Beurkundung des Testaments durch den Rechtspfleger - formelle Wirksamkeit

  • Hallo zusammen,

    ich habe folgenden Fall:
    A hat in Frühjahr 1952 von dem Rechtspfleger des Amtsgericht zur Niederschrift ihr Testament errichtet. A verstarb im Frühjahr 1953. DasTestament wurde eröffnet. Der B wurde als Alleinerbin eine begl. Abschrift desTestaments nebst Eröffnungsniederschrift als Erbnachweis erteilt. Mit diesem Nachweis ließ B noch 1953 das Grundbuch berichtigen.Nun ist B verstorben. Eine ihrer Erben hat im Grundbuch ein weiteres Grundstück der A ermittelt und beantragt eine begl. Abschrift des Testaments nebst Eröffnungsniederschrift zur Grundbuchberichtigung.
    Die Frage ist allerdings, ob das Testament überhaupt wirksam errichtet wurde. Zum Zeitpunkt der Errichtung galten das BGB in alter Fassung und das Testamentsgesetz.Hier bedarf es zur Errichtung eines öffentlichen Testaments der Erklärung zur Niederschrift eines Notars. Gibt es Ausnahmeregelungen?

    Herzlichen Dank für eure Anregungen!

  • Ich habe im Palandt 11´. Auflage von 1953 nachgelesen. Siehe Anlage.
    Oh...glaub man kann es nicht lesen...

    Na jedenfalls konnte man damals nach § 2231, § 2232 BGB a.F. auch ein Testament vor einem Richter erklären.

    http://www.koeblergerhard.de/Fontes/BGB/BGB1953_BGBl_I_S.33.htm

    Welches Bundesland?

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

    Nachlass-Kanzlei / Büro für gerichtliche Pflegschaften / Nachlasspflegschaften, Nachlassverwaltungen, Testamentsvollstreckungen, Nachlassbetreuungen /
    Nachlasspfleger Thomas Lauk - http://www.thomaslauk.de

  • Tut mit sehr leid. Aber ich dachte was so alt (1953!) ist, wäre ok.
    Falsch gedacht. War aber eh nicht lesbar :)

    Wollte deswegen die Anhänge schon selbst entfernen. Das ging aber leider nicht. Danke Kai.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

    Nachlass-Kanzlei / Büro für gerichtliche Pflegschaften / Nachlasspflegschaften, Nachlassverwaltungen, Testamentsvollstreckungen, Nachlassbetreuungen /
    Nachlasspfleger Thomas Lauk - http://www.thomaslauk.de

  • Der Ansatz von TL die Rechtslage im Jahr 1952 zu klären ist zielführend.

    Im Jahr 1952 galt für die Errichtung von Testamenten das Testamentsgesetz (RGBl. 1938 Seite 973).
    Nach dessen § 4 konnte u.a. ein Testament "vor einem Richter oder vor einem Notar" errichtet werden (wurde 1953 in § 2231 BGB überführt und galt bis zum Inkrafttreten des Beurkundungsgesetzes 1969).

    Jetzt müssen wir nur noch von der Zuständigkeit des Richters zu der des Rechtspflegers.
    Da wird es jetzt kompliziert. 1952 gab es noch kein Rechtspflegergesetz (kam 1957). Insofern muss man auch hier auf das Recht vor 1949 zurückgreifen.
    Da bin ich jetzt mit meiner häuslichen Bibliothek und auch dem Internet am Ende.
    Es hat jedenfalls vor 1949 bereits Übertragung von Aufgaben vom Richter auf den Rechtspfleger gegeben, die noch bis 1957 (Rechtspflegergesetz) in Kraft waren (siehe zu den aufgehobenen Vorschriften § 35 Rechtspflegergesetz 1957).
    So z.B in der Reichsentlastungsverfügung v. 3.7.1943 (DJ 1943 seite 339; DJ = Deutsche Justiz). Dazu kann dann noch Landesrecht hinzu kommen.
    Da müsste man in einer gut sortierten juristischen Bibliothek (mit alten Zeitschriften und alten Schinken) tief einsteigen, um das zu klären.


