Einwendungen vereinfachter Kindesunterhalt

  • Guten Morgen,

    womöglich stelle ich meine Frage "umsonst" oder kenne schon die Antwort, dem Gesetz nach, aber vielleicht lasse ich mich vom Jugendamt auch zu sehr einlullen :-).

    Also Antrag vereinf. Kindesunterhalt mit Rückstand ab 1.2.19. Der Agg macht Einwendungen geltend. Er legt das Datenblatt dazu vor, sagt er ist grundsätzlich bereit zur Zahlung, verfügt aber nicht über Einkommen oder Vermögen. Er legt was vor von der Arbeitssagentur wonach er seit 1.2.19 ALG 1 bezogen hat, dann ab 01.05.19 hatte er eine Tätigkeit bis November 2019 und legte hierzu seine Lohnsteuerbescheigung vor, seither wieder ALG 1 mit Bescheid.

    Das Jugendamt schreibt darauf, wie immer, dass sie an ihrem Antrag weiter festhalten und die Zeiten in denen der Agg ALG erhält berücksichtigen und ihn als leistungsunfähig sehen (zu holen wäre hier wohl offensichtlich auch nicht).

    Ich meine ich hatte ähnliche Fälle wo dann halt auch auf Nachfrage an den Agg nicht alles vorlag und ich festgesetzt hab. Sofern die Lohnsteuerbescheinigung ausreicht (nun fordere ich nicht nochmals nach) hat er ja alles vorgelegt und ich lehne die Festsetzung ab und es geht ins streitige Verfahren.

    Was meint ihr?

    Danke!

  • Wenn ich den Sachverhalt richtig verstehe, hat sich der Ag. zur Zahlung von Null Euro bereit erklärt, da er komplett leistungsunfähig ist. Entsprechende Nachweise liegen vor.

    In dem Fall hätte ich gleich eine Mitteilung nach § 254 FamFG an das Jugendamt geschickt. Wenn das JA dann "an dem Antrag festhalten" will, wäre ein Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens zu stellen.

    Ulf

    Alle Äußerungen hier sind als rein private Meinungsäußerung zu verstehen,
    sofern es bei den Beiträgen nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet wird.

  • Ja, Danke. Habe mich nun auch so entschieden und das mir das was vorliegt ausreicht bwz. es sind eben entsprechend die Nachweise und Erklärungen.
    Hatte das in der Tat so zum ersten Mal.

    Könnte das Jugendamt rein theoretisch auch einen rechtsmittelfähigen Beschluss haben wollen oder geht sowas gar nicht, also so dass sie die Möglichkeiten haben dem streit. Verfahren doch noch aus dem Weg zu gehen. § 256 FamFG sagt dies ja aber auch nicht.

  • Nach MüKoFamFG/Macco, 3. Auflage 2018, Rn. 2 zu § 254 FamFG wird durch die Mitteilung nach § 254 FamFG und die Nichtfestsetzung von Unterhalt konkludent die Zulässigkeit der erhobenen Einwendungen festgestellt. Ein Rechtsmittel ist nicht gegeben (MüKoFamFG verweist dazu auf OLG Naumburg, Beschl. v. 23.05.2000 - 3 W 53/00).

    Es ist also nicht veranlasst, einen rechtmittelfähigen Beschuss zu erlassen. Ggf. dürfte dem Antragsteller gegen die konkludente Entscheidung über die Zulässigkeit der Einwendungen aber wohl die sofortige Rechtspflegerinnerung nach § 11 Abs. 2 RPflG zustehen, wobei die RM-Frist mit Zugang der Mitteilung nach § 254 FamFG zu laufen beginnen dürfte.

    Ulf

    Alle Äußerungen hier sind als rein private Meinungsäußerung zu verstehen,
    sofern es bei den Beiträgen nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet wird.

  • Nach MüKoFamFG/Macco, 3. Auflage 2018, Rn. 2 zu § 254 FamFG wird durch die Mitteilung nach § 254 FamFG und die Nichtfestsetzung von Unterhalt konkludent die Zulässigkeit der erhobenen Einwendungen festgestellt. Ein Rechtsmittel ist nicht gegeben (MüKoFamFG verweist dazu auf OLG Naumburg, Beschl. v. 23.05.2000 - 3 W 53/00).

