Hallo, ich bin beim Amtsgericht in der Strafabteilung für Jugendsachen gelandet.
Natürlich ohne jegliche Ausbildung oder Weiterbildung auf dem Gebiet sowie ohne Kollegen, die mich in irgendeiner Weise einarbeiten könnten.
Es nimmt fast die meiste Zeit meines Dezernats in Anspruch macht an meinem Gesamtanteil doch den mit Abstand geringsten Anteil aus
In den Fällen der Vermögensabschöpfung (Einziehung Wertersatz) bin ich nun soweit, dass ich die Geschädigten und Verurteilten mit entsprechenden Vordrucken anschreibe.
Von der Reihenfolge mache ich es so: Der Verurteilte wird nochmal an die Zahlung erinnert, im Anschluss folgt die Beauftragung eines Gerichtsvollziehers, soweit ich im Schuldnerverzeichnis nicht schon
Anhaltspunkte finde, die eine weitere Vollstreckung unverhältnismäßig bzw. erfolglos erscheinen lassen.
Nun ist das große Problem jedoch: Ich habe es bislang noch in keiner einzigen Akte erlebt, dass der Verurteilte auch nur angedeutet hätte, er würde den angeordneten Betrag bezahlen.
So habe ich nun Stapel an Akten, in denen es nicht absehbar ist, dass dort irgendwann mal etwas gezahlt wird.
Meist ist schon auf den ersten Blicken erkennbar, dass die Beauftragung des Gerichtsvollziehers unverhältnismäßig ist.
Ein paar Beispiele, die gerade auftreten:
1. Der Verurteilte war in der JVA und befindet sich nun in Therapie, von der man ausgehen muss, dass diese noch mindestens ein Jahr andauert.
Darüber hinaus lebt er von Leistungen nach dem SGB II. Diese Infos stammen von dem gesetzlichen Berufsbetreuer. Ich soll ca. 6.000,00 € einziehen.
2. Eine weitere Verurteilte arbeitet gemäß Aktenvermerk des Richters auch "nur" als Aushilfe (450,00 € Basis) in einem Supermarkt. Den Gerichtsvollzieher habe ich beauftragt.
Dieser teilt mit, dass die Eltern ihm gesagt hätten, dass die Verurteilte wohl bei irgendeiner Freundin lebt. Wo das ist, konnte nicht ermittelt werden. Vollstreckungsunterlagen wurden zurück gesandt. Und nun?
3. Die ersten Sätze in der Urteilsbegründung lauten: Der Verurteilte lebt bei seinen Eltern, die von Jobcenterleistungen leben. Er erhält nur ein geringes Taschengeld.
Darüber hinaus hat er ca. 5.000,00 € Schulden. Nun soll ich nochmal einen vierstelligen Betrag einziehen.
4. Der Verurteilte wurde nach Albanien abgeschoben. Es befindet sich auch eine Entlassungsanschrift in den Akten. Diese beinhaltet jedoch nur ein Dorf ohne jegliche Hausnummer oder ähnlichem.
Ich wollte zunächst den Verteidiger als Zustellungsbev. zur Zahlungsaufforderung anschreiben.
Mir wurde die Akte dann mit dem Hinweis vorgelegt, dass der Verurteilte abgeschoben wurde und das Schreiben zunächst übersetzt werden müsste. Es sollen ca. 2.000,00 € eingezogen werden.
5. Ein ähnlicher Fall. Der Verurteilte sitzt in der JVA, hat kein Vermögen und soll nun in den Kosovo abgeschoben werden.
Er ist hier illegal eingereist, hat keinen Wohnsitz in Deutschland und hat mehrfach Wohnungseinbrüche begangen.
Wertersatz: 60.000,00 €.
Es handelt sich - wie bereits erwähnt - meist um Personen im jugendlichen Alter.
Nun könnte ich manche Akte einfach verfristen (was ich auch tue) und hoffen, dass die Verurteilten in einem oder zwei Jahren einen lukrativen Job nachgehen oder an Vermögen gelangt sind.
In den meisten Fällen ist dies erfahrungsgemäß utopisch, zumal es sich um Jugendliche handelt, die ja zunächst einmal eine Ausbildung beginnen müssten.
Darüber hinaus sind da die Fälle, in denen die Verurteilten abgeschoben werden. Mir fallen da keine Möglichkeiten ein, in denen ich die Vollstreckung verhältnismäßig fortführen könnte.
Wie würdet ihr in den Fällen verfahren? Immer wieder verfristen?
Kann ich die Akten auch dem Richter vorlegen und um eine Entscheidung nach § 459g StPO bitten? Bitte lyncht mich nicht, falls dies total abwegig sein sollte
Hat hierzu evtl. jemand Vordrucke / Verfügungen, die er teilen würde?
Ich kann hierzu leider keine Erfahrung oder Grundlagen mit jemanden austauschen und bin am Verzweifeln.
Freue mich über jede Antwort