anderen Sache so in einem handschriftlichen Vermerk befürwortet wurde. Nachfragen bei der Sta bzw. Überprüfungen in forumSTAR , ob und welche Anordnungen beim Haftrichter zur Reihenfolge des Vollzugs getroffen wurden bzw. ob es Handlungsanweisungen bezüglich der Ausgestaltung der Strafhaft (hier Jugendstrafhaft) im Fall des Nachrangs des Unterbringungsbefehls gibt, blieben leider ergebnislos. Nun muss ich als Rechtspfleger ja schon den Zweck des § 116 b StPO im Auge haben, wonach die Vollstreckung der Jugendstrafe ja grundsätzlich Vorrang vor der U-Haft hat (wobei ich davon ausgehe, dass ein Fall des § 126 a StPO zumindest "ähnlich" zu behandeln ist, auch was die Reihenfolge angeht. In der neuen Sache ist § 20 StGB im Unterbringungsbefehl erwähnt; einen Antrag auf ein Sicherungsverfahren bzw. eine Anklage gibt es offenbar noch nicht). Andererseits habe ich den Aktenvermerk vom Richter mit einer "Empfehlung", so verstehe ich jedenfalls die obengenannte Formulierung "sollte". Allerdings "gilt" bei uns die Einleitung der Jugendstrafvollstreckung allgemein vom Richter auf den Rechtspfleger übertragen, ohne dass es zwingend im Einzelfall ausdrücklich dokumentiert wird. Ich sehe mich daher schon in der Pflicht. Der (Vorab-)Vollzug der Jugendstrafe ist ja regelmäßig auch im Interesse des Verurteilten. Denn diese muss er ja in jedem Fall verbüßen, während gerade in Jugendsachen noch nicht einmal sicher ist, dass U-Haft (bzw. Haft nach § 126 a StPO) später anzurechnen ist (vgl. mögliche Anordnungen im Urteil). Auch im Fall eines Freispruchs kämen wohl Fragen auf, warum man nicht früher zugunsten der Strafhaft unterbrochen hat?! ndererseits kann ich mir vorstellen, dass der Richter als Vollstreckungsleiter die Sorge hat, dass die wohl (wieder oder immer noch) vorhandene Therpiebereitschaft wieder verloren gehen könnte, wenn man jetzt zu sehr in die Verlegung in die Jugendhaftanstalt "drängen würde". Teil meiner Fragen an Euch ist auch, ob eine Verlegung direkt vom ZfP in die Jugendstrafanstalt im Fall der Fälle überhaupt möglich/zulässig ist oder ob ich nicht neu laden müsste (auch z.B. für den Fall, dass der Unterbringungsbefehl - warum auch immer - wieder aufgehoben wird).
Natürlich kann niemand wissen, ob und ggf. welche Maßregel der Besserung und Sicherung in dem neuen Verfahren ausgesprochen wird. Dennoch sollte man wohl im Hinterkopf haben, dass laut § 67 I StGB die Maßregel vor der Strafe vollzogen werden "soll", weil die umgehende Behandlung der Sucht des Täters (hier augenscheinlich BtM UND Alkohol) am ehesten dauerhaften Erfolg verspricht. Der Beschuldigte hat bereits einige Therapieversuche hinter sich, mehr oder weniger erfolgreich (meist weniger). Vielleicht hatte das die Vollstreckungsleitung und der Haftstaatsanwalt im Auge, da ich stillschweigend um "Geduld" gebeten wurde; aber eine gesetzliche Vorschrift (hier der bereits zitierte § 116 b StPO) ist halt auch ein Pfund.
Angenommen es kommt im neuen Verfahren zu einer rechtskräftigen Unterbringung als Maßregel (in Entziehungsanstalt oder andere Einrichtung sei jetzt mal dahingestellt): wäre es da überhaupt möglich, ein Urteil mit einer anderen Verfahrensart - nämlich den Ausspruch einer Jugendstrafe - einzubeziehen? Wie lange würdet Ihr da ca. noch zuwarten? Oder gibt es in Jugendsachen trotz Allgemeinverfügung betreffend Übertragung auf den Rechtspfleger die Anregung beim Richter, die Vollstreckung wieder "an sich zu ziehen", wenn man den Eindruck hat, dass die Ansichten zur laut StVollstrO auferlegten beschleunigten Strafvollstreckung nicht zu 100 % zwischen Rpfl. und Richter deckungsgleich sind?
Sorry für den langen Text, aber zur Verdeutlichung des komplexen Sachverhalts war es vermutlich wichtig. Hoffentlich gibt es dennoch etliche Reaktionen. Danke