    Es ist also nicht veranlasst, einen rechtmittelfähigen Beschuss zu erlassen. Ggf. dürfte dem Antragsteller gegen die konkludente Entscheidung über die Zulässigkeit der Einwendungen aber wohl die sofortige Rechtspflegerinnerung nach § 11 Abs. 2 RPflG zustehen, wobei die RM-Frist mit Zugang der Mitteilung nach § 254 FamFG zu laufen beginnen dürfte.


    Aus rechtlicher Sicht ist das richtig. :daumenrau

    Die Praxis zeigt allerdings, dass das Verfahren durch den Gesetzgeber möglicherweise hätte anders ausgestaltet werden sollen.

    Gefühlt würden sich etliche Jugendämter (als Beistand oder auch im Rahmen der UVG-Festsetzung) einen Beschluss wünschen, gegen den sie vorgehen können. Sendet man die Einwendungen des Antragsgegners hin, kommt recht häufig eine Stellungnahme, weshalb man dennoch antragsgemäß festsetzen könne oder solle. Eigentlich wäre da ein Beschluss, mit dem der Antrag förmlich zurückgewiesen wird, nebst Rechtsmittelbelehrung nicht schlecht.

  • In Anbetracht der Tatsache, dass man in den meisten Kommentaren dazu nichts findet, scheint das Problem so groß aber wohl nicht zu sein.

    Selbst wenn: Hilft ja nichts! Es ist, wie es ist. :D

    Ulf

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  • Was ich noch nicht verstanden habe, ist, ob der Unterhaltspflichtige hier seine Leistungsfähigkeit insgesamt bestreitet und inwiefern das substantiiert dargelegt wurde. Bei ALG I und Berufstätigkeit besteht auch keine offensichtliche Leistungsunfähigkeit (wie z.B. bei ALG II, vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 25.4.2017 – 2 WF 107/17).

    Wenn dies nicht erfüllt ist, dann sind die Einwendungen aufgrund § 252 Abs.2 FamFG unzulässig.

    Die Aussage von Ulf

    Zitat

    Wenn ich den Sachverhalt richtig verstehe, hat sich der Ag. zur Zahlung von Null Euro bereit erklärt, da er komplett leistungsunfähig ist. Entsprechende Nachweise liegen vor.

    finde ich deshalb richtig, allerdings kann ich das dem Sachverhalt (noch) nicht entnehmen.

  • Was ich noch nicht verstanden habe, ist, ob der Unterhaltspflichtige hier seine Leistungsfähigkeit insgesamt bestreitet und inwiefern das substantiiert dargelegt wurde.


    Nur zur Klarstellung:

    Das Gericht rechnet im vereinfachten Verfahren nicht!

    Wenn der Gegner seine Verhältnisse offenbart und entsprechend belegt, dann spielt es keine Rolle, ob eine Unterhaltsberechnung eine Leistungsfähigkeit ergeben würde. Die Einwendungen hindern auch dann eine Titulierung im vV, wenn der Schuldner mehr leisten könnte, als er anbietet.

    Ulf

    Alle Äußerungen hier sind als rein private Meinungsäußerung zu verstehen,
    sofern es bei den Beiträgen nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet wird.

  • In Anbetracht der Tatsache, dass man in den meisten Kommentaren dazu nichts findet, scheint das Problem so groß aber wohl nicht zu sein.

    ....


    Das scheint regional unterschiedlich zu sein. ;)

    So eine Aussage wie der Beitrag von Bürostuhlakrobat ist mir schon mehrfach untergekommen.

  • Dass das Gericht im vV nicht rechnet und überprüft ist mir klar, hab ich auch nicht behauptet. (Mir ist auch bewusst, dass dies der ein oder andere Jugendamtsmitarbeiter wahrscheinlich nicht versteht.)