    Ich würde deshalb vermuten, dass die Errichtung des Testaments 1952 vor dem Rechtspfleger nach der damaligen Rechtslage rechtmäßig war. Dafür spricht ja auch, dass der Rechtspfleger das so beurkundet hat, das Testament eröffnet wurde und das GBA 1953 wohl auch keine Probleme damt hatte.

    2 Mal editiert, zuletzt von Montgelas (25. Mai 2020 um 22:55)

  • Nach der Reichs-Entlastungsverfügung vom 03.07.1943 (DJ 1943, 339) samt -hier nicht einschlägiger - Änderung vom 19.09.1944 (DJ 1944, 249) wurde dem Rechtspfleger die Beurkundung von Testamenten allerdings nicht übertragen und sie konnte dem Rechtspfleger auch nicht durch gesonderte Geeigneterklärung seitens des jeweiligen OLG-Präsidenten übertragen werden (§ 21 Abs. 2 lit. k der Verfügung). Auch die Beurkundung von Eheverträgen durch den Rechtspfleger wurde ausgeschlossen (§ 25 der Verfügung). Durch die genannte Verfügung wurden auch alle bis dahin ergangenen landesrechtlichen Vorschriften aufgehoben (§ 31 der Verfügung).

    Man wird zu einer Wirksamkeit des Testaments also nur gelangen können, wenn es im maßgeblichen Zeitpunkt (Frühjahr 1952) bereits - mir unbekannte - neuere diesbezügliche Vorschriften gab.

  • Ja, da müsste man nun das Bundesland kennen und ins Landesrecht von 1947 bis 1952 schauen. In der Zeit gab es durchaus spezielle landesrechtliche/besatzungsrechtliche Regelungen der Aufgabenübertragung für Rechtspfleger.

  • Richtig! Deswegen meine Frage nach dem Bundesland.

    Aber mal so gesagt: Ich wäre nie im Leben auf die Idee gekommen, jetzt hier so ein Fass aufzumachen, wenn damals das NLG und das Grundbuchamt alles akzeptiert haben. Oder anders gesagt: Man muss sich nicht noch mehr Probleme machen, als man ohnehin schon hat.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

    Nachlass-Kanzlei / Büro für gerichtliche Pflegschaften / Nachlasspflegschaften, Nachlassverwaltungen, Testamentsvollstreckungen, Nachlassbetreuungen /
    Nachlasspfleger Thomas Lauk - http://www.thomaslauk.de

  • In der DDR gab es ab 1952 keine Rechtspfleger mehr. Alle Nachlassangelegenheiten waren den staatlichen Notariaten übertragen.

    Ich stimme TL (#8) zu. Man sollte kein Fass aufmachen. Was damals richtig war, ist heute nicht falsch.

    Deshalb würde ich wegen des neu entdeckten Grundstücks wie beantragt verfahren und die Unterlagen erteilen. Mag dann das Grundbuchamt sehen,
    wie es damit umgeht und zunächst B einträgt.

  • In der DDR gab es ab 1952 keine Rechtspfleger mehr. Alle Nachlassangelegenheiten waren den staatlichen Notariaten übertragen. Ich stimme TL (#8) zu. Man sollte kein Fass aufmachen. Was damals richtig war, ist heute nicht falsch. Deshalb würde ich wegen des neu entdeckten Grundstücks wie beantragt verfahren und die Unterlagen erteilen. Mag dann das Grundbuchamt sehen, wie es damit umgeht und zunächst B einträgt.

    Na doch, jetzt wirds ja erst Recht spannend. Da passt ja was nicht: Rechtspfleger, 1952 und Sachsen (Bezirk?), Rechtstaatlichkeit der DDR

    -------------------------------------------------------------------------------------------------
    “Das tolle am Internet ist, dass endlich jeder der ganzen Welt seine Meinung mitteilen kann. Das Furchtbare ist, dass es auch jeder tut.” Marc-Uwe Kling, Die Känguru Chroniken
    Wie oft kommt das vor? "Öfter als niemals, seltener als immer." Jack Reacher - Der Bluthund
    "Aufs Beste hoffen, fürs Schlimmste planen" Jack Reacher

  • Wenn es damals falsch gewesen sein sollte, ist das Testament unwirksam und daran hat sich bis heute nichts geändert. Es liegt in der Natur der Dinge, dass Fehler erst nach Jahren oder Jahrzehnten auftauschen und dann müssen die Dinge eben rückabgewickelt werden. Und da Erbrecht nicht verjährt, bleibt auch nichts anderes übrig. Den Mantel des Schweigens über erkanntermaßen unrichtige Dinge zu breiten, bedeutet im Ergebnis nichts anderes, als dem wahren Erben sein Erbrecht vorsätzlich faktisch zu entziehen. Eine solche "Rechts"auffassung lässt sich nicht allen Ernstes vertreten.