    Ich kann aber wie geschrieben aus dem Sachverhalt eben nicht herauslesen, dass der Schuldner hier seine Leistungsfähigkeit abgestritten, nach § 252 Abs.4 FamFG mit Nachweisen belegt und nach § 252 Abs.2 FamFG noch erklärt hat, dass er sich zu 0 Euro Unterhalt verpflichtet. Die bloße Aussage man sei zur Unterhaltszahlung bereit, verfüge aber nicht über genügend Einkommen, ist keine zulässige Einwendung. (Sie wäre es nur dann ohne diese zusätzliche Erklärung nach § 252 Abs.2 FamFG, wenn es offensichtlich ist, dass er damit auch sagen wollte, dass er nichts bezahlen kann und dies auch belegt hat; daher der Verweis auf den ALG II Empfänger aus dem Beschluss des OLG Bamberg).

  • Ich kann den Einwand von Bürostuhlakrobat verstehen. So kann ganz eindeutig ist der Einwand der Zulässigkeit bzgl. der Leistungsunfähigkeit aus dem Sachverhalt für mich auch nicht erkennbar.

    ABER: Wenn das mein Fall wäre, ich aufgrund der Bedenken antragsgemäß festsetzen würde und der Antragsteller würde Beschwerde einlegen, könnte ich meine Hand dafür ins Feuer legen, dass "mein" OLG unter Anwendung der antragsgegnerfreundlichsten Auslegung, die man sich nur denken kann, meinen Beschluss wieder aufheben würde...

    Im Übrigen hat Ulf natürlich Recht. Es ist nur die Zulässigkeit, und nicht die Begründetheit zu prüfen.

    Meinen Anwärtern erkläre ich das "etwas" :cool: überspitzt immer wie folgt:

    Wenn der Antragsgegner vorträgt "gucken Sie mal, im letzten Jahr habe ich pro Monat leider nur 15.000 € netto verdient, da kann ich natürlich nicht einen Cent Unterhalt bezahlen" :strecker und er reicht mir entsprechend die letzten dazu passenden 12 Gehaltsabrechnungen ein, dann ist der Einwand zulässig und die Festsetzung abzulehen.

    "Der Staat ist vom kühlen, aber zuverlässigen Wächter zur Amme geworden. Dafür erdrückt er die Gesellschaft mit seiner zärtlichen Zuwendung."

    Einmal editiert, zuletzt von Ernst P. (27. Mai 2020 um 19:51)

  • Es stimmt, dass der Sachverhalt etwas dürftig ist! Genau deshalb habe ich in meiner Antwort ja auch geschrieben, von welchen Voraussetzungen ich für die Antwort ausgegangen bin.

    Es wäre aber schön, wenn die Sachverhaltsdarstellung nicht zu Spekulationen Anlass geben würde. :D

    Ulf

    Alle Äußerungen hier sind als rein private Meinungsäußerung zu verstehen,
    sofern es bei den Beiträgen nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet wird.

  • Also wenn die mir vorgelegten Unterlagen so all das sind was der Agg seit Anfang 2019 bekommt (was ich glaube), dann hat er ein ein ALG 1 bisher nicht immer mehr als Tagessätze in Höhe von ca. 22 Euro und auch als er eine Arbeit hatte war der Verdienst in dem Bereich, wofür dann auch weider das nächste noch geringere ALG 1 spricht. Belegt hat er es und noch extra 1,2 Sätze dazu geschrieben, dass er gerade so Geld hat um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten und Unterhalt zahlen würde hätte er etwas übrig.

  • Dass das Gericht im vV nicht rechnet und überprüft ist mir klar, hab ich auch nicht behauptet. (Mir ist auch bewusst, dass dies der ein oder andere Jugendamtsmitarbeiter wahrscheinlich nicht versteht.)

    Ich kann aber wie geschrieben aus dem Sachverhalt eben nicht herauslesen, dass der Schuldner hier seine Leistungsfähigkeit abgestritten, nach § 252 Abs.4 FamFG mit Nachweisen belegt und nach § 252 Abs.2 FamFG noch erklärt hat, dass er sich zu 0 Euro Unterhalt verpflichtet. Die bloße Aussage man sei zur Unterhaltszahlung bereit, verfüge aber nicht über genügend Einkommen, ist keine zulässige Einwendung. (Sie wäre es nur dann ohne diese zusätzliche Erklärung nach § 252 Abs.2 FamFG, wenn es offensichtlich ist, dass er damit auch sagen wollte, dass er nichts bezahlen kann und dies auch belegt hat; daher der Verweis auf den ALG II Empfänger aus dem Beschluss des OLG Bamberg).


    Mag sein, dass der Sachverhalt hätte noch konkreter ausfallen können.

    Aber in Beitrag #1 heißt es:

    Zitat

    Er legt das Datenblatt dazu vor, sagt er ist grundsätzlich bereit zur Zahlung, verfügt aber nicht über Einkommen oder Vermögen. Er legt was vor von der Arbeitssagentur wonach er seit 1.2.19 ALG 1 bezogen hat, dann ab 01.05.19 hatte er eine Tätigkeit bis November 2019 und legte hierzu seine Lohnsteuerbescheigung vor, seither wieder ALG 1 mit Bescheid.

    Wie will man die Ausführungen des Kindesvaters anders auslegen als dass er zwar grundsätzlich zahlen würde, aber nicht leistungsfähig ist? :gruebel: Entsprechende Belege zum Einkommen und Vermögen des letzten Jahres liegen auch vor, so dass aus meiner Sicht der Einwand der fehlenden Leistungsfähigkeit wirksam erhoben wurde.

  • Wenn die Belege über das Einkommen vorliegen und die Leistungsfähigkeit streitig ist, darf der Unterhalt nicht im vereinfachten Verfahren festgesetzt werden ( dafür gibt es das streitige Verfahren mit Richterzuständigkeit )

  • Kommt darauf an, was der Antragsgegner in deinem Fall für eine Erklärung nach § 252 Abs.2 FamFG abgegeben hat. Wenn der Rechtspfleger bei jeglicher Einwendung nach § 252 Abs.4 FamFG und über den Umweg der Auslegung zu einer Zulässigkeit der Einwendung und Verpflichtung zu 0 € käme, würde damit das gesamte Verfahren ad absurdum geführt werden. Ich kann dies bei Offensichtlichkeit (Fall von Christian89 nach weiterer Erläuterung) nachvollziehen, in dem überspitzt genannten Fall von Ernst P. finde ich es aber z.B. dann doch ein bisschen weit hergeholt.

    Beispielhaft mal zitiert aus dem Münchener Kommentar zum FamFG unter Verweis auf die Gesetzesbegründung: "Soweit § 252 Abs. 2-4 Angaben zur Substantiierung der Einwendungen des Antragsgegners nicht vorschreiben, sondern für die Zulässigkeit ihrer Erhebung lediglich den formalen Erklärungsinhalt vorgeben, muss der Einlassung des Antragsgegners dennoch zu entnehmen sein, ob er überhaupt einen rechtlich relevanten Einwand erhebt. Unsinnige, erkennbar unbegründete oder offensichtlich nicht begründete Einwendungen sollen den Festsetzungsbeschluss ebenso wenig abwenden können wie eine nicht als Einwendung anzusehende Erwiderung, die lediglich allgemein, ohne jeden Hinweis auf den Rechtsgrund den geltend gemachten Anspruch bestreitet oder das Bestehen von Einwendungen behauptet, ohne konkrete, nachprüfbare Tatsachen zu nennen."

  • Daher sprach ich von "etwas" überspitzt.

    Also wenn man, um bei den 15.000€ netto als Beispiel zu bleiben, der Antragsgegner auch mtl. 14.500 € an Ausgaben geltend macht (Leasing für Yacht, Ferrari usw.) muss man festsetzen, denn dann ist es für den dummen Rechtspfleger, der nach der Vorgabe des Gesetzgebers die Begründetheit nicht prüfen darf, ein in sich schlüssiger Einwand. Vor allem weil ja die Ausgaben im Verhältnis zu den Einkünften stehen. 😉

    "Der Staat ist vom kühlen, aber zuverlässigen Wächter zur Amme geworden. Dafür erdrückt er die Gesellschaft mit seiner zärtlichen Zuwendung."

  • #4 Rechtspflegererinnerung wogegen - die Mitteilung?

    Was spricht gegen einen rechtsbehelfsbewehrtem Beschluss, der feststellt, dass zulässige Einwendungen erhoben worden sind und eine Festsetzung im vereinfachten Verfahren deshalb unzulässig ist?

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