    Gutgläubiger Erwerb kann nicht stattgefunden haben, weil der seinerzeitige "Erbe" nicht veräußert hat. Gleichwohl ist aber natürlich zunächst zu prüfen, ob das Testament nun tatsächlich wirksam oder unwirksam ist. Diese Frage ist noch offen.

    Wurden bereits die seinerzeitigen Nachlassakten aus dem Jahr 1952 beigezogen?

    Anfang 1952 gab es übrigens in der ehemaligen DDR noch keine Staatlichen Notariate.

  • Im Frühjahr 1952 gab es noch Rechtspfleger in der DDR.
    Und wie Cromwell richtig schreibt noch keine staatlichen Notariate.

    Die Reformen sind erst mit dem DDR GVG v. 2.10.1952 und der AngleichungsVO v. 4.10.1952 erfolgt.

    Im Frühjahr 1952 gab es auch noch ein "Land Sachsen" in der DDR mit eigenem Parlament. Auch die Länder in der DDR sind erst in der zweiten Jahreshälfte 1952 aufgelöst worden.

    Zur Existenz des Rechtspflegers im Frühjahr 1952 in der DDR ist alles stimmig.

    Es wäre also das damals geltende Recht im Land Sachsen zu klären.

    Bereits 1947 wurde in der SBZ die "VO der Sowjetzone über die Zuständigkeit des Rechtspflegers" v. 20.6.1947 (ZVBl. S. 78) erlassen.

    Es gibt bis Mitte 1952 auch ein Gesetz- und Verordnungsblatt des Landes Sachsen.

  • Es gibt eine für die sowjetische Besatzungszone erlassene VO über die Zuständigkeit des Rechtspflegers vom 20.06.1947 (ZVBl. 1947, 78) und es gibt in der Reihe "Bonner Berichte aus Mittel- und Ostdeutschland" ein 1952 erschienenes Heft über die Justiz in der sowjetischen Besatzungszone. Die genannte VO soll abgedruckt sein bei Reichel, Die Stellung des Rechtspflegers in der Gerichtsorganisation, 1951, S. 97 ff.

  • Sehr schön, danke. Ich lese § 12 B. Abs. 1 der VO so, das sämtliche Nachlaßangelegenheiten übertragen wurden und der Rpfl. nur unter bestimmten Umständen eine Richtervorlage vornehmen mußte.

    Beginne den Tag mit einem Lächeln. Dann hast Du es hinter Dir. (Nico Semsrott)

    "Das Beste an der DDR war der Traum, den wir von ihr hatten." Herrmann Kant in einem Fernsehinterview

  • Wurden bereits die seinerzeitigen Nachlassakten aus dem Jahr 1952 beigezogen?

    Ja die Akten wurden beigezogen. Aus dem Eröffnungsprotokoll ergeben sich keine Hinweise auf Bedenken über die Wirksamkeit.

  • Die Zuständigkeit des Rechtspflegers für die Beurkundung von Testamenten ergibt sich aus § 12 E Nr. 1 der VO von 1947. Am Ende ist dort ausdrücklich als Ausnahme erwähnt, dass auf Antrag eines Beteiligten der Richter Testamente beurkunden muss. Das heißt im Umkehrschluss bzw. setzt voraus, dass ansonsten der Rechtspfleger zuständig ist.

    Also alles richtig: Im Frühjahr 1952 konnte in Sachsen der Rechtspfleger Testamente beurkunden.
    Rechtsgrundlagen: Testamentsgesetz 1938 und die VO der Sowjetzone über die Zuständigkeit des Rechtspflegers v. 20.06.1947.

  • :daumenrau

    Beginne den Tag mit einem Lächeln. Dann hast Du es hinter Dir. (Nico Semsrott)

    "Das Beste an der DDR war der Traum, den wir von ihr hatten." Herrmann Kant in einem Fernsehinterview

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!